Teil 192

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Wincent

Sie tat es wieder. Sie war davon überzeugt es allein durchstehen zu müssen, obwohl das einfach nur Schwachsinn war. Nichts musste sie allein durchstehen. Wieso verstand sie das nicht? „Sie wird dich gleich mehr brauchen, als du dir gerade vorstellen kannst“, sprach mich ihr Vater an und riss mich so aus meinen Gedanken. Doch ehe ich was sagen konnte, stand Mike bei uns. „Dad. Was läuft hier? Verdammt noch mal, was läuft hier?“ „Das würde ich auch gern wissen“, warf ich ein. „Es stimmt, was Ina sagt. So irgendwie …“ „Was?“, rief Mike aufgebracht. „Die Sache ist die. Wir haben Sofy damals aufgenommen …“ „Aber? Die Fotos von Mum als sie Schwanger war?“ „Alles Fake“, erklärte er, „Eine junge Studentin von mir, hatte mich damals als Vertrauensperson hinzugezogen. Sie war schwanger, aber gerade Mal 19. Sie wollte abtreiben, aber das konnte ich nicht zulassen. Also sprach ich mit deiner Mum. Wir entschieden uns, dass sie so tut als wäre sie ebenfalls schwanger, sodass wir das Kind völlig unbemerkt als unseres ausgeben konnten. Deine Mum spielte nur widerwillig mit. Aber nach ihrem Seitensprung damals fühlte sie sich mir gegenüber schuldig. Na ja. Damit wirklich alles sicher verlief, floss natürlich auch Geld. Ich weiß nicht, woher Ina das weiß. Wir hatten uns damals geschworen, dass es für immer unser Geheimnis bleiben sollte …“ Okay. Konnte mich bitte jemand kneifen, damit ich aus diesem schlechten Traum aufwachte? Das konnte doch nicht wahr sein. Mike schien es ähnlich zu gehen. Zumindest sprach sein Blick Bände. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Ina und ihre Mutter wieder den Saal betraten. Völlig aufgebracht stürmte ich auf Ina zu. „Wo ist Sofy?“ „Ist mir doch egal. Ich hoffe nur, die taucht nie wieder auf“, erwiderte sie gehässig. „Was für ein ekelhafter Mensch bist du? Hast du es so nötig andere Menschen so zu zerstören? Was stimmt denn nicht mit dir?“, schrie ich. „Ach Romeo. Was siehst du in ihr? Guck sie dir doch mal an. Und du Idiot lässt dir zwei Kinder andrehen. Du könntest doch auch mich haben. Ich sehe so viel besser aus.“ „Jemand wie du, wird nie verstehen, was ich in ihr sehe und es ist mir auch egal. Weil deine Meinung für mich keine Rolle spielt.“ „Wincent“, mischte Mike sich nun ein. „Du solltest still sein“, fuhr ich ihn an, „Wessen schuld ist das denn hier? Dein Handeln hat sie mehr verletzt als alles andere. Denk mal darüber nach! Und du brauchst nicht damit rechnen, dass wir morgen zu deinem scheiß Brunch kommen!“
Mit diesen Worten ließ ich sie alle stehen, griff Sofys Tasche und lief nach draußen. Inzwischen regnete es, super Sache. Immerhin hatte ich Glück und musste Sofy nicht lang suchen. Sie hatte sich auf eine Parkbank gekauert und zitterte. Ob vom Weinen oder vor Kälte, konnte ich nicht mal sagen. Ich ging zu ihr, zog mein Jackett aus und legte es ihr über. „Komm“, murmelte ich und zog sie auf die Beine. „Ich geh da nicht mehr rein“, schluchzte sie. „Denkst du ich? Wir fahren nach Hause. Jetzt“, entgegnete ich und damit wir hier nicht ewig im Regen standen, hob ich sie einfach hoch und trug sie zum Auto. Die Rückfahrt verlief sehr schweigsam. Und als wir zu Hause ankamen, schwiegen wir ebenfalls, um niemanden zu wecken. Während ich mir schnell trockene Sachen anzog, stand Sofy bloß am Fenster und starrte nach draußen. „Sofy. Schatz komm du musst dir was anderes anziehen“, murmelte ich und griff nach ihrer Hand, die sie aber gleich wegzog. Ohne ein Wort zu sagen, verschwand sie im Badezimmer. Seufzend ließ ich mich auf das Bett sinken und vergrub einen Moment lang mein Gesicht in meinen Händen. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Es dauerte nicht lang, bis sie wiederkam und sich noch immer wortlos unter die Decke verkroch. „Sofy. Wenn du glaubst, dass du mich jetzt wegstoßen kannst, dann täuschst du dich“, entfuhr es mir. Keine Antwort. Genervt zog ich ihr die Decke weg. „Verdammt, rede mit mir.“ „Was bringt das?“, kam es nur von ihr. „Verdammt viel“, entgegnete ich seufzend, „Weil ich will, dass du verstehst, dass du nicht allein bist. Dein Vater hat es mir erzählt.“ Sie setzte sich seufzend auf. „Ergibt jetzt alles einen Sinn, was?“, schluchzte sie, „Ich hatte ja immer irgendwie das Gefühl, dass ich nicht dazugehöre. Und jetzt … ist es offensichtlich. Ich habe keine Familie.“ „Natürlich hast du eine Familie. Ich bin deine Familie. Niilo und Elina sind deine Familie. Meine Mutter, meine Schwester, Marco, Melina, Elias, soll ich weiter aufzählen? Du bist nicht allein. Ich werde immer an deiner Seite sein, immer für dich da sein“, ich nutzte es aus, dass sie sich hingesetzt hatte und zog sie in eine feste Umarmung. Sie war nach wie vor völlig angespannt. Es wäre ja auch zu schön gewesen. „Aber …wer bin ich?“ „Wer du bist? Du bist Sofy Weiss, verheiratet mit einem unheimlich gutaussehenden Sänger. Du hast zwei wundervolle Kinder und bist der beste Mensch in diesem Universum, den ich kenne“, erwiderte ich, obwohl mir bewusst war, was sie meinte. „Das meine ich nicht“, murmelte sie und blickte mich mit ihrem verweinten Gesicht an. „Ich weiß“, flüsterte ich und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, „Wir finden deine Eltern. Und deine ganze Familie wird dir dabei helfen.“

Vielleicht irgendwann (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt