1|die schönsten Augen dieser Welt

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D E M I R

„Können wir mit einer bevorstehenden Hochzeit rechnen?"
Erschießt mich. Hier und jetzt, bitte.
Wie kann es sein, dass es keine Gesprächsthemen mehr auf dieser Welt gibt? Oder es gibt sie, aber Leute entscheiden sich dagegen mit mir über alles, was nicht die Ehe betrifft, zu sprechen. Als würde auf meiner Stirn „potenzieller Ehemann" stehen.
Dabei will ich nicht heiraten. Ich will mich nicht verlieben und eine riesige Hochzeit, die die Gesellschaft miterleben kann, feiern. Das ist alles momentan nicht auf meinem Radar.
Mir schwirrt der Kopf vor lauter Kollektionen und neuen Shows, dass ich nicht mehr weiß, wo oben oder unten ist. Der Gedanke daran noch obendrauf zu heiraten, klingt nach Selbstmord.

Lachend lehne ich mich in dem Stuhl zurück und schaue durch die Fenster hinaus zum Rhein, dann zu Melisa, die hinter den Kameras steht und die Augen rollt. Das bringt mich zum schmunzeln.
Sie hat mich genau hiervor gewarnt und zum Glück eingetrichtert, dass ich die Fragen so charmant wie möglich umgehen soll.
„Nicht, dass ich wüsste. Eine Kollektion für den besonderen Tag vieler Paare haben wir auch nicht geplant.", erkläre ich und der neugierige Blick der Journalistin mir gegenüber bröckelt etwas, doch sie fasst sich schnell wieder und sieht flüchtig in die Karteikarten in ihrer Hand.

„Wo wir schon von diesem besonderen Tag sprechen..." Wir können es auch gerne sein lassen. „Gibt es in Ihrem Leben jemanden, mit dem Sie sich vorstellen könnten diesen Weg des Lebens zu gehen?" Ich zögere meine Antwort hinaus.
Diese Fragen... Sie machen mich wahnsinnig. Dennoch verstehe ich, dass sie gefragt werden müssen. Das ist, was die Menschen interessiert. Ein reicher Single? Dann ist sein Liebesleben das Interessanteste über ihn geworden.
Wenn es nach mir geht, dann stehe ich jetzt auf und gehe.
Aber ich würde wahrscheinlich nicht weit kommen.
Melisa würde mich am Ohr zu fassen bekommen, bevor ich den Raum verlasse und wieder hierher setzen.

Ich wünschte Kerem wäre hier, nicht ich.
Er liebt Interviews und Aufmerksamkeit, denn Kerem ist der geborene Charmeur. Natürlich bin ich kein emotionales Holzbrett, aber ich bin auch nicht wie er. Niemand kann so sein wie Kerem. Das wäre eine Kunst und ein Fluch zugleich.
Flüchtig blicke ich auf meine Armbanduhr. Erst fünfzehn Minuten, die ich hier sitze? Die Zeit will wohl nicht vergehen.

„Momentan konzentriere ich mich vollkommen auf Sezin und die kommende Fashion Week. Für jemanden mit einem derart großen Wert ist kein Platz.", antworte ich galant und klopfe mir innerlich selbst auf die Schulter. Doch diese Journalistin -dessen Name ich vergessen habe- lässt einfach nicht locker.
„Zuletzt wurden Sie mit dem russischen Model-"
„Wenn Sie keine weiteren Fragen zur Kollektion haben...", schneide ich ihr scharf das Wort ab, auch, wenn Melisa mich immer wieder ermahnt hat den Journalisten nicht ins Wort zu fallen. Ich weiß jetzt schon, dass sie mich auf der Autofahrt dafür dumm anmachen wird, aber ich kann das nicht länger über mich ergehen lassen.

Schnell rudert sie zurück und blättert ihre Karteikarten wieder durch.
„Aber natürlich.", murmle sie und liest schnell die Karte,„Was können wir für Ihren allerersten Beitrag zur Fashion Week in Mailand erwarten?"
Endlich ein Thema über das ich gerne spreche.
„Es ist mir vorab eine Ehre neben anderen großen Modeikonen unsere Kollektion vorstellen zu können.", stelle ich klar und rutsche in dem Sessel hoch,„Unsere kommende Frühlingskollektion ist inspiriert an romantischen Gärten. Uns war wichtig luftige Kleidung, die schick, doch zeitgleich auch schlicht aussieht, herzustellen und ich kann guten Gewissens sagen, dass wir unsere Erwartungen getroffen haben."
Sie nickt lächelnd.
„Wir sind alle sehr gespannt drauf Ihre Kollektion Ende nächsten Monat auf dem Laufsteg sehen zu können. Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Sezin."
Sofort schüttle ich ihre ausgestreckte Hand, ein wenig zu enthusiastisch.
„Ich danke Ihnen."

Die Kameras gehen aus und sofort kommen die Stylisten aus der Maske zur Journalistin, um ihr Make-up aufzufrischen. Melisa kommt zu mir und ich stehe auf, knöpfe mein dunkelblaues Jackett zu.
„Das gehört zu deinen Top drei besten Interviews. Ich befürchte nur zu zwanzig Prozent, dass ich dich wieder von irgendwelchen öffentlichen Schlamassel retten muss.", sagt sie und wischt nicht vorhandene Staubkörner von meinen Schultern.
„Das geht mir auch so.", stimme ich mit einem Grinsen zu. Sie schaut zum Fernsehteam.
„Ich rede noch schnell mit dem Team und dann könnten wir was essen gehen, was meinst du?"
„Das wäre super. Hier wäre doch ganz praktisch. Das passt mir zeitlich besser." Ich deute zur geschlossenen Tür, die den Privatbereich des Restaurants von dem Innenraum trennt.
„Okay. Dann such du uns schon mal einen Tisch. Am besten auf der Terrasse. Wir sollten das Wetter genießen, solange es noch warm genug ist."

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