Jenny hat mich gestern Abend erst schlafend vor Erschöpfung auf dem Sofa erwischt, dann hat sie mich für meine Coolness und meinen Etappensieg gegen Papa Frey gelobt. Und dann hat sie mir den Kopf abgerissen, weil ich schon viel zu tief in der Scheiße stecke, um da mit heiler Haut rauszukommen. In Wahrheit kann ich nämlich gar nichts gegen die Hartmann ausrichten, wenn der Direx sich nicht rührt. Und es ist auch gar nicht meine Aufgabe. Das müsste der Vater tun. Und dreimal die Woche Nachhilfe ist der ultimative Irrsinn neben dem Pensum einer ambitionierten Frisch-Lehrerin. Und ich im Alleingang kann Max Abitur nicht retten. Und überhaupt. Vor allem überhaupt.
Und - sch... - sie hat ja recht. Ich versuchs trotzdem.Mein Hirn rotiert. Immer und immer wieder spule ich das Gespräch durch und überlege, ob ich alles richtig gemacht habe. Die Mutter - oder Stiefmutter? - hat mich sehr erstaunt. Erst war sie nicht angekündigt, dann kommen die deutlich zu spät, dann fährt sie ihrem eigenen Mann mehrfach gegen den Karren und zum Schluss will sie Geld zur Finanzierung dazutun. Das war echt seltsam. Irgendwann habe ich mich dann doch noch aufgerafft und den Unterricht für heute vorbereitet. Zwischendrin kam eine total süße Massen-Emoji-Dankes-Nachricht von Max. Und schließlich bin ich total ausgelaugt ins Bett gesunken.
Dementsprechend gerädert stehe ich heute wieder auf, schleppe mich erst ins Bad und dann an den Frühstückstisch. Jenny weiß bei meinem Anblick nicht, ob sie mich auslachen oder mitweinen soll. Aber wie immer bringt mich die fünfzehnminütige Radeltour zur Schule wieder ins Lot. Ich bin wacher und klarer im Kopf, als wir unsere Räder am Fahrradständer anschließen.
„Bis heute Mittag!"
„Ich hab noch'nen Ausschuss heute."
„Ach so, na dann bis heute Abend, ich hab nur vier Stunden freitags."
Jenny wendet sich zum Naturwissenschafts-Trakt und winkt noch kurz.Ich bringe routiniert die ersten beiden Stunden hinter mich und gehe dann auf den Hof, weil ich Pausenaufsicht auf dem alten Hof habe. Am Schülerkiosk stoßen die vier Tänzer dazu und biegen bald in Richtung neuem Hof ab.
„Jungs?"
Sie stoppen, drehen sich zu mir um und schauen mich fragend an. Ich winke sie zu mir, damit ich nicht laut reden muss.
„Nur ganz nebenbei - eure beste Freundin hat grade Aufsicht auf dem neuen Hof ..."
Max Augen weiten sich. Aber er findet schnell die Sprache wieder und läuft an mir vorbei, weiter in Richtung altem Hof.
„Wir wollten sowieso hierlang."
Die anderen grinsen und laufen Max direkt hinterher.
Vielleicht sollte ich Max montags immer den Aufsichtsplan der Woche abfotografieren ...Die Pause bleibt ereignislos, und gegen Ende kommt Max direkt zu mir, weil ich ihm gestern noch nicht sagen konnte, in welchem Raum wir sind. Gemeinsam gehen wir ins Sekretariat.
„Morgen, Steinchen. Kann ich mal den Belegungsplan der Besprechungszimmer sehen?"
„Hallo, Süße. Natürlich gerne."
Sie reicht mir einen Plan der acht kleinen Räume an diesem Flur. Wie ich es gehofft hatte, ist der hinterste Raum freitags frei. Also blockiere ich für das gesamte Schuljahr die dritte und vierte Stunde freitags für Max und mich.
„Funktioniert der Schlüssel für diesen Flur auch für diesen Raum?"
„Ja, das ist kein Problem. Extra-Schlüssel haben nur die Fach- und Technikräume. Ich trage Sie dann auch in den online-Raumplan ein, Frau Süß."
„Ach. Wenn das halbe Kollegium krank darnieder liegt, kann ich in diesen beiden Stunden auch mal Vertretung machen. Aber ansonsten ist es wichtig, dass wir beide diese Zeit und diesen Raum wirklich haben."
"Gut, dann streiche ich Sie am besten in der Zeit gleich auch noch aus dem Plan für Vertretungskollegen."
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Was sich neckt, das hasst sich
General FictionÄhhh - heißt das nicht eigentlich: "... das liebt sich" ??? Eigentlich ... Aber nicht, wenn ein notorischer Mathemuffel mit Hang zum verbalen Kahlschlag kurz vorm Abitur auf eine Lehrerin trifft, die mit Liebe zur Mathematik und einer ausgesprochen...