Kapitel 4: salami-schinken-champignon-pizza

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Ein paar Stunden später saß ich mit meiner Familie in einem italienischen Restaurant und aß meine Salami-Schinken-Champignon-Pizza mit extra viel Käse. Felix hatte sich ebenfalls für Pizza entschieden, während unsere Mutter sich Pasta bestellt hatte.

"Ihr fragt euch sicher, weshalb wir hier sind.", begann sie zu erzählen und ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie fort, indem sie seufzte: "Es geht um euren Vater."

"Um unseren was?", ich sah vollkommen erstaunt von meiner Pizza auf.

"Nenn ihn nicht Vater, Mama. Das hat er nicht verdient.", sagte Felix nun ruhig.

"Nein, es geht garnicht um ihn, sondern eher um euren Bruder.", meinte sie nun verunsichert. Man merkte, dass die Situation ihr äußerst unangenehm war und sie sich nicht wohl fühlte.

"Was? Wir haben einen Bruder?", nun riss sowohl Felix als auch ich vor Erstaunen den Mund auf.

"Ja, das habt ihr, aber ganz ruhig. Lasst mich doch erst einmal ausreden, bevor ihr Fragen stellen könnt.", sie verhaspelte sich, was ein Zeichen dafür war, dass sie aufgeregt und verunsichert war.

Völlig paralysiert nickten Felix und ich, bevor sie fortfuhr.

"Gut, wie mach ich das denn jetzt?", sagte sie eher zu sich selbst als zu uns, während ihre Nervösität sich klar bemerkbar machte. Sie zitterte und wedelte mit den Armen in der Luft herum, während sie sprach.

"Also, wie ihr wisst, ist euer Vater ein naja, Arschloch. Tut mir Leid, dass ich das jetzt so sagen muss, er ist immerhin euer Vater, aber, er ist nunmal...", begann Mama völlig durcheinander.

"Du hast schon recht, er ist ein Arschloch. Er hat dich einfach so mit zwei kleinen Kinder alleine gelassen und nicht einen Cent Unterhalt gezahlt. Für so jemanden ist Arschloch fast noch ein Kompliment.", beruhigte Felix sie, während ich noch vollkommen durcheinander auf meinem Stuhl saß und überhaupt nichts mehr verstand. Wie konnte Felix nur so gefasst sein? Wir hatten gerade erfahren, dass wir einen Bruder hatten und es musste irgendwas mit ihm zu tun haben, dass Mama mit uns hierher gefahren war, sonst hätte sie es nicht erzählt. Ich war wirklich mehr als nervös.

"Ich muss es euch ja doch erzählen. Bitte, lasst mich kurz ausreden, es fällt mir sowieso schon schwer genug.", bat unsere Mutter.

Mein Bruder und ich nickten und sie erzählte: "Nachdem er uns verlassen hatte, ist er noch einmal Vater geworden. Doch als sein Sohn gerade geboren war, hat er sich aus dem Staub gemacht und nie wieder von sich hören lassen."

Man merkte, wie sehr das Thema sie mitnahm. Wahrscheinlich ließ es alte Erinnerungen in ihr aufkommen. Schreckliche Erinnerungen, die sie immer versuchte zu verdrängen, indem sie sich in Arbeit stürzte. Doch gerade, in diesem Moment, an diesem Tisch in diesem kleinen italienischen Restaurant gelang es ihr nicht.

Felix und ich rückten näher zu ihr und legten beide unsere Köpfe an ihre Schultern. Felix an die rechte, ich an die linke.

"Sonja, die Mama von eurem Bruder, er heißt übrigens Ben und ist acht Jahre alt, falls ihr das wissen wollt, hat ihren Sohn dann alleine großgezogen. Bis...", jedes neue Wort kostete ihr noch mehr Kraft als das letzte.

"Bis was?", fragte ich nun, doch meine Wörter brachen. Ich konnte einfach nicht fassen, dass dieser Mistkerl von Vater nicht nur Mama, Felix und mich verlassen hatte, sondern auch eine weitere Frau mit einem Kind. Er konnte nur ein herzloser Mensch sein. Früher hatte ich mir vorgestellt, dass er einen Grund gehabt hatte zu gehen. Vielleicht hatte man ihn auf eine wichtige Marsmission geschickt oder er musste als Superheld anderen Menschen das Leben retten und konnte deshalb nicht bei uns bleiben. Wie konnte ich damals nur so naiv sein? Nun gut, ich war ungefähr sieben oder acht und wollte nicht glauben, dass mein Vater einfach ein furchtbar großes Arschloch war. Ich hasste ihn, ohne ihn wirklich zu kennen.

Nun redete meine Mutter weiter, doch es fiel ihr schwer, noch viel schwerer, als davor: "Sie hatte Krebs. Letzte Woche, Sie ist letzte Woche gestorben."

Nun konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie weinte und sagte: "Er ist doch erst acht"

Sie sagte es immer und immer wieder und konnte erst einmal garnicht aufhören zu weinen.

Felix und ich nahmen sie in den Arm, doch es ging für uns beide alles zu schnell, um überhaupt irgendwie mitzudenken.

"Stellt euch das nur mal vor. Er ist gerade acht, musste mitansehen wie seine Mutter nach und nach immer mehr Teil der Krankheit in ihr wird und nun will nichtmal sein Vater, sein eigener Vater, ihn aufnehmen und sich um ihn kümmern. Wahrscheinlich ist es besser für den Jungen, diesem Mann kann man kein Kind anvertrauen.", schluchzte sie weiter.

Nun konnte auch ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Wie musste er sich nun fühlen? Er hatte niemanden mehr, war ganz allein auf der Welt. So viel Schmerz sollte ein so junges Kind noch nicht erleben müssen.

"Mama, W-Was passiert nun mit ihm, wo kommt er hin? Er kann doch nicht allein bleiben.", fragte ich leise.

Meine Mutter wischte sich mit dem Ärmel ihres wunderschönen roten Kleides, das perfekt zu ihren dunkelblonden Haaren passte, die ich von ihr geerbt hatte, die Tränen aus den Augen ehe sie mir antwortete: "Das Jugendamt hat natürlich sofort seinen Vater kontaktiert, doch der Mistkerl hat gesagt, dass er nichts mit ihm zu tun haben will und dann hat das Jugendamt mich kontaktiert, weil ihr seine einzigen sonstigen Verwandten seid. Wir können ihn doch nicht alleine lassen. Er ist doch euer Bruder."

"Nein, natürlich können wir das nicht.", meinte Felix ruhig.

"Ist es für euch in Ordnung, wenn er zu uns kommt? Irgendwo muss er doch bleiben. Sonst kommt er zu einer Pflegefamilie, zu ganz fremden Leuten. Wir sind zwar auch noch fremd für ihn, aber immerhin seid ihr seine Geschwister. Der Junge musste doch schon so viel durchmachen.", so mitgenommen hatte ich meine Mutter noch nie gesehen.

"Natürlich, Mama.", sagte ich.

Felix nickte ebenfalls und nun saßen wir alle drei in diesem gemütlichen italienischen Restaurant und hielten uns in den Armen. Alle waren wir traurig. Doch ob es nun war, weil ein achtjähriges Kind so viel Mist durchleben musste, oder, weil ein Mensch, der uns allen einmal sehr viel bedeutet hatte, so wenig Herz besaß und seinen eigenen Sohn in so einer Lage allein ließ, hätten wir wahrscheinlich selbst nicht sagen können.

Endlich gibt es mal ein neues Kapitel. Okay, so lange ist das letzte garnicht her, aber es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.
In der nächsten Zeit werden leider nicht so viele Updates kommen, da bei mir morgen die letzte Schulwoche beginnt und danach endlich Ferien sind und ich die ersten zweieinhalb Wochen im Urlaub sein werde und nicht weiß, wie es dort mit Internet und so aussieht, und ob ich da Zeit finden werde, um zu schreiben, weiß ich leider auch noch nicht.
Ich hoffe ihr seid mir nicht böse, ich werde mein Bestes versuchen.

Schreibt mir eure Meinungen und Verbesserungsvorschläge zu diesem Kapitel oder auch zur ganzen Geschichte gern in die Kommentare.

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt