Sofy
Ich war so erschöpft, dass ich schon bald wieder einschlief. Der Schlaf war lang, aber unruhig. Vor meinem inneren Auge zuckten immer vereinzelte Bilder auf, die ich nicht zuordnen konnte. Vielleicht vom Unfall? Ich wusste es nicht. Und obwohl der Schlaf so unruhig war, ich schlief sehr lang.
Am nächsten Tag erklärte mir die Ärztin, dass dies nicht ungewöhnlich war. Allerdings sahen meine Werte überraschender Weise so gut aus, dass sie bereits davon sprach, in ein paar Tagen langsam die Rehamassnahmen zu beginnen, damit sich mein Körper und vor allem meine Muskeln wieder an Bewegung gewöhnen konnten. „Das wird erstmal sehr anstrengend werden. Aber Sie hatten so viele Schutzengel, die Sie vor vielem bewahrt haben. Da werden Sie das auch schaffen, Sie sind eine sehr starke Frau!" Stark? Ich. Im Leben nicht. Allerdings wollte ich auch nicht ewig hier rumliegen. Ich hatte weder ein Handy noch meine Bücher. Fernsehen war auch nicht das, worauf ich Lust hatte. Also konnte ich nur liegen und hoffen, dass mein Bruder wiederkam.
Ein oder zwei Stunden nachdem die Ärztin da war, klopfte es an der Tür, welche auch direkt vorsichtig geöffnet wurde. Melina steckte ihren Kopf herein und lächelte nur erleichtert. Sie schloss die Tür und kam zu mir, in der Hand einen riesengroßen Strauß Blumen. „Von uns allen aus der Agentur. Sie wollen alle, dass du ganz bald wieder auf die Beine kommst. Und ich auch. Das war vielleicht ein Schrecken", redete sie drauf los, während sie die Blumen ablegte, „Wie geht es dir?" „Ich lebe noch", entgegnete ich nur, „Und ich will hier raus. Aber wer weiß, wie lang das noch dauert." „Hey. Nimm dir bitte Zeit. Niemand macht dir Druck okay? Werde lieber erst ganz gesund", antwortete sie sanft, „Dein Bruder hat mir erzählt, dass dein Handy futsch ist. Soll ich dir ein neues besorgen?" „Nein, mein Bruder wollte sich darum kümmern, aber danke", entgegnete ich und rang mich zu einem schwachen Lächeln durch, „Ich hätte nur gern meine Bücher hier. Aber die stehen noch ... bei Timo ..." „Kein Problem. Hole ich dir! Mach dir da keine Gedanken. Dein Bruder und ich haben eh schon besprochen, dass wir deine Sachen da endlich wegholen." „Danke", entgegnete ich nur brüchig. Es war mir so unangenehm. Jetzt musste die Zwei meine Probleme lösen, weil ich es selbst nicht hinbekam. Das war wohl das größte Zeichen von Schwäche.Melina erzählte mir noch ein wenig von der Agentur und was die letzten drei Wochen alles passiert war. „Wenn du wieder ein Handy hast, telefonieren wir und dann können alle Kollegen mal wieder mit dir reden", sagte Melina begeistert, aber ich nickte nur. Ich wollte eigentlich kein neues Handy. Ich wollte mein altes Handy ... das Handy mit der Nummer von Wincent. Nun würde ich ihn nie wiedersehen. „Hey? Sofy. Wo bist du mit deinen Gedanken?", unterbrach Melina sogleich meine Gedanken, ehe ich ganz abschweifen konnte. „Hm ... ist nicht so wichtig", nuschelte ich nur. „Du bist so eine miese Lügnerin. Komm, mir kannst du erzählen was los ist. Ich möchte dir helfen!" Ich zögerte, überwand mich dann aber: „Mir bringt ein neues Handy nichts. Das bringt mir die Nummer von Wincent auch nicht wieder ... Jetzt wird er immer im Glauben bleiben, ich wäre so eine undankbare Tussi, die einfach keine Lust hatte, sich bei ihm zu melden."
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Vielleicht irgendwann (1)
FanfictionWie ist es mit einem Menschen zusammenzuleben, der einem nicht gut tut? Zerstörend. Aber wieso schafft man es trotzdem nicht, sich von dieser Person zu trennen, sie aus dem Leben zu streichen? Ganz einfach, weil man diese Person immerhin mal geliebt...