Wider alles Erwarten hat mir das Training von unserer kleinen Gruppe gestern Abend doch sehr gut getan. Ich habe so richtig gepowert und damit die ganze Wut aus mir rausgeschwitzt. Und die anderen haben mich gelassen. Ich hab dann zu Hause sofort Tante Jana und Onkel Thorsten gefragt, ob sie denn heute Abend Zeit für mich haben.
Ich war heute Morgen ziemlich gerädert, denn ich habe gelinde gesagt besch.....eiden geschlafen. Ich hatte dauernd Annis gequälten Blick vor Augen, hab ihr Zittern gefühlt, hab ihre Angst gespürt. Jetzt haben wir gleich Sport, und ich hoffe einfach, dass Anni sich wieder ein bisschen gefangen hat.
Naja – selbstbewusst und gut gelaunt ist was anderes.
Ich sehe Anni sofort an, wie schlecht es ihr geht, als ich in die Halle komme. Wir halten gezielt viel Abstand, damit sie nicht wegen mir weich wird. Aber es ist eine Tortur. Moritz und Paul habe ich vorhin nur angedeutet, dass es Schwierigkeiten gibt, nicht, welche. Aber es ist sowieso für alle unübersehbar. Getreu dem Vorsatz, Anni das Leben leicht zu machen, geben sich alle im Kurs sehr Mühe, konzentriert mitzuarbeiten, weil alle spüren, dass es ihr nicht gut geht.In der Mensa hocken wir grade an unserem Stammplatz, als mein Handy brummt. Frau Tucher hat eine Gruppe mit Dr. Fahrendorf und mir erstellt, ohne Anni. Und ihre Nachricht ist ganz kurz.
„Der nächste Brief".
Dann folgen zwei Fotos. Frau Tucher und Dr. Fahrendorf kommen aus dem Cinemaxx, Händchen haltend. Und küssend.„Jungs, wisst ihr, was Lasse heute für'n Stundenplan hat?"
„Der müsste schon zu Hause sein. Heute ist sein kurzer Tag."
Ich piepe Lasse an.
„Kannst du nachschauen, ob ich Post hab? Ein normaler weißer Umschlag, auf dem nur Gersten steht."
Fünf Minuten später kommt die Antwort.
„Jou."
„Dann geh bitte damit allein in Dein Zimmer, mach den Umschlag auf, lies den Brief nicht, aber fotografiere mir die Bilder darin ab. Sag bitte niemand was. Wir reden nachher."
Kurz darauf kommen zwei Bilder, begleitet von der Nachricht: „Was ist DAS denn???"
„Danke. Heute Abend."Ich schaue mir die Bilder genauer an. Und meine Befürchtung bestätigt sich. Das eine Bild ist bei Anni vorm Haus aufgenommen, und dass ich da regelmäßig zur Nachhilfe war, ist für niemand ein Geheimnis. Aber das andere – ist vom letzten Samstag am Kassenhäuschen vom Baumwipfelpfad. Ich habe den Arm um Anni gelegt, und sie lehnt sich an mich.
Frau Tucher hatte recht. Der Wagen ist uns nicht zufällig gefolgt. Soviel steht für mich fest.
Ich sage Anni nichts in der anschließenden Sporttheorie und der Tutorenstunde, leite nur meine Bilder in die Gruppe weiter. Erst will ich meinen Brief lesen und mit Frau Tucher und Dr. Fahrendorf beraten. Und ich überlege, ob Dr. Fahrendorf heute Abend nicht auch dabei sein sollte, wenn ich mit Onkel Thorsten über das alles rede. Kaum zu Hause chatte ich mit den beiden. Frau Tucher hat Anni den zweiten Brief nicht gezeigt, und sie wird auch zu Hause bleiben. Sie will Anni nicht allein lassen. Aber Dr. Fahrendorf wird zu uns kommen. Lasse erkläre ich nur das Nötigste, und er sagt selbst, dass „er das ja früh genug erfahren wird".
DU LIEST GERADE
Was sich neckt, das hasst sich
General FictionÄhhh - heißt das nicht eigentlich: "... das liebt sich" ??? Eigentlich ... Aber nicht, wenn ein notorischer Mathemuffel mit Hang zum verbalen Kahlschlag kurz vorm Abitur auf eine Lehrerin trifft, die mit Liebe zur Mathematik und einer ausgesprochen...