Teil 162

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Wincent

Um ehrlich zu sein war der erfolgreiche Umzug in das Haus der Faktor, wieso ich die ganzen Termine wahrnahm. Hätte das alles nicht so schnell funktioniert, dann hätte ich alles abgesagt. Und dann wäre es mir auch egal gewesen, dass Sofy das nicht wollte. Aber dann hätte die Sicherheit meiner Familie einfach an erster Stelle gestanden. Das stand sie noch immer, aber jetzt war sie sicher vor irgendwelchen Fanbesuchen. Und trotzdem wollte ich nur ungern fahren. Weil ich wusste, dass Sofy niemanden um Hilfe bitten würde und wieder alles allein machen würde. Dafür war sie einfach zu stolz und dafür war ihr Wille nach Unabhängigkeit zu groß. Ich liebte es total, dass sie so unabhängig war und gleichzeitig trieb sie mich damit so sehr in den Wahnsinn, weil ich jedes Mal so kämpfen musste, damit sie mal Hilfe annahm.
Nun war ich aber auf den Weg zum Interview. Darauf hatte ich ehrlich gesagt auch nicht so viel Lust, da mir klar war, dass ich mich vermutlich vielen privaten Fragen stellen musste, die ich eigentlich nicht beantworten wollte. Ehrlich gesagt nervte es mich inzwischen richtig, dass nicht akzeptiert werden konnte, dass auch ich einen Teil in meinem Leben hatte, der nicht in der Öffentlichkeit stand und der auch nicht in eben diese gehörte. Wenigstens begleitete Amelie mich zu dem Interviewtermin, sie schaffte es immer, mich wieder so runterzubringen, dass ich professionell blieb. Ich wusste schon nicht mehr, wie oft sie bereits Situationen gerettet hatte, die ich ohne sie wohl völlig vergeigt hätte.
Also traf ich mich vor dem Interview auch mit ihr, denn sie hatte schon einen groben Leitfaden für das Interview erhalten, den wir einmal kurz durchgehen wollten. Es waren nicht die genauen Fragen, aber halt die Richtung, in die das Interview gehen sollte. „Und wie lief der Umzug?“, erkundigte sie sich direkt neugierig. „Alles so weit fertig. Zumindest das wichtigste“, entgegnete ich schulterzuckend, „Ich hoffe nur, dass Sofy sich jetzt auch mal ausruht …“ „Sie ist alt genug und kann schon auf sich aufpassen“, meinte Amelie schmunzelnd, „Und sie wird nichts tun, was die Babys gefährden würde.“ „Ich weiß. Aber du kennst sie und Hilfe suchen ist halt einfach nicht ihre Stärke, was unter normalen Umständen ja auch durchaus gut ist, dass sie alles selbst versucht. Aber es sind halt keine normalen Umstände.“ „Komm. Die zwei Wochen noch und dann ist erst mal frei. Das schaffst du auch noch“, munterte sie mich auf, ehe sie das Thema dann auch auf das Interview lenkte. Ich seufzte kurz, wusste aber, dass es jetzt auch nichts brachte, sich weiter Gedanken zu machen.
Eine Stunde später saß ich also im Interview und zu Beginn drehte sich auch glücklicherweise alles um meine Musik. Doch oh Wunder, schon bald driftete er in die private Richtung ab. „Also Wincent. Es waren doch schon einige sehr verwundert, dass du jetzt bis Sommer keine Konzerte mehr spielen wirst. Hat das irgendwelche Gründe? Hat dir deine Freundin vielleicht ‚verboten‘ unterwegs zu sein?“, wollte sie schmunzelnd wissen. „Meine Freundin verbietet mir gar nichts. Das war meine Entscheidung gemeinsam mit meinem Management“, entgegnete ich knapp. „Hm. Also hat deine Freundin nicht viel Mitspracherecht?“ „Äh. Natürlich, aber sie würde nie auf die Idee kommen, mir irgendwas zu verbieten. Wir besprechen uns, aber die Entscheidung treffe ich und da steht sie auch hinter mir!“, erwiderte ich seufzend. „Und wie kommt es, dass man deine Freundin noch nie gesehen hat? Viele Fans wollen schließlich wissen, wer die Frau an der Seite ihres Idols ist“, bohrte sie weiter. Seufzend setzte ich mich etwas gerader hin: „Weil meine Freundin das nicht möchte und das ist eine Tatsache, die ich so akzeptiere und die jeder andere akzeptieren muss! Das ist eine Entscheidung, die sie getroffen hat und die ich verstehen kann.“ „Also würdest du sie schon mit in der Öffentlichkeit zeigen?“ „Erstens würde das keine Rolle spielen, wenn ich das wollte, denn sie hat diese Entscheidung getroffen und da stehe ich hinter. Und gleichzeitig finde ich so auch besser. Auch ich habe mein privates Leben, das nicht in die Öffentlichkeit gehört. Und damit ist das Thema jetzt auch beendet. Entweder es kommen noch Fragen zur Musik oder wir beenden das hier.“ „Aber deine Fans wollen sicher wissen, wie lang ihr schon …“ „Okay. Das Interview ist beendet“, antwortete ich trocken und erhob mich, um zur Tür zu gehen. Dort hielt Amelie mich am Arm fest und schaute mir in die Augen: „Bist du dir sicher?“ „Ja. Wir hatten gesagt, keine privaten Fragen!“ „Okay“, erwiderte sie und lächelte. Auch ich lächelte ihr dankbar zu, merkte dabei gar nicht, wie die Journalistin ein Foto machte. Aber das sollten wir bereits am Abend sehen.
„Wincent? Ich glaube die gute Frau war ein wenig verärgert“, murmelte Amelie, als wir gerade beim Essen saßen. Da ich sie nur verwirrt anschaute, zeigte sie mir ihr Handy. Und sogleich sprang mir in Rot die Überschrift entgegen: „Wie steht es um die Beziehung von Sänger Wincent Weiss? Betrügt er seine Freundin mit dieser Frau?“

Vielleicht irgendwann (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt