Sofy
Obwohl ich am Anfang sehr unsicher war, fühlte ich mich durch den Besuch von Wincent viel besser. Es tat gut, dass er nicht zu sehr nach dem Unfall fragte und wir uns stattdessen über ganz andere Dinge unterhielten. Zunächst war unser Gespräch noch sehr seltsam gewesen, weil wir Beide nicht ganz wussten, was wir sagen sollten. Und nun ... fast drei Stunden später unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Dabei stellten wir uns gegenseitig ziemlich viele Fragen und langsam fühlte man sich immer weniger fremd. „Okay, okay ich bin wieder dran. Wenn du dir einen Ort aussuchen könntest, wo du jetzt sofort hinreisen würdest. Welcher wäre das?", erkundigte sich Wincent inzwischen. Da musste ich nicht lange überlegen: „Egal wo, Hauptsache ich kann die Polarlichter sehen! Ort spielt keine Rolle." „Oh wow. Bei den meisten hört man immer irgendwas Meernahes", entgegnete er, „Aber wenn ich da mal so drüber nachdenke. Die Polarlichter ... die sind mit Sicherheit eine Reise wert." „Meer kann ich jeden Tag haben, wenn ich zu Hause bin. Wobei ich es nicht missen möchte. Mal sehen, wann ich da wieder langlaufen kann", entgegnete ich seufzend, mit dem Bewusstsein im Hinterkopf, dass das mit der Reha einfach so schleppend voranlief. „Es wird bestimmt nicht mehr lange dauern. Aber du musst dir Zeit geben", erwiderte er sanft, „Du bist doch auch nicht allein. Du hast bestimmt deine Familie, die dir Kraft gibt." „Mein Bruder, ja. Melina als Freundin vielleicht noch, aber sonst ..." Man merkte ihm an, dass er erst überlegte, ob er sich nach meinen Eltern erkundigte. Aber er ließ es. „Nun. Wenn ich erwünscht bin, komme ich dich auch öfter besuchen und erinnere dich daran, dass du dir Zeit geben musst", sagte er stattdessen und grinste mich breit an. Ja, da musste auch ich schmunzelnd und ich nickt. „Sicher", antwortete ich ihm. Ich wollte tatsächlich sehr gern, dass er wiederkam. Ich hatte schon lange kein so lockeres Gespräch mehr geführt. Und ich hatte schon lange nicht mehr richtig gelacht. „Oh. Außerdem wie besprochen. Wenn du fit bist, gibt es Skatenachhilfe. Das sollte doch auch Ansporn sein, oder?" Ja, Tatsache. Er hatte mir noch von seinem Hobby, dem Skaten, ausführlicher berichtet. Und als er mitbekam, dass ich nicht einmal Inliner fahren konnte und natürlich auch kein Skateboard hatte er direkt drauf bestanden, mir das Fahren beizurbringen. Er war fest davon überzeugt, dass jeder dies lernen konnte. Ich hingegen nicht. Dennoch hatte ich versprochen, mich daran zu versuchen. Wieso genau ich auf einmal so ‚mutig' war konnte ich jedoch nicht erklären. Bei jedem anderen hätte ich sofort eine Ausrede gefunden. Wieso bei ihm nicht? Wieso breitete sich in mir ein Gefühl von Vorfreude aus. Wieso ausgerechnet bei ihm?Irgendwann war es spät geworden, sodass es Zeit war, sich zu verabschieden. Zur Sicherheit hatten wir glücklicherweise daran gedacht, erneut die Nummern auszutauschen. Und er versprach so schnell wie möglich wiederzukommen, dass er aber nun noch ein paar tage im Studio sein würde. Ich freute mich schon sehr, ihn bald wiederzusehen. Und ich war Melina wohl ein ‚Danke' schuldig. Andererseits hätte sie ja auch etwas sagen können. Viel mehr Gedanken konnte ich mir allerdings dann auch nicht mehr machen, denn inzwischen zeigte sich die Anstrengung des Tages und ich wurde einfach nur müde.
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Vielleicht irgendwann (1)
FanfictionWie ist es mit einem Menschen zusammenzuleben, der einem nicht gut tut? Zerstörend. Aber wieso schafft man es trotzdem nicht, sich von dieser Person zu trennen, sie aus dem Leben zu streichen? Ganz einfach, weil man diese Person immerhin mal geliebt...