Das war das schönste Silvester, das ich je erlebt habe. Lennart und ich haben die Tage in Köln unglaublich genossen. Wir waren bummeln und shoppen und im Varieté und im Dom und ... Aber an Silvester waren wir an einer tatsächlich völlig einsamen Stelle am Rhein. Ganz für uns. Es war schweinekalt, darum haben wir es dort auch nur kurz ausgehalten. Aber es hat gereicht, um das Feuerwerk anzuschauen, das auf der Domplatte abgeschossen wurde. Ich habe ganz kurz an Toni und Max gedacht und mich dann wieder auf mich konzentriert. Und auf mein Glück mit Lennart.
Den Mittwoch haben wir im Bett verbracht. Schlafen, kuscheln, reden. Erst gegen Abend machten wir uns ausgehfein und gingen in ein richtig tolles Varieté mit 5-Gänge-Menu am Tisch. Die Künstler waren fantastisch, und so manches Mal ist sogar mir die Luft weggeblieben bei den halsbrecherischen akrobatischen Übungen. Der Conferencier war gut, aber eigentlich haben wir vor allem über Lennarts Kommentare zu seinen Witzen gelacht als über die Witze selbst. Wir haben schon böse Blicke von den Nachbartischen geerntet, weil wir es gewagt haben, laut zu lachen.
Lennart überrascht mich immer wieder mit seiner ganz eigenen Mischung aus Tiefgründigkeit und Humor, aus Ehrlichkeit und Solidarität. Er käme wahrscheinlich selbst beim Anblick eines wilden Bären nicht auf den nächsten Baum. Aber wahrscheinlich würde er dem dann einfach eine philosophische Abhandlung über vegane Ernährung halten, bis der entweder konvertiert oder vor lauter gezielt eingesetzter Langeweile eingeschlafen ist.
Als ich mir das bildlich vorgestell habe, musste ich leider an einer völlig unpassenden Stelle laut auflachen, was mir einige „Ssssssssch!" und „Psssssssst!" eingebracht hat. Lennart hat mich nur fragend angeschaut, aber ich würde lieber sterben, als ihm DAS zu verraten. Also hab ich energisch den Kopf geschüttelt und mich wieder auf den Jongleur da vorne konzentriert.Am Donnerstag machen wir noch einen Kulturtag, denn Köln hat ja nicht nur den Dom sondern auch einige ältere, romanische Kirchen und noch mehr Museen zu bieten. Wir schaffen es endlich mal, überhaupt nicht an Schule und an Prüfungen und an Beobachter und an all den Mist zu denken. Es ist ja fast witzig, dass Toni und ich in derselben Lage sind. Wobei bei ihr noch alles von dem Grauen von damals überschattet ist. Ich hoffe so sehr, dass sie einen schönen Silvesterabend bei ihren Eltern hatte.
Auch am Freitag Morgen lassen wir uns viel Zeit, tauchen auf den letzten Drücker beim Frühstück auf und checken dann gemütlich aus. Es ist deutlich zu spüren: wir wollen beide nicht aus dieser romantischen Blase auftauchen, wir wollen beide nicht nach Hause. Denn dort heißt es wieder Dr. Fahrendorf und Frau Tucher und ständige Habachtstellung und viel, viel Arbeit. Darum packen wir all unsere Sachen ins Auto in der Hotelgarage und bummeln noch ein bisschen, bevor wir uns schweren Herzens von Köln losreißen und auf die Autobahn rollen.
Ich piepe Toni an, dass wir uns jetzt auf den Heimweg gemacht haben und dass ich mich wieder auf sie freue. Eine Dreiviertelstunde später rollen wir bereits von Wuppertal kommend auf Kupferdreh zu, als ich eine Antwort von Toni bekomme.
„Hallo Jenny, nicht erschrecken. Ich bin nicht zu Hause sondern im Huyssenstift auf der Chirurgie. Meine Eltern haben die Blumen gegossen und den Kühlschrank kontrolliert, damit dir nichts entgegen läuft. Zimmer 318. Kannst mich ja besuchen kommen. Toni"
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Was sich neckt, das hasst sich
General FictionÄhhh - heißt das nicht eigentlich: "... das liebt sich" ??? Eigentlich ... Aber nicht, wenn ein notorischer Mathemuffel mit Hang zum verbalen Kahlschlag kurz vorm Abitur auf eine Lehrerin trifft, die mit Liebe zur Mathematik und einer ausgesprochen...