Teil 86

771 30 1
                                    


Wincent

Okay. Ich fand die Aktion von Sofys Bruder auch nicht so gut, weshalb ich Sofy verstehen konnte. Aber irgendwo konnte ich auch ihren Bruder verstehen, ich hätte an seiner Stelle vielleicht ähnlich gehandelt. Doch bereits das erste Aufeinandertreffen mit ihrer Schwester, verdeutlichte mir, dass Sofy mit keinem Wort übertrieben hatte. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mich zurückzuhalten, aber die Aussage an mich, machte mich wirklich wütend. „Sorry, aber was soll das?“, entfuhr es mir, „Du scheinst deine Schwester nicht wirklich gut zu kennen, denn dann wüsstest du, dass sie keine Versagerin ist. Und ich bin wohl alt genug, um selbst zu entscheiden mit wem ich mich ‚abgebe‘.“ Ich rechnete mit einem weiteren dummen Kommentar, aber ihre Schwester schwieg. Sollte mir recht sein. „Kommt mal runter. Wir sollten uns erstmal hinsetzen. Es soll doch ein schöner Abend werden“, schaltete sich Mike ein, um die Situation wohl ein wenig zu retten. Mir war aber ab diesem Moment schon klar, dass dieser Abend alles andere als schön werden würde. Sofy war völlig angespannt und klammerte sich die ganze Zeit über an meine Hand, auch, als wir bereits am Tisch saßen. Inzwischen hatte ich ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen, dass ich sie überredet hatte, nicht direkt zu fahren. „Sofy. Du hast gar nicht erzählt, dass du einen neuen Freund hast. Ich hatte wirklich Hoffnung, dass du und Timo … Ihr wart doch so ein tolles Paar. Und ich hatte doch auf baldige Enkelkinder gehofft. Durch deinen Bruder bekommen wir ja leider keine Enkel und du weißt, dass ich gern viele Enkel hätte. Und die Hochzeit. Dabei hatte ich das perfekte Kleid für dich.“ „Mum. Timo ist schon lange kein Thema mehr. Akzeptier das endlich und lass mich damit in Frieden“, entgegnete Sofy kühl. „Ach ich weiß nicht. Was kann er dir denn bieten? Verdient er gut?“ Okay. Was war mit ihrer Familie los, dass es immer ums Geld ging? Sofy passte da irgendwie nicht ganz rein. „Er kann mir mehr bieten, als du dir überhaupt vorstellen kannst. Und damit meine ich nicht das Geld, denn darauf bin ich nicht angewiesen. Stell dir nämlich mal vor: Ich gehe arbeiten und verdiene mein eigenes Geld. Wincent macht mich glücklich, etwas, was in deiner Welt ja offenbar keine Rolle mehr spielt. In meiner aber schon. Geld ist nicht alles im Leben. Eigentlich habt ihr das früher selbst immer gesagt, dass das Glück über allem steht. Aber das habt ihr offenbar vergessen. Ich bin endlich wieder glücklich und es ist echt hart, dass ihr euch offenbar nicht für mich freuen könnt. Aber ich weiß ja, dass ich euch im Prinzip egal bin. Habe ich im letzten Jahr gemerkt.“ Ich merkte, wie schwer es ihr fiel. Ich selbst war auch ziemlich schockiert, wie sowohl ihre Mutter als auch ihre Schwester mit ihr sprachen. Mike schien mittlerweile einzusehen, dass seine Idee nicht die beste gewesen war und ihr Vater sagte zu allem gar nichts. „Oh man“, entgegnete Ina genervt, „Kommt jetzt wieder die Unfallnummer? Mike hat uns damit schon genug genervt. Wärst du mal lieber draufgegangen, dann hätten wir so viele Probleme weniger. Gott ey. Selbst dafür warst du zu dumm!“ Okay. Das hatte den Bogen jetzt maßlos überspannt. Und während Sofy einfach aufsprang und davonlief, war ich im ersten Moment überfordert. „Was stimmt nicht mit dir?“, schrie ich voller Wut und wer wusste schon, was ich noch getan hätte, wenn Mike nicht gleich zur Stelle gewesen wäre. Dieser zog mich weg: „Bitte. Sofy braucht dich. Mich wird sie jetzt nicht an sich heranlassen. Ich mach das hier, es ist meine Schuld.“ „Allerdings“, entgegnete ich wütend. „Bitte. Geh zu ihr. Pass bitte auf sie auf, versprich mir das.“ Ich nickte nur, warf ihrer Schwester einen letzten wuterfüllten Blick zu und lief dann los. Da hatte Mike recht. In erster Linie damit, dass es alles seine Schuld war und natürlich stand fest: Sofy brauchte mich jetzt, auch wenn ich der Schwester nur zu gern ein paar Takte erzählt hätte. Nur jetzt stand einzig und allein Sofy im Fokus, sie brauchte mich jetzt. Verdammt, wo war sie nur hingelaufen?

Vielleicht irgendwann (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt