Teil 53

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Wincent


Mir war gerade ehrlich gesagt so ziemlich alles egal. Fakt war, dass auch sie schlafen musste und ich klammerte einfach an die Hoffnung, dass es so etwas wurde. Dennoch, sie brauchte Hilfe. Nicht die Hilfe, die sie von mir, Melina oder ihrem Bruder bekam. Sie brauchte professionelle Hilfe, um die ganzen Geschehnisse der letzten Monate verarbeiten zu können. Es war einfach inzwischen zu viel, was sie mit sich ausmachen musste. Das konnte kein Mensch mal eben so wegstecken. Jemand vom Fach hingegen könnte ihr helfen. Schließlich wussten sie, welche Schalter umgelegt werden mussten, was gebraucht wurde. Allerdings befürchtete ich, dass es nicht leicht wurde, Sofy zu überzeugen. Ich hatte mittlerweile gemerkt, dass sie nicht gut darin war, Hilfe anzunehmen oder geschweige denn nach dieser zu fragen. Aber um diese Sache musste ich mich nach dem Aufstehen kümmern, Sofy war tatsächlich sofort neben mir eingeschlafen und auch ich wollte gerne noch ein paar Stunden Schlaf bekommen.
Am nächsten Morgen wachte ich vor Sofy auf. Ich wollte sie nicht wecken, also stand ich leise auf und ging in die Küche, um Frühstück vorzubereiten. Währenddessen beantwortete ich ein paar Nachrichten und warf einen Blick auf meinen Terminkalender. Dieser war die nächsten Monate sehr voll. Neben Interviews, Auftritten und Proben, hatte ich viel Zeit im Studio eingeplant, da wir gerne am zweiten Album arbeiten wollten. Wir waren zwar erst ganz am Anfang, aber auch das Songwriting brauchte seine Zeit. Und dann war das Jahr auch schon vorbei und im Januar startete die Tour. Das bedeutete, dass ich Sofy nur noch sehr selten sehen konnte. Und das war für mich der größte Negativaspekt an dieser ganzen Sache, obwohl mir das alles so eine Freude bereitete und ich momentan einfach meinen Traum leben durfte. Umso mehr lag es mir auch am Herzen, dass Sofy sich wirklich diese Hilfe suchte. Und vielleicht wollte ich das auch so sehr, um mich selbst ein wenig zu beruhigen.
Nur ein paar Minuten später, war auch Sofy wach und wir saßen am Frühstückstisch. Ich merkte ihr an, dass ihr die gesamte Situation unangenehm war. Deshalb entschied ich mich dazu, auch nichts dazu zu sagen, um die Situation nicht noch unangenehmer für sie zu gestalten. Auch, wenn es in meinen Augen nichts gab, was ihr unangenehm sein musste. Irgendwann fasste ich mir aber dann ein Herz und sprach sie auf meine Gedanken an. „Hör mal Sofy", begann ich, „Du weißt, dass du immer auf meine Hilfe zählen kannst. Und auf die von Melina und von deinem Bruder auch. Ich glaube aber, dass keiner von uns dir die Hilfe geben kann, die du vielleicht brauchst." „Wie meinst du das?" „Du hast einfach so viel durchgemacht in den letzten Monaten. Und das alles ist offensichtlich eine riesige Last. Und die wäre es für jeden. Ich denke, dass es besser wäre, wenn wir dir jemanden suchen, der sich auskennt, der ausgebildet wurde, Menschen zu mit solchen Traumata zu helfen." „Wincent. Ich bin nicht verrückt. Ich brauche keine Therapie!" Ich seufzte, hatte ich mich schon darauf eingestellt. „Das hat doch gar nichts damit zu tun. Natürlich bist du nicht verrückt! Im Gegenteil. Aber das, was du durchgemacht hast, hinterlässt seine Spuren. Und um zu lernen damit umzugehen, das zu verarbeiten, reicht die Hilfe von Freunden und Familie nicht. Es ist überhaupt keine Schande sich Hilfe zu holen. Und auch kein Zeichen von Schwäche. Ganz im Gegenteil sogar!", versuchte ich sie zu überzeugen, „Du musst dich ja nicht sofort entscheiden. Aber bitte überleg es dir. Nimm dir Zeit, darüber nachzudenken. Versprich es mir bitte. Ich bin die nächsten Monate so viel unterwegs, dass ich kaum hier sein werde ... Bitte Sofy. Überlege es dir wenigstens, okay?"

Vielleicht irgendwann (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt