"Was soll man machen, bei all den Groupies?", meinte Jonas selbstverliebt mit einem Zwinkern in den Augen."Ach, Groupies? So ist das.", lachte ich. "Was sollst du denn bitte für Groupies haben?"
"Das wüsstest du wohl gerne, was?", antwortete er ironisch und ich begann zu lachen.
"Du hattest doch nichtmal dein erstes Spiel.", meinte ich.
"Ach, das hast du dann doch noch mitgekriegt.", erkundigte er sich.
"Ich folg dir schon noch auf Instagram. Aber unter deinen zehntausend Followern, die du seit neuestem hast, scheint das ja wohl unterzugehen.", erklärte ich lachend, obwohl das mit den zehntausend Follower nichtmal so falsch war.
"Ich sag ja, Groupie Nummer 1.", meinte Jonas zu wissen und deutete auf mich.
Erneut musste ich anfangen zu lachen, so viel am Stück hatte ich die letzten Monate nicht mehr gelacht. Zumindest nicht, dass ich mich erinnern konnte.
"Das glaubst auch nur du.", bedeutete ich und zeigte ihm einen Vogel.
"Jaja, ich dich auch.", versprach er lachend, sah dabei aber doch ziemlich bedrüppelt aus. Bei diesem Anblick konnte ich einfach nicht anders, als erneut loszuprusten und mein Gesicht in Jonas Schulter zu vergraben, damit ich wenigstens mal ein bisschen runterkommen konnte.
Kurzerhand legte Jonas seinen Arm um mich und ich konnte gar nicht beschreiben, wie gut es sich anfühlte wieder seine Nähe zu spüren.
Ich hob meinen Kopf an und sah ihm direkt ins Gesicht. "Aber erzähl mal, wie das so ist mit deinem Bundesligatrainer und der neuen Mannschaft und Schule und generell.", forderte ich ihn nun auf. Es interessierte mich wirklich, was sich in seinem Leben verändert hatte, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten.
"Keine Ahnung", betonte er nur locker. "Relativ stressig in letzter Zeit."
Ich wartete darauf, dass er weiterredete, denn normalerweise war ich gewohnt, dass Jonas stundenlang über Fußball reden konnte. Doch irgendetwas schien heute anders zu sein. "Vielleicht hat Jonas sich auch einfach verändert.", ertönte diese leise Stimme im hinteren Ende meines Kopfes. Doch auf die hörte ich gar nicht erst. So gut kannte ich ihn dann wohl doch noch.
Ich hob also nun meinen ganzen Kopf von seiner Schulter befreite mich aus seinem Griff und richtete mich auf.
"Was ist los?", wollte ich wissen.
Er sah mich verwirrt an. "Wie, was ist los?"
"Irgendwas ist los mit dir.", erklärte ich. "Du bist sonst nicht so."
"Wie?"
"Mmmhh, keine Ahnung. Relativ stressig in letzter Zeit.", imitierte ich ihn. "Sowas sagst du nicht. Vielleicht wenns um Schule geht, aber nicht um Fußball."
"Woher willst du das denn jetzt auf einmal wissen?", pampte er mich fast schon wieder an.
"Weil ich dich kenne, vielleicht.", entgegnete ich.
"Ach, tust du das.", doch seine Stimme hatte nun jede Form von Ironie verloren. Er klang fast herausfordernd.
"Jonas, jetzt werd nicht beleidigend. Ich dachte damit wären wir durch."
"Du hast doch mit dem ganzen Müll angefangen. Mit diesem ganzen "ja ich bin dir ja sowieso egal Müll" und "du vergisst uns eh, wenn du erstmal hier weg bist" Scheiß. Und vielleicht mal am Telefon zu bleiben und nach mir zu fragen oder später einfach nochmal anzurufen ist dir nicht eingefallen, oder was? Mia, ich will dir ja keine Vorwürfe machen, aber es tut schon weh, wenn du ständig so tust, als wäre meine einzige Intention dich mit allem zu verletzen, was ich tue.", erklärte er vorwurfsvoll.
Was Jonas da sagte, ließ schon wieder diese Wut in mir aufkeimen, doch ich schluckte den Ärger herunter, denn schließlich hatte er irgendwie ja doch Recht. Ich hätte meinen beschissenen Stolz mal beiseite lassen können und das Mädchen am Telefon einfach nach Jonas fragen können. Es hätte mich vielleicht zwei Sekunden Überwindung gekostet, aber zwei Monate Kummer erspart.
Ich antwortete nicht. Ich nickte nur. "Du hast Recht.", flüsterte ich nun. "Du hast Recht." Ich wandte meinen Blick auf den Boden und sprach nun noch leiser. "Ich hab nur so Angst, irgendwie, weißt du?", fragte ich, dass er es eigentlich gar nicht verstanden haben konnte, aber ich hatte mich wohl getäuscht.
"Wovor denn?", wollte er wissen und sah mich nun eindringlich an. Es schien ihm wirklich wichtig zu sein.
Ich zuckte die Schultern, als wüsste ich selbst keine Antwort. Doch Jonas ließ mir genug Zeit, um mir die passenden Worte zurechtzulegen. Er wusste, dass ich wusste, warum ich so Angst hatte.
"Wir sind so anders, irgendwie.", begann ich langsam, doch fuhr direkt fort, als Jonas mich direkt kritisch ansah. "Vielleicht jetzt noch nicht, aber du weißt, wie deine Zukunft aussieht und ich weiß, was ich machen werde. Während du jetzt schon in der Bundesliga spielst und irgendwann vielleicht im Ausland, Nationalmannschaft oder sonst wo, studiere ich Sport und weiß nichtmal, was ich damit machen möchte. Und ich meine es ist doch abzusehen, dass du dich dann irgendwann, wenn du da die entscheidenden Tore in den großen Stadien dieser Welt schießt, fragen wirst, was das Leben noch für dich zu bieten hat und das erste, was dir da durch den Kopf geht, wird ganz sicher nicht diese planlose Sportstudentin sein, die so langweilig ist, dass sie nach dem Abi nichtmal nach Australien geht.", ich musste kurz schmunzeln. Für Australien hätte ich wirklich viel zu viel Heimweh.
"Ich hab nicht so wenig Vertrauen, weil ich dir nicht vertraue, sondern, weil schonmal einfach jemand gegangen ist, weil ihm das Leben mit mir und meinem Bruder und meiner Mutter zu langweilig wurde und ich weiß nicht, ob ich das nochmal kann." Das Ganze kostete mich mehr Überwindung, als es eigentlich sollte. So ehrlich hatte ich noch nie über die Sache mit meinem Vater geredet. Noch nie hatte ich mich so verletzlich gemacht.
"Mia, nur weil dein Vater ein Arschloch ist, heißt das nicht, dass ich auch eins sein muss. Ich wünschte ich könnte dir sagen, was in fünf oder zehn Jahren ist, aber das kann ich nicht. Wenn es nach mir gehen würde, schieß ich dann die Tore, von denen du geredet hast und dann bist du wahrscheinlich das einzige, an das ich denken kann, weil ich das ohne dich niemals schaffen werde. Seitdem wir keinen Kontakt mehr haben, läuft irgendwie alles falsch. Vor allem seit dem ganzen Bundesligakram. Ich hab jetzt so viel Training, weil ich so viel unerfahrener bin als all die anderen. Ich trainiere ganz normal mit den Jungs vor der Schule, aber da redet kaum noch einer mit mir, weil ich glaub ich alle irgendwie n bisschen pissig sind, dass ich in den Kader berufen wurde, und keiner von ihnen. Und das, obwohl ich doch erst seit Sommer da bin. Ich muss also in jedem Training irgendwie zeigen, dass die Trainer die richtige Entscheidung getroffen haben und dass ich es wirklich verdient habe. Schule läuft irgendwie auch nicht mehr so richtig. Vor allem jetzt wo es aufs Abi zugeht und ich immer mehr verpasse, weil ich mittags oft für das Training mit der Mannschaft früher aus der Schule muss. Die sind da zwar alle ganz okay und helfen mir auch echt viel, aber ich bin so viel schlechter als die anderen, weil sie einfach viel erfahrener sind und sich nur auf Fußball konzentrieren können und nicht noch son dummes Abitur nebenbei haben. Abends muss ich dann eigentlich lernen und nachholen, was ich verpasst habe, aber oft bin ich dann echt so kaputt, dass ich echt nichts mehr auf die Reihe kriege und dann noch irgendwie dieser ganze Stress mit dir.", er fuhr sich auf einmal so aufgewühlt durch die Haare, bevor er mich eindringlich ansah. "Deine ganzen Instagramposts und dass du dich einfach nie gemeldet hast, auch nicht, als ich dann in die Erstligamannschaft aufgestiegen bin. Keine Ahnung, das war irgendwie echt zu viel."
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Der letzte Sommer
Fiksi Remaja"Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum, dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt. Für Mia und ihre Freunde steht das le...