Kapitel 64: wap bap

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WAP BAP - WILLI HERREN

Doch ich sollte mich geirrt haben und sogleich eines besseren belehrt werden. Denn gerade als ich beteuern wollte, dass wir wirklich nur Freunde waren, musste ich daran denken, wie er mich vor ein paar Tagen geküsst hatte. In diesem Vereinsheim. Und daran, wie er es schonmal getan hatte, damals in meinem Wohnzimmer. Und ich dachte daran, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wie er gesagt hätte ich wäre wunderschön, beim Color Run. Das war wahrscheinlich keine gute Idee gewesen, denn mittlerweile musste ich rot wie eine Tomate sein, doch versuchte trotzdem noch mich irgendwie zu retten.

„Wir sind wirklich nur Freunde.", beteuerte ich noch einmal in nettem Tonfall, während ich versuchte so unbekümmert wie möglich zu klingen und erntete daraufhin enttäuschte Gesichter, sodass es mir fast leid tat. So wirklich zu glauben, schienen sie mir aber immer noch nicht. Kein Wunder, so wie ich mich angestellt hatte. Vor allem Jonas' Tante Vera, die gerade entspannt den Rauch auspustete, schien nicht viel auf meine Erklärung zu geben und zu meinen mehr zu wissen, als andere anderen. Das hatte ich ja mal wieder toll hinbekommen.

„Was soll der Jonas denn jetzt auch mit 'ner Freundin?, meldete sich nun einer der Onkel. „Der konzentriert sich jetzt erstmal auf seine Karriere und das mit den Frauen kommt ganz alleine mit der Zeit. Was Festes kann der doch jetzt nicht brauchen. Der Junge ist jung, gutaussehend und bald spielt er in der Bundesliga. Der muss sich ausprobieren."

Ich wusste nicht warum, aber irgendwie verletzte mich diese Aussage tief in mir drin, denn ich wusste, dass er Recht hatte. Jonas würde bald aufsteigen und berühmt werden, viel Geld verdienen. Davon war ich fest überzeugt, auch wenn ich manchmal egoistisch war und mir wünschte, es wäre vielleicht nicht so, sondern so, dass er bald wieder ganz zurückkommen würde und nicht nur für ein paar Tage.

Aber so war es nunmal nicht und irgendwann würde er dann anderes im Kopf haben, als mir ständig zu schreiben oder überhaupt Kontakt zu seinen Freunden aus der Kindheit aus der unspektakulären Kleinstadt zu halten, in der er aufgewachsen war. Er würde sich verändern, neue Leute treffen, die in das Leben eines Fußballprofis passten. Und irgendwann würden wir dann in der Zeitung lesen, dass er irgendein amerikanisches Model geheiratet hatte. Ich wünschte mir, es wäre anders, aber das würde es nicht sein. Irgendwann musste ich den Tatsachen mal ins Gesicht sehen.

Ich bemühte mich, ein möglichst unbekümmertes Lächeln aufzulegen und einfach meinen Kuchen weiter zu essen. Doch es fiel mir irgendwie schwer nicht so darüber nachzudenken und dass die anderen jetzt noch weiter darüber redeten, machte die ganze Sache nicht gerade besser. Eigentlich wäre ich gerne aufgestanden und gegangen, aber mir fiel keine Ausrede ein, die jetzt nicht total schlecht gewesen wäre, sodass ich ungestört am besten gleich nach Hause gehen konnte, um dort in meinem Bett zu verschwinden und am besten nie wieder aufzutauchen. Ich wollte nicht, dass mich das ganze so mitnahm und ich wollte nicht, dass es mich so beeinflusste, wie es das gerade tat.

„Da sind wir wieder.", riss Jonas' Cousin Niklas mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um, da ich mit dem Rücken zur Tür saß, in der Jonas stand. Niklas war direkt vor ihm und sah fast ein kleines bisschen aus wie Jonas in der Miniversion mit dunkleren Haaren. Ich vermutete, dass Niklas circa zehn Jahre alt sein musste, aber konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie Jonas in dem Alter ausgesehen hatte.

„Na, habt ihr schön gespielt?", fragte Niklas' Mutter, die der von Jonas verdächtig ähnlich sah.

„Ja klar!", antwortete Minijonas mit dunkleren Haaren mit leuchtenden Augen. „Ich hab' ihn fertig gemacht!", erklärte er stolz.

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt