SECRET DESIRE

128|alles und noch mehr

M I R A

Es sind erst fünf Tage vergangen, seit ich Demir das letzte Mal vor mir stehen hatte, doch es fühlt sich an, als wäre es ein ganzes Leben her gewesen und ein sehnsüchtiges Ziehen erfasst meinen ganzen Körper. Mein Herz zieht sich krampfhaft zusammen und ich will in seine starken Arme laufen und meine Wunden von ihm versorgen lassen, während ich mich um seine kümmere.

So wie ich für Demir gefühlt habe, hat mich glauben lassen, dass wir zwei für eine Ewigkeit geschaffen worden wären.
Ich spüre es immer noch.
Dieses Kribbeln, das mich ihm näherbringen will, als wäre mein Platz an seiner Seite. Ich frage mich, ob er es auch spürt. Dieses pulsierende und präsente Gefühl in mir, dass nach ihm schreit. Ob er genauso fühlt und den selben Drang empfindet wie ich.

Demir macht einen Schritt auf uns zu und ein zögerliches Lächeln erscheint für eine Sekunde auf seinem wunderschönen Mund, bis er die Brauen wieder sorgenvoll zusammenzieht und von dem kaum da gewesenen Lächeln nichts mehr bleibt.

Yaz drückt fester um meinen Arm, in den sie sich eingehakt hatte.
„Lass ihn uns einfach ignorieren und reingehen.", flüstert sie mir zu und ich spüre ihren eindringlichen Blick auf mir. Ich kann von ihm nicht absehen, selbst wenn ich es so gewollt hätte. Er könnte weg sein, wenn ich die Augen auch nur für eine Sekunde von ihm nehme und das will ich nicht.

„Er ist hier.", ist alles, was mir einfällt zu sagen. Nach allem, was er an dem Abend empfunden und gesagt hat, ist er hierher gekommen.
„Scheißegal. Du musst nicht mit ihm reden." Ich sehe sie an und Yaz wirkt nicht begeistert von dem, was sie aus meinem Gesicht liest.

„Wenn er dich wieder anschreit, dann breche ich ihm die Nase.", stellt sie seufzend klar und es ist beängstigend wie sehr ich ihr das glaube. Yaz sieht aus, als würde sie mehr tun, als ihm "nur" die Nase brechen. Er braucht nur noch einen Schritt näher kommen und sie wird auf ihn losgehen.

„Ich habe auch Fehler gemacht, Yaz."
„Das ist mir egal. Er hat dich zum weinen gebracht." Ich kann nicht anders als kurz zu schmunzeln.
„Ich habe ihn zuerst verletzt." Sie sieht mich wütend an.
„Ich war nicht dabei, also kann ich das nicht bestätigen.", merkt sie stur an und sieht wieder nach vorne zu ihm,„Wie gesagt. Ich warte an der Tür auf dich und werde ihm wehtun." Wenn er mich anschreit, will ich hinzufügen, aber ich denke nicht, dass Yaz den Teil vergessen hat, sondern absichtlich auslässt. Ihr wäre zu diesem Zeitpunkt jeder Grund recht, um auf ihn losgehen zu können.

Sie wirft Demir giftige Blicke zu, während sie zur Haustür geht und dort wie versprochen stehenbleibt. Mit Argusaugen starrt sie uns an, während wir Schritt für Schritt aufeinander zugehen, bis wir mit einer Armlänge zwischen uns stehenbleiben.

„Mira." Scheiße, dieses dumme Herz in meiner Brust versteht nichts, wenn es zu ihm kommt. Alles, was es mir gerade zuruft ist, dass ich mich an ihn schmiegen sollte. Ihn bitten sollte meinen Namen immer und immer wieder in dieser rauen Stimme zu sagen. Das R so wundervoll zu rollen und mir zu verzeihen, dass wir wieder glücklich werden können. Dass wir immer noch eine Chance haben und es retten können. Uns retten können.

Mitten auf der Straße zu weinen will ich wirklich ungern tun. Die Oma von gegenüber hat bestimmt schon gespürt, dass sie an ihrem Fenster hängen sollte, wie die anderen zwanzig Stunden an ihren Tagen auch. Ich will ihr keine Show bieten und ihr Interesse an mir wecken, also nein. Kein Geweine.

„Demir.", sage ich, nachdem ich die Emotionen geschluckt habe und meine Stimme ist erstaunlich fester, als ich annahm.
Er sieht aus der Nähe betrachtet nicht aus, wie sonst. Seine Nase ist etwas rot, als wäre er erkältet und der leichte Bart, den er sonst trägt, ist in nur ein paar Tagen dichter geworden, als es in den letzten Monaten je gewesen ist.
Ich bin mir sicher, dass ihm meine ungewaschenen Haare und das blasse Gesicht genauso auffallen, wie mir selbst die Falte in seinem Hemd ins Auge sticht. Ihm ging es die letzten Tage also auch nicht gut.