Teil 191

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Sofy

Passend hatten sich Noel und Mike für ein kleines Schloss als Location ausgesucht. Die Trauung sollte im angrenzenden Park stattfinden, was ich angesichts der dichten Wolkendicke als äußert mutig empfand. Aber ich hatte das hier nicht geplant, hatte mich rausgehalten, weil es ansonsten nur in noch mehr Streit geendet wäre.
„Kommst du?“, riss Wincent mich aus meinen Gedanken. Dieser war bereits ausgestiegen und hielt mir die Tür auf. „Muss ich ja wohl“, murmelte ich und stieg ebenfalls aus. Wincent schloss die Tür und zog mich dann in seine Arme. „Wir können jederzeit fahren, vergiss das nicht.“ „Hm“, ich seufzte nur und lehnte mich an seine Brust. Konnten wir nicht einfach direkt wieder fahren? Wobei … das wäre wiederum feige. Augen zu und durch. Ich griff also Wincents Hand und wir bahnten uns den Weg in den Park. Ina, ihre Familie, Mum und Dad waren alle schon da. Wincent zog mich ganz bewusst zu Plätzen, die ganz weit weg waren. Eher in Dads Richtung, da dieser auch mit viel Abstand zu Mum und Ina saß. Wenigstens er hielt seine Worte. „Hi“, begrüßte er uns, „Wo sind die Zwillinge?“ „Wincents Mutter passt auf sie auf. Ich erspare ihnen die Nummer hier lieber“, sagte ich knapp und ließ mich auf den Stuhl neben ihn sinken. Das Verhältnis zwischen uns war nach wie vor … seltsam. Aber wir waren auf einem ganz guten Weg, dass wir uns wieder annäherten. „Das kann ich verstehen“, murmelte mein Vater, „Aber sei deinem Bruder nicht böse. Er macht das nicht, weil er dich ärgern will.“ „Ich weiß“, antwortete ich und beließ es bei dem Thema.
Während der Trauung hatte ich kurz Hoffnung, dass es vielleicht doch schön werden konnte. Mit Noels Familie kam ich schließlich super klar und wir konnten den Abend sicher mit ihnen verbringen. So zumindest war mein Plan … bis ich die Sitzordnung sah. Er setzte uns an einen Tisch mit Ina und Mum? War das wirklich Mikes Ernst? Er legte es doch darauf an, dass es eskalierte. Auch mein Vater schien nicht begeistert zu sein, fügte sich aber. Und auch Wincent schob mich leicht weiter. Wir setzten uns und versuchten einfach, die anderen zu ignorieren. Stattdessen ließ ich mich auf ein Gespräch mit meinem Vater ein. „Also. Passend zum heutigen Thema. Wann ist es bei euch so weit? Wann wollt ihr groß feiern?“, wollte mein Vater neugierig wissen. Er wusste, dass wir längst geheiratet hatten und ich inzwischen Wincents Nachnamen angenommen hatte. „Wenn die Zwillinge ein wenig größer sind. Vielleicht … nächstes Jahr“, antwortete ich ihm also, „Wir müssen ja auch schauen, wie es terminlich passt. Wegen Konzerten und anderen Auftritten. Die gehen vor.“ „So ein Unsinn“, mischte Wincent sich ein, „Das geht nicht vor. Und das weißt du auch. Du bist viel wichtiger für mich.“ „Könnt ihr mal aufhören? Ihr unterhaltet den ganzen Saal und das will niemand hören“, bemerkte Ina genervt. War ja klar, dass irgendwas kommen musste. Ich versuchte einfach, sie zu ignorieren, aber das war nahezu unmöglich. Aber eine Weile funktionierte es und wir folgten dem kleinen Programm, welches sich Mike und Noel überlegt hatten.
Und so vergingen die Stunden und dank Wincent, hatte ich dann doch ein wenig Spaß. Zumindest so lang, bis Mike noch ein paar Worte sagen wollte. Es waren nicht Mikes Worte, die zum Problem wurden, sondern das, was danach passierte. Ina erhob sich, als er fertig war und ging zu ihm, um ihm ein Geschenk zu überreichen. Erstmal nichts Dramatisches. Doch dann ergriff sie das Mikro und damit das Wort. „Deine Familie möchte dir oder eher euch gratulieren. Also Grandma, Mum, Dad und ich. Die ganze Familie halt. Deshalb haben wir eine Kleinigkeit für euch“, sie streifte meinen Blick und ihrer musterte mich hasserfüllt. „Und was ist mit Sofy?“, hakte mein Bruder nach. „Was soll mit der sein? Sie gehört nicht zur Familie. Ich versteh auch gar nicht, was sie hier macht. Sie hat hier gar nichts zu suchen, das ist eine Familienfeier“, erklärte sie, „Nicht wahr Sofy? Du gehörst gar nicht zu Familie. Aber das wusste ich schon immer.“ Was zur Hölle meinte sie? Wovon redete sie? Ich hatte meine Geburtsurkunde selbst in den Händen gehalten, ich wusste doch wohl wer meine Eltern waren. „Oh. Wusstest du das etwa nicht? Ups. Na ja dann weißt du es ja jetzt. Ich kann es dir ja draußen gern erklären. Damit du auf dem gleichen Stand bist.“ Und damit verschwand sie tatsächlich nach draußen. Und auch ich erhob mich, aber Wincent hielt mich fest. „Schatz. Mach das nicht. Sie will dich nur provozieren. Bleib hier.“ „Nein. Ich muss das wissen“, entgegnete ich entschlossen, als ich mitbekam, dass meine Mum ebenfalls nach draußen verschwand. „Dann komme ich mit“, erwiderte er, aber ich schüttelte den Kopf. Ich wollte Ina nicht noch mehr Material für dumme Sprüche liefern. Und so ließ ich Wincent zurück und folgte meiner Schwester und meiner Mutter nach draußen. Beide schienen bereits auf mich zu warten und der einsetzende Regen schien sie nicht zu stören. „Was für einen Scheiß gibst du eigentlich von dir?“, ging ich meine Schwester gleich an. „Aber, aber. Wo hast du denn dein Beschützerlein gelassen? Ist er doch nicht so der tolle Mann?“ „Lass Wincent daraus und erzähl lieber, was für einen Scheiß du von dir gibst.“ „Komm Mum. Erzähle ihr davon. Dir glaubt sie es sicher“, entgegnete Ina und grinste gehässig. Mein Blick wanderte also zu meiner Mutter. „Na ja. Ina hat schon recht. Du bist nicht meine Tochter. Und auch nicht die Tochter deines Vaters.“ „Was? Ich hab doch meine Geburtsurkunde. Da steht es doch schwarz auf weiß!“ „Mit Geld lässt sich alles betrügen. Die Urkunde ist echt, aber wir mussten damals ein ordentliches Sümmchen hinlegen, dass unsere Namen dort eingetragen wurden.“

Vielleicht irgendwann (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt