083 ** Heilig Mittag und Abend ** Di. 24.12.2019

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Es klingelt

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Es klingelt. Jenny wird von ihrem Vater abgeholt, damit sie gleich auf dem Weg den Baum kaufen können. Ich muss erst zum Mittagessen bei meinen Eltern sein und werde wie immer mit dem Bus fahren. Also bleibt mir noch ein bisschen Zeit, in der Küche klarschiff zu machen. Immer wieder fällt mein Blick auf die Tasche. Wie eine Fünfjährige mit einer Schultüte im Arm halte ich es kaum aus, Max Geschenk NICHT auszupacken. Schließlich laufe ich gemütlich los zur Paulinenstraße, wo ich in den 145er Bus nach Heisingen krabbele. An der Lelei steige ich wieder aus. Bis zu meinen Eltern ist es von hier aus nur ein paar Schritte.

Kaum habe ich die Haustür aufgeschlossen, empfängt mich der heimische Weihnachtsduft von Fichtenharz, Bienenwachskerzen, Mamas Zimtsternen und etwas Orangenduftöl. Das Holz im Kamin knistert, und Papa balanciert grade die Schüsseln auf den Esstisch, die Mama ihm in der Küche in die Hand gedrückt hat.
„Hallo Mama, hallo Papa! Hach, wie schön ist das, wenn man nach Hause kommt und sofort riechen kann, dass man zu Hause ist."
„Frohe Weihnachten, Antonia."
Meine Mutter kuckt aus der Küche, bindet ihre Schürze ab, hängt sie an ihren Haken und gibt mir ein Begrüßungsküsschen.

Papa kommt dazu.
„Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht. Deine Mutter hat mal wieder für eine Kompanie gekocht."
„Mecker nicht, es ist dein Lieblingsessen."
Ich lasse mich mit einem glücklichen Aufseufzen auf meinen Stuhl sinken. Es ist wie immer – und „wie immer" ist gut. Das ist genau das, was ich jetzt ganz dringend brauche. Meine Eltern haben total gute Laune, und so werde ich schnell abgelenkt und auch fröhlich.

Und ich denke endlich daran, meine Frage zu stellen.
„Du, Papa. Wie heißt Tante Anni eigentlich richtig? ? Ich hab mir da nie drüber Gedanken gemacht. Aber neulich fiel mir auf, dass das ja eigentlich kein üblicher Taufname ist."
Verblüfft kuckt er mich an.
„Weißt du das nicht? Du hast deinen Namen von ihr, sie ist ja deine Patentante."

Hatte ich also recht!
„Stimmt. Aber ich habe wirklich noch nie jemand Antonia zu ihr sagen gehört. Ich kenne sie nur als Tante Anni."
„Sie heißt aber eigentlich Antonia - und hat das immer gehasst. Sie war total empört, dass wir dich nach ihr benannt haben, und hat dann sofort das Toni eingeführt, damit zumindest sie diesen Namen nicht dauernd aussprechen muss."
„Die Ärmste!"
Jetzt muss ich auch lachen.
Also doch. War mein Verdacht richtig! Wie schön, dass es jetzt jemand gibt, der mich so nennt.

Nach dem Essen decken wir gemeinsam den Tisch ab. Spontan hockt sich mein Vater ans Klavier, greift in die Tasten und schmettert ein „Stille Nacht, heilige Nacht" in Helene-Fischer-Manier durch unser Wohnzimmer, dass man meinen könnte, wir wären alle taub. Mama singt etwas dezenter mit, aber ich kann nicht singen, weil ich mich erstmal eine Runde schief lachen muss.
„Die armen Engel im Himmel, Papa. Die brauchen jetzt alle ganz schnell ganz viel Oropax."
Kein Mensch auf der ganzen Welt außer meinem wunderbaren Papa kann gleichzeitig empört kucken UND grinsen. Ich kriege den nächsten Lachanfall.

Wir singen eine ganze Weile alle Lieder rauf und runter, die wir auswendig können. Ich habe es als Kind mit Blockflöte, Klavier und Klarinette probiert, aber irgendwann konnte ich meine Eltern davon überzeugen, dass es reicht, wenn Papa das kann. Ich habe mich schon immer viel lieber bewegt und Sport gemacht. Wenn Papa am Klavier sitzt, finde ich das toll, denn singen kann ich, nur halt kein Instrument spielen.

Was sich neckt, das hasst sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt