8|gesichtlose Frauen

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D E M I R

Miststück.
Kleines verdammtes Miststück.

Werde ich am Ende des Monats noch ein ganzer Mensch sein? Bei diesem Werdegang diesem Monster nicht.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Kerem durch die Tür seines Büros auf die Terrasse, die unsere beiden Zimmer miteinander verbindet, kommt und mir das Kühlpack, das er holen wollte, zuwirft. Es verfehlt nur knapp meinen schmerzenden Fuß.
„Pass auf, du Arsch! Gleich bricht mir das auch noch!", schnauze ich ihn frustriert an und lege das Kühlpack vorsichtig auf meinen Fuß, den ich nicht wirklich mehr spüre.
„Hey, du bist selbst schuld! Ich bin nur hier und gebe dir meine Fürsorge.", behauptet er und lässt sich neben mich auf die hölzerne Terrassenbank mit grauen Polstern fallen. Er schaut auf die entfernten Gebäude und die Lichter in den Fenstern, während ich ihn mit Blicken ermorde, denn was soll heißen, das sei meine Schuld? Das ist es ganz sicher nicht!
„Musst du ins Krankenhaus gefahren werden?" fragt er, ohne meinen Blick zu bemerken und ich drehe tonlos den Kopf wieder nach vorne.

„Ich verstehe das nicht! Bedeutet sie meinen Tod oder was? Werde ich jedes Mal verletzt, wenn sich unsere Wege kreuzen?", platzt es aus mir und ich fahre mir durch die Haare, dass sie mir in die Stirn fallen,„Ist sie ein Todesengel oder etwas in der Art?"
„Zu deinem Glück."
Şansıma tüküreyim."

„Übrigens ist die Frau als deine PA nicht gekommen.", wechselt er das Thema, dass ich stöhnend die Augen schließe.
Ich habe die anderen Bewerber gestern und heute gesehen und nicht ein einziger von ihnen hat mir gefallen.
Der eine zeigte kein Interesse, die andere kaute durchgehend laut ihren Kaugummi, was mich fast wahnsinnig gemacht hat, manche waren zu nervös, andere zu enthusiastisch, als könnten sie mich vernichten und meinen Platz bekommen. Es konnten sehr viele von ihnen keine Fremdsprachen neben Deutsch, zwei konnten wiederum kein Deutsch und es war alles in einem eine Katastrophe.
Ich frage mich, ob Kerems süße Blondine wirklich Potenzial hat oder er nur zu geblendet von Brüsten ist. Wäre nicht das erste Mal.

Als ich die Augen öffne, schaue ich zu den wenigen Sternen am Himmel, die man hier in der Stadt erkennen kann.
In unserem Haus kann man den Sternenhimmel sehr deutlich beobachten, weil wir ein Stück außerhalb wohnen und die Lichter am Boden die Lichter hoch oben nicht vergraulen. Mit eines der Gründe, weshalb ich außerhalb der Stadt wohnen wollte.
„Kannst du mir auch etwas gutes sagen?", frage ich lustlos, denn ich brauche etwas, dass mir ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann, wenn ich schon halbtot geschlagen wurde. Kerem überlegt kurz.
„In meiner Schublade habe ich eine halbe Flasche Whiskey und die Frühlingskollektion sieht gut aus."
Er weiß genau was er zu mir sagen muss. Grinsend hebe ich den Kopf wieder an.
„Ich habe auch gute Arbeit geleistet."
„Arrogant."

Ich atme tief durch, bevor ich aufstehe und das Kühlpack an die Seite lege.
Ich werde Plateau verbieten und zu einem Modedesaster ernennen. Das war's damit.
Meine Gesichtsmuskeln verziehen sich, als ich langsam zu meiner Bürotür humple, doch immerhin funktioniert es. Dieses Mal konnte sie meine Knochen nicht brechen.
„Soll ich dich tragen?", fragt Kerem mit ernster Miene und hebt die Arme vor seinem Körper,„Im Brautstyle."
„Verpiss dich."

Die meisten sind um diese Uhrzeit schon weg, doch wenige sitzen noch an ihren Schreibtischen und packen alles zusammen. Kerem und ich wünschen allen eine gute Nacht und es dauert doppelt so lang die Treppen herunterzugehen, als sonst. Der Aufzug sollte langsam auch mal wieder repariert werden.
Livia sitzt an ihrem Platz hinter der Anmeldung und trinkt Tee, als wir an ihr vorbeigehen.
„Gute Nacht, Livia. Bis morgen.", brumme ich und Kerem nickt ihr zu, dass sie schnell ihre Tasse absetzt.
„Gute Nacht, aber einen Moment noch, Herr Sezin! Hier ist noch etwas!", ruft sie uns zurück, dass wir stehen bleiben.
„Welcher Herr Sezin?", fragt Kerem und sie hebt eine schwarze Mappe, die aussieht wie die, die ich auch für meine Zeichnungen benutze. Da Kerem sich um das Management kümmert, interessiert es ihn nicht und er winkt ab.
„Ich fahre das Auto schon vor die Tür. Mach schnell.", verlangt er und ist schon weg, als Livia vor mir steht und mir die Mappe überreicht.

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