Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel meines Schminktisches, der mittlerweile aussah wie ein einziges Chaos. Ich trug ein schwarzes Top mit Pailletten, die ein wenig funkelten, wenn Licht darauf fiel. Es war leicht bauchfrei, selbst noch zu der schwarzen Highwaistskinnyjeans, die ich dazu kombiniert hatte, um meine relativ langen Beine zu betonen. Beim Make-Up hatte ich heute den Fokus auf die Augen gesetzt und ein braunes Eye-Makeup kreiert, während ich auf den Lippen einen dunklen Nude-Ton trug. Ich nickte mir zufrieden im Spiegel zu. So konnte ich rausgehen.In einer Tour zog ich mein Handy vom Ladekabel und lief nach unten, um ein paar Minuten später mit Felix und einer Flasche Wodka im Schlepptau das Haus verließ. Wie wirklich gefühlt immer fand auch heute die Party wieder bei Tom zuhause statt und da sein Bruder Anton wieder die halbe Stadt eingeladen hatte, kam Felix natürlich auch mit.
Da wir mit ziemlicher Sicherheit Alkohol trinken würden, ließen wir das Auto stehen. Da meine Mutter leider wenig Lust hatte ihre partywütigen Kinder nachts in der Gegend herumzukutschieren, mussten wir wohl oder übel laufen, obwohl Toms Haus ziemlich weit von unserem entfernt lag. Aber was tat man nicht alles für eine ausgelassenene Partynacht?
Felix hatte mir einen ziemlich merkwürdigen Blick zugeworfen, als ich in meinem Outfit die Treppe herunter in die Küche gekommen war, aber zum Glück hatte er sich jegliche Kommentare zu meinem Aussehen verkniffen. Vielleicht hatte mein Auftritt vom letzten Mal ja doch etwas gebracht und mein Bruder war endlich auch mal im Zeitalter der Emanzipation angekommen.
Auf dem Weg zu Tom redeten Felix und ich nicht wirklich viel. Er fragte mich nach Jonas und ob er wieder gut in seinem Internat angekommen war. Es versetzte mir zwar kurz einen kleinen Stich, weil ich schließlich wusste, wie gut er wieder dort angekommen war und wie wenig es ihm scheinbar auszumachen schien, dass wir Streit gehabt hatten. Aber dann hatte ich mich wieder daran zurückerinnert, dass ich das ganze heute hinter mir lassen würde, Jonas mal Jonas sein lassen würde und endlich mal wieder mein Leben leben würde. Gut, sonst tat ich das auch, aber jetzt würde ich erst richtig ausleben, dass ich mein Leben leben könnte wie ich es wollte, ohne mich von jemandem einschränken zu lassen. Ich war schließlich jung, frei und single, hatte bis auf die Schule keinerlei Verpflichtungen und ganz furchtbar hässlich war ich auch nicht. Dieser Satz war in den letzten Tagen fast zu so etwas wie meinem Lebensmotto geworden. Ob das nun aber gut war oder nicht, galt es erst noch herauszufinden.
Ich erzählte Felix also einfach, dass ich mir ziemlich sicher war, dass es Jonas gut ginge, ich es aber eigentlich gar nicht so genau wüsste, da er nun schließlich sein eigenes Leben lebte und dieses eben nicht mehr hier stattfand. Daraufhin erntete ich zwar einen merkwürdigen Seitenblick von Felix, den ich jedoch gekonnt ignorierte. Immerhin hielt Felix jetzt den Mund und ließ mich mit seinen Fragen in Ruhe, sodass ich mich sogleich wieder richtig fabelhaft fühlte.
Und es wurde nur noch fabelhafter, als wir bei Tom angekommen waren, ich schon die ersten Schlucke aus meiner "Teufelsmische", wie Greta sie getauft hatte, getrunken hatte und dem Abend voller Tatendrang entgegen sah. Gerade unterhielt ich mich mit Greta, da Lina irgendwohin mit Alex verschwunden war. Genaueres wollten wir lieber auch gar nicht erst wissen.
Ich hatte meinen beiden besten Freundinnen gleich am Donnerstag in der Schule von meinem Anruf bei Jonas erzählt. Vor Allem Greta war sich zwar sicher, dass da etwas anderes dahinter stecken musste und Jonas sich ganz sicher nicht mit irgendwelchen Mädchen traf und diese dann auch noch an sein Handy gehen ließ, wenn ich nach einer Auseinandersetzung anrief, aber ich hatte weder Lust noch Energie darüber nachzudenken. Es war letztendlich ja doch alles so gekommen, wie ich es vorausgesagt hatte und ich Trottel hatte mich erst auch noch dafür entschuldigen wollen, die Wahrheit ausgesprochen zu haben. Irgendeiner hatte das schließlich mal tun müssen.
Lina hatte dort schon eher auf meiner Seite gestanden. Ich hatte fast das Gefühl gehabt, sie war selbst ziemlich sauer gewesen, nachdem ich ihr davon erzählt hatte. "Gott, dieses Arschloch ist doch auch echt zu blöd, oder?", hatte sie gesagt und mich anschließend in meinem Vorhaben unterstützt heute mal so richtig die Sau rauszulassen. "Manchmal muss das einfach sein. Und ich habe ganz schwer das Gefühl, dass genau jetzt die perfekte Zeit dafür ist."
Greta hatte von uns allen am skeptischten geguckt und das hatte sie auch vor ein paar Minuten getan, als sie mein Outfit gesehen hatte. Gerade sprachen wir nur über unverfängliche Themen. Just als Greta fragte, ob wir die Jungs schon gesehen hatten und ich ihr sagen wollte, dass mir heute noch keiner von beiden untergekommen war, erblickte ich Leo, der mit Tom im Schlepptau geradewegs auf uns zulief.
"Wenn man vom Teufel spricht.", meinte ich fröhlich und bedeutete Greta sich umzudrehen, damit auch sie sehen konnte, wer da auf uns zugelaufen kam.
"Na meine Engelchen", begrüßte Leo uns beide, woraufhin wir in ungewolltes Gelächter ausbrachen. Das mit dem Teufel konnte er schließlich gar nicht gehört haben und dass er uns dann genau mit dem Gegenteil begrüßte, war schon irgendwie ein lustiger Zufall.
"Obwohl huch, das mit dem Engel nehm' ich zurück, Mia. Willst du dir heute noch jemandem aufreißen in dem scharfen Outfit.", mutmaßte er und sah mich anerkennend an. "Heiß, wirklich heiß. Was hälst du denn davon, wenn du auch mal in so nem Aufzug hier ankommst, Gretalein?"
"Was hälst du denn davon, mal ein bisschen weniger zu trinken, mein Lieber." Deine Fahne riecht man ja jetzt schon bis hier.", erklärte sie locker und ging gar nicht weiter auf seinen Vorschlag ein.
"Och Gretachen, jetzt sei doch nicht immer so verklemmt.", jammerte Leo nun schon fast. "Komm, ich hol dir noch was zu trinken.", erklärte er wie selbstverständlich, legte einen Arm um sie und zog sie mit sich in die Küche, wo die Getränke gelagert waren, bevor sie überhaupt auch nur ein Wort dagegen sagen konnte.
Also stand ich nun mit Tom alleine herum, der bis jetzt noch gar nichts gesagt hatte. "Du wirkst so entspannt heute.", merkte ich zur Begrüßung an. "Sonst rennst du doch immer wie verrückt durch die Gegend, wenn dein Bruder 'ne Party schmeißt."
"Ach", zuckte er unbekümmert die Schultern. "Das wird schon." Ich nickte einverstanden und nahm noch einen Schluck aus meinem Becher. Dieses Zeug konnte ich nicht mehr gesund sein. Als ob Alkohol jemals gesund wäre.
"Und was geht bei dir sonst noch so?", fragte er mich nun ganz unverfangen. "Ach nichts, alles wie immer.", log ich und exte daraufhin meine gesamte restliche Mische. "Ich glaub, ich brauch auch nochmal was Neues zu trinken.", kündigte ich an und verzog mich in die Küche, während ich ihn einfach so stehen ließ. Vielleicht auch nicht eine meiner nettesten Übungen, aber er hätte das schließlich auch als Einladung verstehen, obwohl es keine gewesen war, und mitkommen können.
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Der letzte Sommer
Roman pour Adolescents"Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum, dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt. Für Mia und ihre Freunde steht das le...