Wie gut, dass Axel noch im Büro und Max schon beim Tanzen ist. Keiner von beiden darf mich so sehen!
Ich habe in den letzten sieben Tagen so viel geheult wie im ganzen Rest meines Lebens zusammen. Wie Axel mit Max und mir umgeht, ist nicht mehr zu ertragen. Und ich fürchte, Max hat mich sehr wohl verstanden. Ja, sobald er aus dem Haus ist, werde ich gehen. Ich bin gerne Max Ziehmutter. Ich wollte nicht einen Tag lang seine Mutter verdrängen oder seine Tante Jana ersetzen. Ich habe schnell sein Vertrauen gewonnen, und er sagt ja selbst immer wieder, dass ich ihm eine gute Mutter war und bin. Aber ich halte es einfach nicht mehr aus, wie dieser liebenswerte junge Mann in meinem Namen systematisch zerbrochen wird.Eigentlich bin ich ein sanftes, genügsames Pflänzchen, bin nicht umsonst Gärtnerin geworden. Aber vor einer Woche bin ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig energisch und wütend und laut geworden. Und jetzt? Ich war am Mittwoch bei meiner Gynäkologin, und – Bingo! Nachdem wir jahrelang sehnlichst und vergeblich darauf gewartet haben, bin ich ausgerechnet jetzt schwanger. Zu meinem eigenen Entsetzen war mein allererster Impuls: Nicht mit diesem Vater!
Ich hatte schlagartig das Bild vor Augen, dass ich früh sterbe und Axel dann mit diesem Kind genauso umgeht wie jetzt mit Max.
Das darf niemals passieren. Nicht länger für Max. Und niemals für mein eigenes Kind!Ich weiß nicht, wie lange ich das vor den beiden verheimlichen kann. Aber ich möchte jetzt erstmal für mich sortieren können, was das für mich heißt.
Mit wem will ich leben, wie will ich leben, wo will ich leben? Alles ist umgestürzt wie ein Kartenhaus. Ich weiß gar nichts mehr!
Das Kind wird im späten Frühjahr kommen. Wenn Max unter allerhöchstem Druck mitten im Abi steckt und gegen den Widerstand seines Vaters die Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen absolvieren muss.
Der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für alle Beteiligten.Mutlos und völlig verheult greife ich nach der nächsten Packung Taschentücher. Da klopft es an die Wohnzimmerscheibe.
Jana. Die darf mich auch nicht so sehen!
Ich tue so, als hätte ich nichts gehört, aber sie bleibt hartnäckig. Darum lasse ich sie schließlich doch rein. Sie schaut mich an, sagt kein Wort und nimmt mich einfach in die Arme. Was natürlich sofort den nächsten Tränenstrom auslöst. Sie lässt mich einfach heulen.Erst nach einer ganzen Weile lotst sie mich zum Sofa.
„Ach, Tanja. Max hat uns erzählt, was hier in den letzten Wochen alles abgegangen ist. Und dass es dir nicht gut geht."
„Geht schon."
„Nein, lüg bitte weder dir noch mir was vor. Es geht nicht! Du bist nicht meine Feindin. Axel ist grade Max und scheinbar auch dein Feind. Kannst du bitte zulassen, dass ich mich um dich kümmere, damit du mit deinem Schmerz nicht alleine bist?"Ich schaue sie mit großen Augen an. Ich hatte nie das Gefühl, ich sei ihre Feindin, weil ich ihrer Schwester als Ehefrau nachgefolgt bin. Wir kamen auch all die Jahre freundschaftlich und gut miteinander klar. Aber mit dieser direkten Solidarität habe ich dann doch nicht gerechnet. Und es überrumpelt mich so, dass ich einfach nur in ihre Arme sinke und ihr all, all das ganze Furchtbare dieses Sommers vor die Füße kippe.
„Und ausgerechnet jetzt bin ich schwanger geworden!"
„Hei, ich freu mich für dich, das ist doch schöööön! ... Und scheiße."
Wir müssen beide leise lachen.
„Naja. Eigentlich nicht witzig. Aber ich ahne, in welcher Zwickmühle du dich jetzt befindest. Du fühlst dich zuständig für Max, möchtest dein eigenes Kind schützen, müsstest eigentlich in Ruhe für dich sortieren, was du jetzt daraus machen willst. Das ist dezent zu viel auf einmal. Ein richtiges Durcheinander."
Ich nicke bloß.
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Was sich neckt, das hasst sich
General FictionÄhhh - heißt das nicht eigentlich: "... das liebt sich" ??? Eigentlich ... Aber nicht, wenn ein notorischer Mathemuffel mit Hang zum verbalen Kahlschlag kurz vorm Abitur auf eine Lehrerin trifft, die mit Liebe zur Mathematik und einer ausgesprochen...