153 ** Grauen ** Sa. 13.6.2020

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Und hier kommt sie - die Triggerwarnung zu diesem Kapitel.
Anni und Max mussten in diesem Buch schon viel aushalten.
Aber heute erzählt Anni ihrem Max die Geschichte von "vor fünf Jahren".
Und das ist ziemlich brutal.
Wenn Dich körperliche Gewalt triggert, dann lies das bitte nicht.
Pass auf Dich auf!

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Die Zeit rast

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Die Zeit rast. Gefühlt gestern war noch Silvester, und ich habe Anni aus dem Schnee gesammelt. In einer Woche ist die Abi-Feier, dann der Ball und der endgültige Abschied vom Beethoven. Und wir outen unsere Beziehung. In der Familie, vor der ganzen Schule. Anni musste in den letzten beiden Tagen noch richtig klotzen. Die Abiturzeugnisse für uns sind ja sicher schon von Herrn Recksing geschrieben. Die muss Anni nur mit unterschreiben.
Aber für die Helen-Keller-Schule musste für jedes der acht Kinder ein ausführliches, schriftliches Gutachten geschrieben werden, dass den Eltern ermöglichen sollte, den Entwicklungsstand ihres Kindes zu erkennen. Da sie das noch nie gemacht hatte, hat sie sich viele Gedanken gemacht und sich viel Zeit dafür genommen, um allen Kindern gerecht zu werden.

Ich hab sie in diesen Wochen seit Prag nach Strich und Faden verwöhnt und gezwungen, genug zu essen und ganz viel zu schlafen. Ich habe ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Wir sind uns näher gekommen und haben unsere Zweisamkeit glücklich und befreit genossen.

Ich bin wieder zweimal die Woche bei Luis, denn wir kaspern ja eine Choreo für den Adele-Song für den Abiball aus. Allmählich ist eine Struktur erkennbar. Ich bin unglaublich gespannt auf Annis Gesicht, wenn ich das für sie tanzen werde vor versammeltem Publikum. Aber auch „die Aufnahmeprüfung" wird wieder sonntags geprobt, weil wir diesmal ein paar Kleinigkeiten an die Abifeier anpassen wollen. Seit ich den Führerschein bestanden habe, fahre ich öfter mal mit unserem WG-Auto, damit ich mich dran gewöhne und genug Übung habe für den Frankreich-Urlaub. Sobald Lasse Ferien hat, geht es los.

Aber vorher möchte ich endlich erfahren, was die große Qual in Annis Leben war. Ich möchte nicht, dass wir das noch durch diesen ganzen Sommer schleppen. Ich kann sie natürlich nicht zwingen, das habe ich ihr ja auch versprochen. Aber vielleicht kann sie sich mir jetzt öffnen, wo die letzten Schranken gefallen sind. Also bereite ich für heute ein Picknick mit vielen Leckereien vor und fahre uns im Auto zu einem vorher ausgespähten, besonders schönen Platz an der Ruhr, wo uns niemand stören kann.

Es ist warm, Schmetterlinge flattern über die Wiese und vor uns im Wasser plantschen ein paar Enten. Es sind weder viel befahrene Straßen noch Häuser in der Nähe. Wir breiten unsere Picknickdecke aus und genießen die Ruhe. Aber Anni hält es nicht lang aus.
„So, Max. Und jetzt verrate mir, warum du heute so einen Aufwand betreibst. Irgendwas hast du doch vor, gibs zu."
Sie grinst mich an.
Mist! Das führt ja nun völlig in die falsche Richtung.
Mein Hirn rattert auf der Suche nach einer guten Überleitung. Vergeblich.

„Falsche Einleitung?"
„Sozusagen falsche Einleitung, ja."
„Soll ich raten?"
Ich schüttele den Kopf.
Anni ist so auf der spielerischen Ebene, wie kann ich da was Schweres anschneiden???
„Gut. Du ... wirkst sehr ernst. Sags mir einfach, sonst schleichen wir noch zwei Stunden lang umeinander rum."
Ich hole tief Luft.
„Ich hab das Picknick nicht arrangiert, um dich zu bestechen oder so. Aber ich wollte, dass du dich wirklich wohl fühlst. Denn ... ich ... würde gerne wissen, was das ist, ... das ... ich bisher ..."
„... nicht wissen durfte. Ich verstehe. Wart einen Moment."
Anni rollt sich zu einer Kugel zusammen, schließt die Augen und hält ganz still.

Was sich neckt, das hasst sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt