143 ** Briefe ** Sa. 16.5.2020

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Ich glaube, ich bin im Moment der einzige, der Max noch versteht und erträgt

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Ich glaube, ich bin im Moment der einzige, der Max noch versteht und erträgt. Alle anderen sind längst ... „genervt" ist das falsche Wort. Aber ich bin eben der einzige, der dreimal erlebt hat, wie toll das ist, wenn wieder ein neuer Zwerg in der Familie Einzug hält. Für Max und seine Familie ist es ein Wunder, dass sie nach diesem verrückten, furchtbar harten Jahr jetzt zu viert eine Familie werden dürfen. Also hat er den Freibrief, dass er mich jederzeit mit seinem Glück volllabern darf. Damit die anderen ihn nicht irgendwann rausschmeißen ...

Ansonsten tun wir drei Tänzer eigentlich nur noch eins: warten. Warten auf die Briefe aus Frankfurt, Essen und Köln. Vor allem Milly ist zur Zeit feste mit Händchenhalten und Mutzusprechen beschäftigt. Der einzige Brief, der bisher nämlich angekommen ist, war Moritz förmliche Absage aus Köln. Wir wussten das ja schon, aber jetzt sind wir trotzdem alle noch ein bisschen nervöser als vorher schon. Also belauere ich auch heute Morgen unseren Briefträger, wie seit Tagen schon. Kaum geht er aufs Haus zu, schieße ich wie ein Pfeil von der Sehne die Treppe runter. Der Mann schaut mir entgegen. Ich habe ihm verraten, warum er mir zur Zeit so wichtig ist.

Er spannt mich auf die Folter und füttert erst in aller Seelenruhe die Briefkästen der anderen Hausbewohner. Dann dreht er sich mit einem Grinsen zu mir rum.
„Wartest du auf diese hier?"
Er wedelt mit zwei geschäftsmäßig aussehenden Briefumschlägen. Ich nicke heftig und greife zu, ohne zu wissen, was das für Briefe sind.
„Ich drück euch die Daumen."
Schon ist er wieder draußen. Ich dagegen starre auf die Briefe aus Frankfurt und Köln in meiner Hand und kneife dann vor Aufregung einmal feste die Augen zu.

Frankfurt ist wichtiger als Köln – also ...
Und? Yesssss! Zusage. Da war ich mir nicht so sicher. Und Köln?
Ungeduldig zerre ich nun auch an diesem Umschlag. Auch 'ne Zusage.
Tut mir ja schrecklich leid, Jungs und Mädels. Aber dank der Antwort im ersten Umschlag werdet ihr auf meine Anwesenheit leider verzichten müssen.

Genauso schnell, wie ich runtergeflitzt bin, hechte ich jetzt die Treppen wieder rauf, schnappe mir mein Handy und melde meine Post in den Gruppenchat. Da sehe ich Moritz Nachricht.
„Bin in Frankfurt auf der Warteliste."
Und Max Antwort.
„FFM Ja, K jain. Komme!"
Sch... - jetzt wird die Luft dünn für Moritz. Und für unseren Traum vom gemeinsamen Studium.
Ich antworte schnell.
„Bin unterwegs!"

„Mama? Ist das in Ordnung, wenn ich bis zum Mittag zu Moritz verschwinde?"
Mama steckt den Kopf aus dem Kinderzimmer, wo sie grade Quality-time abliefert.
Wer hat dieses idiotische Wort eigentlich erfunden???

„Hei, hast du Post?"
„Jupp. Zwei Zusagen aus Frankfurt und Köln. Aber Moritz war in Köln ja gleich raus und hat jetzt in Frankfurt nur'n Nachrückerplatz. Wir müssen grade mal Gruppenkuscheln machen."
„Na dann – flitz ab. Essen ist um zwei, weil Papa so lange arbeitet."
Dieses Treppenhaus mutiert heute noch zu meiner ganz persönlichen Trainingsstrecke. Wieder spiele ich geölter Blitz, schwinge mich auf mein Fahrrad und sause zu Moritz.

Was sich neckt, das hasst sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt