WincentAls wir vom Soundcheck kamen, entging es eigentlich niemandem, dass Flo sich zurückfallen ließ und zu Melina verschwand. Ich hatte inzwischen schon länger die Vermutung, dass die Zwei sich womöglich auch ohne großartige Hilfe durch uns gefunden hatten. Aber sollten sie ihre Zeit noch für sich genießen. Ich wollte auch eigentlich nur schnell zu Sofy, Niilo und Elina. Es waren wirklich drei Wochen zu viel am Stück, die wir uns nur durch das Handy hatten sehen können. Die Zwillinge waren schnell gefunden, nur Sofy entdeckte ich nicht. Amelie schien meinen Blick auch sofort zu verstehen. „Sofy muss kurz telefonieren“, erklärte sie. „Okay, danke“, erwiderte ich und widmete mich dann meinen Kindern, „Na ihr habt ja coole T-Shirts.“ „Die jüngsten Crewmitglieder müssen doch erkennbar sein“, entgegnete Amelie grinsend. „Das stimmt“, ich grinste stolz und setzte mich mit auf den Boden. Und zack. Es dauerte nicht lang und hatte ich gleich zwei paar Hände im Gesicht. Verübeln konnte ich es den Beiden nicht, vermutlich mussten sie erstmal schauen, ob ich wirklich in echt da war und nicht nur in so einem blöden Bildschirm saß. Also legte ich mich ins Gras und wartete darauf, dass die Zwei fertig waren mit testen. Ganz zur Belustigung von Amelie und den anderen. „Wie lang telefoniert Sofy schon?“, wollte ich irgendwann von Amelie wissen. „Keine Ahnung. Aber eine halbe Stunde könnte es inzwischen schon sein. Hoffen wir mal, dass nichts passiert ist“, überlegte Amelie. Das hoffte ich auch. „Ich geh mal zu ihr“, entschloss ich mich also, da mir klar war, dass Niilo und Elina hier in guten Händen waren. Also setzte ich Niilo von meinem Bauch und erhob mich langsam.
Ich hatte Sofy gerade gefunden, als sie ihr Handy wieder in die Tasche schob. Leise näherte ich mich, um nur kurz darauf meine Arme um sie zu legen. Mir entging nicht, dass sie leicht zusammenzuckte. Da hatte ich sie wohl mal wieder aus ihren Gedanken gerissen. „Na du“, murmelte ich einfach und gab ihr einen Kuss auf de Wange, „Wieso stehst du hier so abseits.“ „Musste nur kurz telefonieren. Aber bin jetzt fertig“, antwortete sie und dachte wohl, ich merkte nicht, wie sie sich durchs Gesicht fuhr. Wieso weinte sie? Ich drehte sie vorsichtig zu mir, dass sie mich ansehen musste. „Was ist los?“, wollte ich auch gleich von meiner Frau wissen. Wieso groß um den heißen Brei herumreden, ich merkte doch, dass etwas nicht stimmte. „Alles ist gut“, versuchte sie es trotzdem und wich meinem Blick aus. Seufzend legte ich meine Hand unter ihr Kinn und zwang sie so, mich anzusehen: „Du weißt, dass ich weiß, dass nicht alles gut ist.“ „Wieso kannst du es nicht einmal nicht wissen?“ „Dann mach es mir schwerer, dir das anzusehen“, erwiderte ich schmunzelnd, „Und außerdem wäre ich doch kein guter Ehemann, wenn ich das nicht merken würde, oder? Also, was ist los?“ „Ach man“, seufzte sie, „Das war mein Bruder und irgendwie haben wir uns halt grad einfach gestritten, dass ich einfach aufgelegt habe …“ „Okay. Aber du legst nicht grundlos einfach auf, das weiß ich. Wieso habt ihr euch gestritten?“ „Na ja. Er findet für den Brunch kein Restaurant mehr, wo er für so viele Leute einen Tisch bekommt. Das Eigentliche ist abgesprungen, als er Mum, Ina und ihre Familie nachträglich anmelden wollte. Erst dachte ich, ich soll noch mal schauen, aber nein er wollte das bei uns zu Hause machen. Hat versucht mich mit Oma zu locken. Aber als ich gesagt habe, dass ich nicht will, dass Ina überhaupt weiß, wo wir wohnen, wollte er das irgendwie nicht einsehen“, erzählte sie mir ziemlich aufgelöst, „Er fing wieder an, dass er eine heile Familie haben will und Ina hätte sich ja bei ihm entschuldigt …“ „Ist ja schön, dass sie sich beim ihm entschuldigt. Hat sie sich je bei dir entschuldigt? Ich denke nicht. Und ehrlich gesagt will ich auch nicht, dass die Frau überhaupt weiß, wo wir wohnen …“, entgegnete ich kühl und gleichzeitig schockiert, dass Mike überhaupt nur daran gedacht hatte. „Ich will das auch nicht. Ich suche gerne für ihn nach einer Location, aber Ina kommt nicht zu uns nach Hause … Und eventuell ist Mike jetzt sauer auf mich.“ „Dann ist das aber echt sein Problem und ganz bestimmt nicht deins. Ich finde es schon unmöglich, dass er das überhaupt fragt, er hat doch alles mitbekommen.“ „Da kommt der dringende Wunsch nach einer heilen Familie in ihm vor“, murmelte sie und lehnte ihre Stirn an meine Schulter, „Er will nicht einsehen, dass unsere Familie nie eine heile Familie sein wird …“
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Vielleicht irgendwann (1)
FanfictionWie ist es mit einem Menschen zusammenzuleben, der einem nicht gut tut? Zerstörend. Aber wieso schafft man es trotzdem nicht, sich von dieser Person zu trennen, sie aus dem Leben zu streichen? Ganz einfach, weil man diese Person immerhin mal geliebt...