101 ** Ausflug mit Papa ** Sa. 18.1.2020

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Ich bin ganz aufgeregt

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Ich bin ganz aufgeregt. Nach fast einem Monat sehe ich Papa zum ersten Mal wieder. Ich habe lange mit Uwe geredet, der seit dem Ende der Kontaktsperre fast täglich mit Papa spricht und ihm den Rücken stärkt, nicht aufzugeben. Tanja hat mir ganz viel erzählt, wie es in der Klinik aussieht, was Papa da so macht in seiner Freizeit, denn sie war schon zweimal dort. Tante Jana, die ganze Familie hat mich geknuddelt, als ich zur U-Bahn aufgebrochen bin. Und jetzt sitze ich im Zug nach Remscheid und versuche, nicht durchzudrehen vor lauter Anspannung.

Das verschneite Bergische Land saust vor meinem Zugfenster vorbei. Aber die malerischen Kulissen können mich nicht ablenken von den Gedanken, die durch meinen Kopf sausen. Ich habe durch das letzte halbe Jahr begriffen, dass wirklich jeder Mensch durch seine eigene Sch... durch muss.
Niemand kann jemand anderem das Verstehen, Reifen und Wachsen abnehmen. Das muss wirklich jeder selbst hinkriegen - und sich dabei auch mit manch unangenehmer Wahrheit konfrontieren lassen.

Und trotzdem treibt mich das Bedürfnis zu Papa, um ihm irgendwie was Gutes zu tun.
Er wirkte so mutlos und gebrochen vor Scham bei unseren Telefonaten. Wie kann ich ihm zeigen, dass da grade nicht eine Tür zugeht - sondern eben aufgeht??? Dass ich trotz allem noch und wieder da bin?
Tanja hat im Herbst gesagt, dass sie das Gute in diesem Mann sieht und darum nicht aufgeben möchte.
Ich habe schon an Nikolaus begriffen, dass auch ich gar nicht anders kann, als an das Gute in Papa zu glauben. Dass ich möchte, dass er glücklich ist. Dass ich eigentlich genau mit diesem Vater und dieser Mutter Familie sein möchte. Kann ich ihm Hoffnung geben und die Kraft, weiter zu machen? Und dabei doch mir selbst treu bleiben?

Die Fahrt nach Remscheid mit der Deutschen Bahn ist beeindruckend lang und umständlich. Anderthalb Stunden mit Umsteigen in Wuppertal. Mit dem Auto braucht man nur die Hälfte der Zeit. Entsprechend früh bin ich aufgebrochen, damit wir was vom Tag haben. Papa erwartet mich am Bahnhof, damit wir gleich weiter nach Schloss Burg fahren können. Als er auf mich zukommt, nehme ich ihn lange und fest in die Arme.
„Ich bin so froh, dass wir diesen Tag für uns haben, Papa. Ich habe dich so sehr vermisst."
Sofort treten ihm die Tränen in die Augen, und er wendet sich schnell ab zur Treppe, um raus zum Busbahnhof zu gehen.

Erst nach ein paar Minuten kann er reden.
„Und das sagst du nicht nur, weil du mich beruhigen willst?"
Ich halte ihn am Ärmel fest und zwinge ihn, mich anzusehen.
„Schau mir ins Gesicht, Papa. Sehe ich aus, als wäre ich noch sauer? Als wollte ich dich verarschen? Oder irgendwie ... keineAhnungwas? Ich hab dich immer lieb gehabt. Deshalb hat es ja so weh getan. Aber das ändern wir doch jetzt miteinander."
Wieder wendet er sich ab. Aber er nimmt meine Hand auf dem Weg zum Bus. Als der Bus kommt, setzen wir uns nebeneinander und halten uns weiter stumm an den Händen. Wäre er nicht so traurig dabei, wäre ich jetzt richtig glücklich. Ich weiß nicht, wann mir mein Vater das letzte Mal soooo nah war.

Das Wetter ist heute gnädig mit uns. Wir krabbeln auf dem Platz mitten im Ort aus dem Bus und wenden uns der Burg zu. Die Anlage ist beeindruckend groß und gut erhalten. Neugierig starten wir mit der nächsten Führung den Rundgang. Ich habe ja Spaß an Geschichte, und der Einfluss, der von dieser Burg auf die Geschichte dieser Region ausging, war nicht unerheblich. Sogar die Neue Isenburg wird irgendwann erwähnt. Papa konzentriert sich einfach. Aber von Zeit zu Zeit ertappen wir uns dabei, wie einer den anderen nachdenklich anschaut. Dann lächeln wir kurz - und hören wieder zu.

Was sich neckt, das hasst sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt