002 ** Pettersson und Findus ** 2. Ferienwoche Juli 2019

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„Uff!"Ich lasse mich schlapp aufs Sofa fallen und strecke alle Viere von mir

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„Uff!"
Ich lasse mich schlapp aufs Sofa fallen und strecke alle Viere von mir. Der Tag war lang.
Mann, bin ICH froh, dass ich DAS hinter mir habe.
Ich hatte heute meine letzte Prüfung vom zweiten Staatsexamen, die Mündliche über meine Facharbeit. Kurz darauf klappert noch einmal ein Schlüsselbund an der Wohnungstür, und meine Leib- und Magenfreundin Jenny kommt herein. Im Gegensatz zu mir strahlt sie aber über beide Backen, während sie mit einem Satz auf den Sessel neben mir springt.

Jenny wedelt mit zwei Briefumschlägen in ihrer Hand.
„Kuck mal, was ich grade aus dem Briefkasten gefischt habe!"
Ich schiele zur Seite auf die Briefe. Kopf bewegen? Zu anstrengend.
„Und? Was steht drin?"
Jenny schmollt.
„He, du traurige Tomate. Etwas mehr Schwung bitte!"
„Musst du grade sagen. Dein Examen ist schon zwei Wochen her, du bist wieder ausgeruht. Darf ich dich dezent daran erinnern, WIE platt du nach deiner letzten Prüfung warst? Du wolltest sogar, dass ich für dich aufs Klo gehe, weil du zu faul zum Aufstehen warst."
Ruckartig, aber keineswegs überraschend, kommt ein Kissen auf mich zugeflogen. Doch meine Reflexe funktionieren sogar im Tiefschlaf, weshalb das Kissen postwendend zu Jenny zurück fliegt.
„Na los! Mach schon auf, bevor du mir hier vor lauter Spannung krepierst."

Jenny lässt sich in den Schneidersitz rutschen und schlitzt mit dem Zeigefinger beide Umschläge auf.
„Aaaaaalso. Der erste ist von der Uni. Warte ... Juuuuu, mein Examens-Zeugnis! Leben, ich komme!"
„Hei, herzlichen Glückwunsch, Schnucki. Damit hast auch du die Lizenz zum Kinderquälen."
„Jaja, ich weiß – und zum Gequältwerden. Alter Miesepeter!"

Schnell zieht Jenny das Schreiben aus dem zweiten Umschlag raus.
„Der Zweite ist vom Beethoven-Gymnasium. Jetzt drück uns die Daumen, dass das geklappt hat. Dann wären wir wieder vereint."
Hektisch faltet sie den Bogen auseinander, wirft einen Blick darauf und bricht in lautes Indianergeheul aus.
„Yessss! Sehr geehrte Frau Blablabla, wir freuen uns blablabla, dass wir Ihnen eine Stelle für Ihr Referendariat anbieten können. Ihr Mentor wird Dr. Lennart Fahrendorf sein. Bitte setzen Sie sich mit blablabla. Mit freundlichen Grüßen, Dr. Horst Miegel, Oberstudienrat. - Toni, ich habs geschafft! Wie cool ist das denn?"

„Sorry, Findus, dass ich mich nicht gebührend freue. Die haben mich heute echt in die Mangel genommen. Da war so'n konservativer Kotzbrocken in der Prüfungskommission, der der Meinung war, dass Survival kein Sport sondern ein Spleen von alternativen Spinnern sei. Ich bin der festen Überzeugung, dass der bei meiner Examensarbeit nicht übers Vorwort rausgekommen ist. Der hatte überhaupt keine Ahnung, worum es geht, und hat mir jedes zweite Wort im Munde rumgedreht."

Schnell hüpft Jenny vom Sessel und umärmelt mich.
„Uuups. Sorry, ich hab gar nicht gefragt, wie es bei dir heute gelaufen ist. Aber du hast es doch geschafft, oder?"
Ich grinse sie an.
„Ja, klar. Zu meinem Glück waren alle anderen so fasziniert, dass sie ihn irgendwann abgewürgt haben. Mit Gut bestanden. Damit bin ich demnächst staatlich bestellte Lehrerin für Mathe und Sport am Beethoven-Gymnasium und deine liebreizende Kollegin, die dich auseinander nimmt, wenn du in deiner Sport-Lehrprobe mal wieder an Rotzlöffel Max gescheitert bist."
„Mööööp. Nach all dem, was du mir von dem Knaben erzählt hast, werde ich mir an dem die Zähne ausbeißen. Aber schaffen will er das Abi ja schon, den kriegen wir schon in den Griff."
„Naja, wenn er scheitert, dann sowieso an Mathe. Den Kurs krieg ich dieses Jahr noch dazu. Er wird begeistert sein ..."
„Wieso, hasst er dich so sehr?"
„Nö, aber er konzentriert sich dermaßen darauf, mit mir verbal die Klingen zu kreuzen, dass seine Mathe-Kenntnisse vermutlich endgültig auf dem Niveau des dritten Schuljahres eingefroren werden. Dabei müsste er eigentlich froh sein, dass er die olle Hartmann endlich los wird. Die hat das Desaster nämlich tatsächlich auf dem Gewissen, weil sie ihn hasst."
„Ui, wenn du sowas sagst, will das schon was heißen."

Einen Moment lang kuscheln wir auf dem Sofa, aber Jenny kann mal wieder nicht lange stillsitzen.
„Weißt du eigentlich, was das heißt?"
„Hm?"
„Das heißt, dass wir jetzt alle unsere Bücher in die Ecke pfeffern können – und dass sich Pettersson und Findus endlich ihren langjährigen Traum erfüllen und zum Klettern und Paddeln nach Schweden fahren können. Und da essen wir dann zwei Wochen lang nur Pfannkuchentorte!"

Oja, die hat echt zuviel Energie.
„Herzallerliebster Findus. Dein Elan in allen Ehren. Aber könnten wir bitte auch diesen Plan auf übermorgen schieben? Dein Enthusiasmus sei dir gegönnt, aber dein Pettersson angelt heute keinen Schlüssel mehr aus dem Brunnen."
„Stell dich nicht so an. Beim Angeln muss man sich nicht mal bewegen."
„Jaaaaaaaa – aber vorher müsste ich noch einen Stier besiegen und dir aufs Dach steigen. Und dabei müsste ich mich definitiv bewegen."

Endlich lösen sich die Anspannung der Prüfungen, die Vorfreude auf den gemeinsamen Urlaub und die Neugierde auf das kommende Schuljahr in Gelächter auf.
„Ach, übrigens. Wenn du ihn aus dem Kühlschrank holst, können wir auch mit Sekt auf unsere Erfolge anstoßen."
„Faule Socke!"
Jenny flitzt in die Küche, holt den Sekt und zwei Gläser und lässt sich wieder neben mir aufs Sofa fallen. Glücklich, dass fürs erste alle Plackerei hinter uns liegt, köpfen wir die Flasche Sekt. Alt werden wir heute nicht. Nachdem wir unsere Eltern über unsere Erfolge unterrichtet haben, beschwipsen wir uns noch ordentlich, und dann kriechen wir in unsere Betten.

Aber schon am nächsten Morgen sind wir wieder voller Tatendrang, und ein kräftiger Kaffee tut sein Übriges.
„Klassische Arbeitsteilung?"
„Klassische Arbeitsteilung!"
Meine liebe quirlige Jenny krämpelt die Ärmel hoch und sucht auf den Schränken, im Keller und in diversen sonstigen Ecken nach der Campingausrüstung, dem Trangia, den Schlafsäcken und Co. Mir liegt dagegen traditionellerweise das Tüfteln an meinem Computer mehr, und so google ich nach Zugverbindungen, schönen Kletterstrecken, Kajakverleihen und Campingplätzen und verliere mich dann auf Shoppingseiten mit dem neuesten „absolut unentbehrlichen" Survival-Schnickschnack, den man sich größtenteils selbst bauen kann. Beziehungsweise sogar muss, wenn man mit nichts als einem kleinen Rucksack auf dem Rücken durch die Wildnis tobt.

Schließlich reiße ich mich los und google noch nach einigen Touristenattraktionen in Schweden.
„Jeeeeeeennyyy!!!!! Das gibt's nicht. Bombastisch!"
Mit Neugier im Blick kommt Jenny aus den Tiefen unseres Garderobenschranks hervorgekrochen und flitzt zu mir und meinem Computer.
„Schau mal! In Stockholm gibt es einen Freizeitpark mit einer „Pettersson und Findus"-Erlebniswelt. Rattenscharf!"
„Quanta costa?"
„Uuuups! Egal! Das MUSS einfach sein!"
„Hihi. Da gibt's bestimmt so Figuren, wo man den Kopf durchstrecken und sich damit fotografieren lassen kann. Du Pettersson, ich Findus. Und das Bild schicken wir dann der Brigitte Klein."
„Gibts die überhaupt noch?"
„Ich denke schon. Die war noch ziemlich jung, als sie uns damals im Kindergarten so getauft hat. Ein Versuch ist es jedenfalls wert."

Als die Nachmittagssonne mit ihren Strahlen unseren Balkon erwärmt, sitzen wir beiden faul in unseren Lehnstühlen und checken unsere üblichen Survival-Tour-Listen. Jenny beißt sich vor lauter Konzentration auf die Zunge und fährt mit dem Finger die ToDo-Liste ab.
„Also. Das Equipment haben wir schonmal zusammen. Gaskartuschen gibt's in Schweden angeblich auf jedem Campingplatz. Die Wanderschuhe sind noch in Ordnung."
„Ja, aber ich brauch 'ne neue Jacke, meine ist echt nicht mehr dicht."
„Na, solange du noch ganz dicht bist ..."
„Schnepfe!"

„Maul nicht! Was macht die Reiseroute? Klappt das alles so, wie wir uns das vor schnuckeligen zehn Jahren erträumt haben?"
„Im Wesentlichen ja. Dalarna ist zu weit nördlich, das müssen wir ein andermal machen. Aber Paddeln im Värmland ist topp. Dann schlage ich vor, entweder den Silverledens bei Hällefors zu laufen. Mittlere Distanz bei 43 Kilometern mit kräftigen Höhenunterschieden und sehr guten Hütten. Oder wir toben uns im Marvikarnas Naturreservat aus. Beides liegt zwischen Värmland und Stockholm. Am Schluss machen wir dann Stockholm mit diesem Freizeitpark. Und da gibt es noch Birka, die älteste Wikingerstadt in Schweden."

Jenny rekelt sich genüsslich in ihrem Stuhl und seufzt zufrieden.
„Das klingt nach einem fertigen Urlaub. Reicht uns eine Woche für die letzten Besorgungen? Dann schlage ich vor, die dritte und vierte Ferienwoche anzupeilen. Du buchst uns den ganzen Quatsch zusammen, ich schaue mir die beiden Wandergebiete an."
„Und in den letzten beiden Ferienwochen kontaktieren wir Lennart und bereiten uns auf den ganz normalen Wahnsinn vor. Ich freu mich echt, dass du es geschafft hast, an meine Schule zu kommen und auch noch meinen ehemaligen Mentor zu kriegen. Lennart ist perfekt für den Job."

Zufrieden geben wir uns ein High Five und klappen dann die Augen zu, um uns schonmal ein bisschen Vor-Urlaubs-Bräune zu holen.

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16.9.2020    -    5.3.2021

Was sich neckt, das hasst sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt