Wincent
Mir entgingen die Blicke der anderen nicht, aber die waren mir im Moment egal. Ich fühlte mich nicht wohl damit, dass sie jetzt noch nach Hause fuhr. Und mir war sicher nicht nach Feiern zumute, ehe ich nicht wusste, ob sie gut zu Hause angekommen war. Außerdem ärgerte ich mich ohnehin noch über die Situation im Park vorhin. Wieso hatte ich nicht den Mut gehabt, sie zu küssen? Es wäre vielleicht der ideale Moment gewesen. Und ich hatte es verbockt. Andererseits wusste ich ja auch nicht, wie sie darauf reagiert hätte. Vielleicht hätte ich dadurch auch alles kaputt gemacht? Wir hatten uns eine ganze Weile nicht gesehen. Wir hatten täglich geschrieben und viel telefoniert, klar, aber trotzdem war ich mir einfach nicht sicher, ob sie für mich genauso fühlte. Jedenfalls hatte ich sie einfach nur schrecklich vermisst und ich zählte die gesamte Tour über die Tage, bis ich sie endlich wiedersehen konnte.
Ich stand noch etwas auf dem Parkplatz, bevor ich wieder reinging. Darauf gefasst, dass ich nun mit Fragen gelöchert wurde. Das Team war verständlicherweise in Feierlaune und ich fühlte mich schon mies, dass ich es nicht war. Deshalb setzte ich mich etwas abseits hin und entsperrte alle fünf Minuten mein Handy, weil ich hoffte, dass sie bereits angekommen war. Natürlich völlig übertrieben, denn so schnell würde sie natürlich nicht ankommen. Ich musste mit zwei, eventuell drei Stunden rechnen. „Wincent, die Zeit wird nicht rumgehen, wenn du alle paar Minuten auf dein Handy starrst", entgegnete Amelie, die sich inzwischen zu mir gesetzt hatte, „Gibst du jetzt endlich zu, dass du ein bisschen mehr empfindest als nur Freundschaft?" Seufzend fuhr ich mir durch die Haare: „Man. Nein ... Ja." „Beides geht nicht Wincent, aber so wie du sie ansiehst ..." „Scheiße ja", entgegnete ich verzweifelt, „Und ich hätte sie vorhin fast geküsst." „Nur fast?", hakte sie vorsichtig nach. „Ja ... ich weiß nicht ... ich hatte zu große Angst, dass ... ich halt alles kaputt mache. Sie betont immer, dass wir nur Freunde sind. Ich will sie nicht verlieren." „Ach Wincent. Weißt du eigentlich, wie sie strahlt, wenn du auch nur in der Nähe bist? Und während des Auftrittes hatte sie nur Augen für dich. Ich glaube aber, dass sie genau die gleiche Angst hat", versuchte sie mich aufzumuntern, „Aber ihr Zwei würdet so gut zueinanderpassen. Ihr scheint euch gegenseitig gut zu tun. Und ich hab dich seit Ewigkeiten nicht mehr so glücklich erlebt. Also entweder ihr bekommt das allein auf die Reihe oder wir nehmen das in die Hand! Uns fällt dann schon was ein, aber angenehmer wäre es, ihr bekommt es jetzt mal auf die Reihe." „Ich weiß halt nicht, ob sie überhaupt bereit dafür wäre ..." „Dann finde es raus! Sei mutig! Du bist doch schon gefühlt seit eurer ersten Unterhaltung in die verliebt. Sei mutig. Es wird sich lohnen, vertraue mir!" „Was lässt dich da so sicher sein, Amelie?", fragte ich verzweifelt. „Das nennt sich weibliche Intuition", entgegnete sie und zwinkerte mir grinsend zu, „Und jetzt komm. Wir wollen endlich feiern." „Mir ist nicht nach feiern zumute Amelie. Ich will erst sicher sein, dass sie gut zu Hause angekommen ist." „Ein ‚Nein' wird nicht akzeptiert. Jetzt komm wir wollen in eine Bar, da gibt es auch Empfang und du bekommst deine Nachricht. Außerdem würde Sofy dir in den Hintern treten, wenn sie wüsste, dass du hier rumsitzt, anstatt diese erfolgreiche Tour zu feiern!" Mir war klar, dass ich eh nicht gegen Amelie ankam, weshalb ich mich in die Bar mitschleppen ließ. Doch auch dort, saß ich eher in der Ecke und starrte auf mein Handy. „Wince. Pack doch mal dein Handy weg, dann geht die Zeit auch schneller vorbei und deine heiß ersehnte Nachricht ist da", zog mich Flo zurück in die Realität und raus aus meinen Gedanken, „Auch du solltest jetzt mal ein wenig feiern!" Nur widerwillig steckte ich also mein Handy in die Tasche und versuchte, wenigstens einigermaßen daran teilzuhaben. Und irgendwann signalisierte mir das Vibrieren meines Handys, dass ich eine Nachricht hatte.
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Vielleicht irgendwann (1)
FanficWie ist es mit einem Menschen zusammenzuleben, der einem nicht gut tut? Zerstörend. Aber wieso schafft man es trotzdem nicht, sich von dieser Person zu trennen, sie aus dem Leben zu streichen? Ganz einfach, weil man diese Person immerhin mal geliebt...