Ich werde heute ganz früh wach vor lauter Vorfreude. Ich tapse einfach los, um Papa zu wecken fürs Frühstück, aber er liegt nicht mehr in seinem Bett, und unten ist er auch nicht. Ich finde ihn dann auf dem Balkon am Schlafzimmer. Er starrt in die Morgendämmerung – und weint. Also nehme ich ihn schnell von hinten in die Arme. So stehen wir eine ganze Weile da, hören die Vögel zwitschern, sehen es immer heller werden und sind einfach einander ganz nah.
Schließlich gibt er sich einen Ruck, fährt sich mit dem Ärmel über die Augen und putzt sich die Nase. Ich drehe ihn zu mir rum.
„Wovor hast du Angst, Papa? Davor, dass du wieder Fehler machst? Jeder Mensch macht Fehler! Und es gibt einige Fehler, die du nicht mehr machen wirst. Trau dir mehr zu."
Papa schüttelt den Kopf und drückt meine Hand.
„Hm. Ja, natürlich frage ich mich auch, ob ich es diesmal besser hinkriege. Aber – Katharinas Herztöne sind irgendwann mittendrin so abgefallen. Und Tanja ist zweimal vor Schmerzen fast ohnmächtig geworden. Ich hatte solche Mühe, meine Panik zu unterdrücken, dass ..."Auwei, das muss ganz, ganz schlimm gewesen sein für ihn!
„Aber sie ist nicht. Sie beide sind nicht. Es geht beiden gut, und sie kommen beide heute nach Hause. Dass du davor Angst hattest, dass Tanja und dem Baby unter der Geburt was passiert – das ist doch völlig natürlich. Ich glaube, das hat jeder Vater. Und du musstest das schon einmal aushalten, du musstest Mama hergeben. Bitte schäme dich nicht dafür."
Wieder schüttelt er den Kopf.
„Es ist gar nicht ... Scham. Aber als ich vorhin aufgewacht bin, hab ich plötzlich keine Luft mehr bekommen. Ich habe erst heute kapiert, dass ich im Grunde seit Wochen die Luft angehalten habe vor lauter Angst um die beiden. Und dass ich diese Angst jetzt loslassen darf. Die Tränen ... Ich glaube, ich habe einfach Platz in meiner Seele gemacht für die Freude."
Jetzt lächelt er.
„Ich mag das Bild. Das ist genau richtig, Papa. Mach Platz für Freude und Zuversicht und ganz viele tolle Ideen für unsere Familie."Wir kommen langsam und gemütlich in die Gänge, denn Tanja können wir ja sowieso frühestens holen, wenn die Visite dort durch ist. Wir frühstücken ausgiebig, und ich bin froh, dass ich keinen Mördermuskelkater habe vom langen Tanzwochenende. Nach dem Frühstück bleiben wir einfach in der Küche sitzen und schwätzen in Ruhe miteinander.
„Wie läuft das jetzt mit deinem Führerschein? Was kostet der ganze Spaß, und wieviel hast du davon schon selbst zusammengejobbt?"
Ich muss schmunzeln. Schon wieder solche „Papa hat Nachholbedarf"-Fragen.
„Heute gehts los, ich habe drei Wochen Zeit und darf maximal zwei Anläufe für die Fahrprüfung brauchen. Die Theorie ist täglich von 9.00 bis 12.00 Uhr, an den Nachmittagen sind die Fahrstunden. Wir sind zwölf Leute und mehrere Fahrlehrer, wir haben jeder dreimal pro Woche zwei Stunden Fahrzeit und hoffen alle, dass das reicht. Die Anmeldegebühr habe ich vom Geburtstagsgeld bezahlt. Und vom Rest hab ich auch etwa zwei Drittel zusammen."
„Wieviel fehlt noch?"
„Ungefähr 500,- €. Je nachdem, wie blöd ich mich anstelle."„Aber ihr wollt doch im Sommer noch nach Frankreich. Und den Urlaub hast du dir auch redlich erkämpft. Hast du das reingerechnet?"
„Nö. Das Geld ist dann erstmal ausgegeben. Aber ich gehe bis Frankreich einfach weiter in die Gärtnerei. Das passt schon."
„Na, irgendwann muss auch mal Schluss sein. Arbeite, so viel Du willst. Aber ich gebe dir auf jeden Fall 1000,- zum Führerschein und 500,- zum Urlaub dazu. Alles andere sehen wir, sobald wir wissen, wo du studieren wirst."
Mir wäre fast meine Teetasse aus der Hand gefallen.
„WOW! Danke, Papa. Das ... sooo viel! Das ist toll."
Ich bin echt ... sprachlos???
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Was sich neckt, das hasst sich
General FictionÄhhh - heißt das nicht eigentlich: "... das liebt sich" ??? Eigentlich ... Aber nicht, wenn ein notorischer Mathemuffel mit Hang zum verbalen Kahlschlag kurz vorm Abitur auf eine Lehrerin trifft, die mit Liebe zur Mathematik und einer ausgesprochen...