Jenny hat sich in den letzten beiden Tagen viel Zeit genommen für mich. Wir haben wohl über Büchern und Klausuren gehangen. Aber wir waren auch bummeln im Grugapark und Glühweintrinken auf der Rü. Es ist noch kälter geworden, sternklare Nachthimmel wölben sich über uns, und das soll auch heute Abend so sein. Ich kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal in Essen so einen kalten Winter gegeben hat.
1593 in der kleinen Eiszeit???Jetzt frühstücken wir ausführlich, bevor Jenny von Lennart abgeholt wird für ihren romantischen Kurztripp nach Köln. Ich nehme sie fest in die Arme.
„Genieß es! Das ist ein Befehl. Denk nicht an mich. Versprichst du mir das? Ich hab Rocher da, ich kann mir also ganz harmlos die Kugel geben, und bei meinen Eltern wird es auch sehr schön sein. Wir sehen uns am Freitag wieder."
Lennart klingelt zum zweiten Mal, Jenny schnappt sich ihr Gepäck und flitzt mit einem Strahlen die Treppe runter.Allein. Mit meinen Gedanken, meinen Ängsten – und mit meiner süßen Hoffnung. Ich denke gar nicht nach, ich schreibe Max eine Nachricht.
„Hei, ich wünsche Euch heute Abend eine fröhliche Party! Sehen wir uns am Donnerstag?"
Die Antwort kommt gespenstisch schnell.
„Ja, gerne. Und jetzt musst Du mir bitte sofort sagen, was Du da am Freitag einfach nicht losgeworden bist. Ich will es wissen, denn Du klangst so ernst dabei, das lässt mir keine Ruhe. Hast Du Dich nicht getraut? Oder war es nicht wichtig?"
„Nicht heute. Am Donnerstag dann. Komm gut rüber!"
Ich bin so ein bekloppter Feigling! Warum??? Das war DIE Gelegenheit. Naja – Donnerstag ...
Und irgendwie bin ich sauglücklich, dass er es gemerkt hat und nicht locker lässt.
Er wird zuhören.
Ich will das nur nicht per Texting klären.Ich bin erst zum späten Nachmittag bei meinen Eltern angekündigt, also setze ich mich nochmal an den Schreibtisch und korrigiere die Matheklausuren der zehnten Klasse zu Ende. Ich hab es gerne, dass ich Arbeit nicht immer weiterschleppe. Und darum will ich die noch dieses Jahr weg haben. Dann kann ich im neuen Jahr anfangen, mich auf die Sonderschule vorzubereiten.
Um 16.00 Uhr bin ich damit fertig und lege den Stapel weg. Es ist inzwischen schon ziemlich dämmrig draußen, und es sind vereinzelte Bumm's und Paff's zu hören – von den Leuten, die die Uhr nicht lesen können ... Ich mache mich startklar für Heisingen. Damit mir an der Haltestelle beim Warten nicht die Zehen abfrieren, ziehe ich meine dicken Boots an, meinen langen Wintermantel und vermumme mich ordentlich.
Keinen Bock auf kalte Ohren.
Und wie immer in den letzten Tagen wandert mein hölzerner Schutzengel in meine Manteltasche. Eine halbe Stunde später husche ich bei meinen Eltern wieder ins Warme.„Hallo Mama, hallo Papa. Ich bin daaaaa. Ich habe es tatsächlich geschafft, nicht an der Bushaltestelle festzufrieren. Brrrrr – ist das kalt draußen!"
Meine Mutter schaut aus der Wohnzimmertür.
„Naja, vielleicht halten die Leute es dann beim Ballern nicht so lange draußen aus, und die armen Vögel müssen nicht so lang leiden."
„Komm erstmal richtig rein, Mädchen."
Mein Vater nimmt mich fest in die Arme und wickelt mich in „Omas berühmte Häkelsofadecke". Dann fängt er an, mich zu kitzeln, und weil er mein Vater ist, kennt er natürlich meine schlimmste Schwachstelle. Ich fange an, zu kichern und mich zu winden, bis ich es schaffe, aus der Decke zu schlüpfen. Aber immerhin ist mir jetzt nicht mehr kalt, das Toben hat geholfen.
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Was sich neckt, das hasst sich
General FictionÄhhh - heißt das nicht eigentlich: "... das liebt sich" ??? Eigentlich ... Aber nicht, wenn ein notorischer Mathemuffel mit Hang zum verbalen Kahlschlag kurz vorm Abitur auf eine Lehrerin trifft, die mit Liebe zur Mathematik und einer ausgesprochen...