"Jonas Klein in der Bundesliga", lautete die Überschrift des Artikels, der mich so erstarren ließ.
In Windeseile überflog ich den Artikel, der eigentlich nur aussagte, dass der Trainer von Jonas' Mannschaft beschlossen hatte, ihn in den Stammkader der Bundesligamannschaft aufzunehmen, da er sich in der zweiten Mannschaft so gut gemacht hatte, sich in diversen Testspielen und Trainings gut gezeigt hatte und auch gut in die Mannschaft der ersten Liga passte. Auch, dass dies schon ein ziemlicher Wahnsinn war, wenn man bedachte, dass Jonas vor einem halben Jahr gerade erst in das Internat des Profivereins gekommen war und man nun auf ihn setzte, wenn es um den Klassenerhalt ging. So einen Aufstieg musste man auch erst einmal hinlegen. Ich konnte nicht anders. Unweigerlich stiegen mir Tränen in die Augen und ich begann zu schluchzen.
"Mia?", was ist denn los?", fragte meine Mutter ebenso überrascht wie besorgt.
"Nichts", brachte ich fast schon kleinlaut hervor. "Ich freu mich einfach nur so für ihn.", antwortete ich wie automatisch und es war nichtmal gelogen. "Er hat da so hart für gearbeitet und gekämpft."
Ich wischte mir schnell die Tränen aus den Augen, riss ihr meine Schüssel mit den Cornflakes quasi aus der Hand und verschwand aus der Küche, um den Tröstversuchen meiner Mutter aus dem Weg zu gehen. Normalerweise aß ich nie alleine in meinem Zimmer, wenn sie da war, weshalb sie sich sicher etwas wunderte, doch mir würde später sicher irgendeine Ausrede einfallen. Gerade wusste ich einfach nur, dass es Zeit wurde, dass ich alleine war, denn ich spürte schon, wie ich zitterte, meine Stimme bebte und kratzte, sobald ich nur versuchte einen einzigen Laut herauszubringen. Ich bekam wieder diesen widerlichen Schluckauf, gegen den man rein gar nichts tun konnte. Sobald man ihn zuließ, würde man nämlich sowieso in Tränen ausbrechen.
So schnell ich konnte, rannte ich mit meiner Tasche und dem Essen geradewegs die Treppe nach oben in mein Zimmer, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich erleichtert gegen die eben zugemachte Tür. Jetzt brach es über mich hinein und die Tränen schossen mir nur geradezu in die Augen.
Sicherlich lag es wohl auch daran, dass ich mich wirklich so sehr für ihn freute, weil ich wusste, wie sehr er sich das erträumt hatte und was er alles dafür getan hatte, wie hart er dafür gearbeitet hatte und auf wie viel er deswegen hatte verzichten müssen.
Aber gleichzeitig hatte ich auch das Gefühl, dass er mir nun noch weiter entgleiten würde, falls das überhaupt noch möglich war. Denn jetzt würde er noch weniger Zeit haben, mit noch wichtigeren Menschen zu tun haben und es würde nicht nur viel mehr Aufmerksamkeit, sondern auch wesentlich mehr Druck auf ihm lasten.
Auch dieser Tag wurde wieder nicht gut, auch im Gruppenchat auf WhatsApp gab es kein anderes Thema mehr, als Jonas' Aufstieg in die Bundesliga. Genauso wie auf Instagram und Facebook, wo nicht nur die Anzahl der Follower sondern auch die der Glückwunschbekundungen quasi sekündlich anstieg. Kurz rang ich mit mir, ob ich nicht auch etwas dazu schreiben sollte. Wenigstens zu einem "Herzlichen Glückwunsch" wollte ich mich durchringen, doch wusste nicht, ob es überhaupt angebracht war und wenn ja, ob ich dafür den Gruppenchat wählen sollte, denn dann würden mich sicher wenigstens Lina und Greta darauf ansprechen, dass ich ein Stück auf ihn zugegangen war. Greta würde sich wahrscheinlich freuen und denken, dass sich alles nun sofort klären und wieder so wie früher werden würde. Doch ich hatte wenig bis absolut keine Lust ihr klarzumachen, dass es wahrscheinlich nie wieder so vertraut und freundschaftlich werden würde, wie es vor ein paar Monaten noch gewesen war. Lina hingegen war ziemlich wütend auf Jonas, weil es sie fast noch viel mehr aufregte als mich, dass er mich schlecht dafür fühlen ließ, dass ich gesagt hatte, was ich dachte und dann auch noch genau das tat, was ich vorhergesagt hatte. Ihr ging es also ungefähr so wie mir, was das anging. Was mich nur wunderte, war, dass er, so weit ich wusste, nicht einmal Lina und Greta von seiner Freundin erzählt hatte. Vielleicht wussten Tom und Leo davon, aber dass er seinen Freundinnen nichts davon erzählt hatte, bestätigte eigentlich auch wieder nur meine Theorie: Wir leben uns alle auseinander. Jonas bewegte sich jetzt schon ganz extrem von uns allen weg, nicht nur räumlich, sondern auch von der Persönlichkeit her. Noch schlimmer würde es wahrscheinlich werden, wenn wir alle Abi gemacht hatten und in die weite Welt ausströmten.
Von Greta wusste ich, dass sie schon lange plante, für eine Zeit lang ins Ausland zu gehen und ein Au-Pair-Jahr in den USA zu machen. Tom war für Medizin angenommen worden und würde für das Studium sogar extra nach Berlin ziehen. Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, wirklich diesen normalerweise mehr als fast unmöglichen Notenschnitt zu erreichen. Naja, in der Schule war er eigentlich schon immer recht gut gewesen. Lina hingegen hatte bis jetzt geplant, dass sie erst einmal ein wenig mit ihrem Freund Alex durch die Welt reisen würde. Im Moment sah es wohl so aus, als würden sie Work and Travel in Neuseeland oder Australien machen. Früher hatte Lina immer unbedingt auf die Schauspielschule gewollt, doch seitdem sie im Frühling plötzlich unerwartet aus der Theater-AG unserer Schule ausgetreten war und nun jedes Mal total abweisend und gereizt reagierte, wenn man sie nur darauf ansprach, hatte sich das wohl auch erledigt. Es war jedoch für uns alle eine ziemlich große Überraschung gewesen, dass ausgerechnet Lina von einem Tag auf den anderen mit der Schauspielerei aufgehört hatte, da diese schon seit ihrer frühesten Kindheit ihre große Leidenschaft gewesen war. Ich vermutete, oder war mir eigentlich sogar ziemlich sicher, dass irgendetwas vorgefallen sein musste, doch immer wenn ich oder jemand anderes sie darauf ansprach, blockte sie sofort komplett ab und antwortete nur kurzangebunden, dass sie einfach genug davon hatte und einfach mal etwas Neues probieren wollte.
Leo hingegen hatte im Gegensatz zum Rest von uns noch absolut keinen Plan von dem, was er nach der Schule machen würde. Wahrscheinlich würde er erst einmal zuhause rumgammeln und dann irgendwann eventuell anfangen irgendwas zu studieren. Ich selbst hatte mich dazu entschieden, mein Hobby zum Beruf zu machen und Sport zu studieren. Ein bisschen Angst, dass meine sportlichen Fähigkeiten dafür nicht ausreichten, hatte ich zwar und auch, was ich nach dem Studium damit machen wollte, wusste ich noch nicht so genau, aber schließlich hatte ich ja auch noch ein bisschen Zeit, um das herauszufinden. Doch auch ich würde nicht hier bleiben, sondern von zuhause aus- und in eine andere Stadt ziehen.
Doch das ganze brachte mich in der ganzen Gratulationssache nicht weiter. Ich wollte wirklich nicht zickig sein und einfach nichts dazu schreiben, doch die Variante im Gruppenchat zu schreiben, fiel für mich schonmal weg.
Natürlich gab es dann auch noch die Möglichkeit, einfach im Privatchat zu schreiben, doch das war mir fast eine Spur zu heftig, denn das würde den Anschein machen, ich würde wieder Kontakt zu ihm aufbauen wollen und ich würde garantiert nicht wieder bei ihm angekrochen kommen. Deswegen wählte ich den einfachen Weg und schrieb letztendlich einfach gar nicht.
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Der letzte Sommer
Ficção Adolescente"Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum, dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt. Für Mia und ihre Freunde steht das le...