Sofy
Wincent war der erste, mit dem ich diese Gedanken teilte. Ich konnte es mir selbst nicht erklären, aber bei ihm war es so viel einfacher. Er merkte sofort, wenn etwas war. Ich konnte ihm nichts vormachen. Und all das verstand ich nicht. Lag es daran, dass wir uns noch so wenig kannten? Aber das war doch abstrus. Und irgendwie war ich einfach nur dankbar, dass er gar nicht viel sagte und mich stattdessen in den Arm genommen hatte. Denn auch das ... diese vielleicht einfache Geste tat irgendwie gut. Dennoch setzte ich mich wieder richtig hin, nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte. „Danke", nuschelte ich unsicher, „Woran hast du das gemerkt?" „Was? Dass es dir nicht gut geht?" Ich nickte nur. „Na ja", entgegnete er, „Du bist ehrlich gesagt nicht so gut darin, es zu überspielen. Deine Augen sprechen Bände und verraten das einfach. Und wenn jemand mit den Lippen lächelt, die Augen aber nicht mitlächeln, dann ist es ein überspielendes Lächeln. Zumindest hab ich das in den vergangen Jahren gelernt und bisher hat es sich immer Bewahrheitet. Es lohnt sich immer in die Augen des Gegenübers zu schauen, sie verraten dir ziemlich viel." „Das war mir nicht bewusst", gestand ich, vermutlich, weil bisher nie jemand darauf geachtet hatte, „Du bist ganz schön aufmerksam." „Hab ich auch alles erst lernen müssen. Das war ich auch nicht immer und dadurch hab ich früher auch ziemlich kaputt gemacht", gab er zu und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Wirklich? Das hätte ich nun ehrlich gesagt nicht gedacht ... Du bist der erste Mensch, den ich kennenlerne, der so aufmerksam ist." „Wie gesagt. Ich hab dann aus meinen Fehlern gelernt. Ich habe meine letzte Beziehung wegen meiner Unaufmerksamkeit zerstört. Habe Vieles nicht gemerkt, weil ich zu sehr mit mir beschäftigt war. Dadurch war ich auch kaum noch für sie da und habe halt nicht gemerkt, wie ich alles kaputt gemacht habe", erzählte er mir, „Na ja ich habs vergeigt. Sie ist jetzt glücklich verheiratet und ich gönne es ihr. Rückblickend betrachtet hatten wir vielleicht auch zu verschiedene Vorstellungen von der Zukunft. Das spielte vermutlich auch eine Rolle. Es ist wohl auch besser, dass es so gekommen ist. Ich war zu unreif und musste viel lernen. Vermutlich brauchte ich das, um zu lernen, worauf es ankommt. Aber bis ich das sehen konnte, hat es gedauert und ich war anfangs wirklich stark am Ende. Ich muss die Richtige halt noch finden und es dann wirklich besser machen." Oh wow. Mir war nie bewusst gewesen, dass er auch nicht so gute Zeiten durchmachen musste. „Das tut mir leid", entgegnete ich unsicher, da ich nicht recht wusste, was ich sagen sollte. „Schon gut. Ich habe damit abgeschlossen", antwortete er lächelnd, „Aus solchen Erfahrungen geht man immer gestärkt hervor. Man kann es nur nicht immer gleich sehen. Und auch du wirst gestärkt rausgehen. Du bist nämlich auch so viel stärker, als du vielleicht momentan denkst." „Nein. Das glaube ich nicht. Ich habe es ja nicht einmal geschafft meine Sachen selbstständig zu holen. Das mussten mein Bruder, dessen Freund und Melina machen", antwortete ich verzweifelt. „Nur weil man Hilfe bekommt, ist das kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil. Es ist wichtig, dass du die Hilfe annimmst. Das ist grad alles eine harte Zeit, aber nimm die Unterstützung an. Das ist absolut keine Schande. Es ist eigentlich sogar ein sehr starkes Zeichen! Und ich werde dich damit auch gerne jedes Mal nerven", erklärte er und musste zum Schluss grinsen, „Und das kann ich wirklich gut." Damit schaffte er es tatsächlich, dass ich lachen musste. Das sah bestimmt seltsam aus. Einerseits am Heulen und andererseits am Lachen.
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Vielleicht irgendwann (1)
أدب الهواةWie ist es mit einem Menschen zusammenzuleben, der einem nicht gut tut? Zerstörend. Aber wieso schafft man es trotzdem nicht, sich von dieser Person zu trennen, sie aus dem Leben zu streichen? Ganz einfach, weil man diese Person immerhin mal geliebt...