44|das Sezin-Blut ist verflucht

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M I R A

Ich klopfe den Papierstapel am Tisch ab und lege es in eine blaue Mappe, die ich gleich zu Herr Sezin bringen muss, damit er es unterschreibt, und ich alles abheften kann.
Ich dachte ich wäre durch damit seine Assistentin zu sein, doch hier bin ich. Mit allen Gliedmaßen und einem schlagenden Herzen hinter der Brust, in einem Büro mit einem Fenster in das Zimmer meines Chef, das ich noch immer mein nenne, und sortiere Akten und plane seine Wochen.

Diese verrückte Idee vom Pärchen-Spielchen ist nun ein Tag her und auch, wenn ich eine Nacht darüber geschlafen habe, kann ich nicht fassen, dass ich zugestimmt habe. Aber was soll ich denn tun, wenn Frau Nowak uns auch mit den hilflosen Kindern kommt?
Scheiß auf die Kinder? Sicher nicht.

Es ist nur ein Monat und wir werden immerhin nicht sagen müssen, dass wir zusammen wären. Es soll bloß so aussehen als ob, um die Gerüchteküche brodeln zu lassen, mehr nicht.

Ich spiele eine Beziehung mit meinem Chef vor.

Wieso rutsche ich mit ihm von einem Abenteuer in das nächste?
Gestern sollte ein Schlussstrich gezogen werden, doch hier bin ich. Sortiere seine Unterlagen und bespreche alles mögliche für die Wohltätigkeitsveranstaltung Ende diesen Monats. Ich könnte aufschreien, doch gleichzeitig überkommt mich auch eine unbekannte Ruhe, während ich hier Dinge erledige, die sich schon wie eine Routine anfühlen.
Ich habe sogar schon meine eigene dunkelgrüne Kaffeetasse hier.

Das Telefon klingelt und ich setze mich zurück an meinen Schreibtisch, um in Ruhe zu telefonieren.
„H-", ist alles, was ich sagen kann, bevor die Frau an anderen Ende der Leitung zu plappern beginnt.
„Wenn ich nicht anrufen würde, würde ich nicht einmal Bescheid wissen, wenn du stirbst!", blafft sie mich sofort an, dass ich stirnrunzelnd die Nummer ansehe. Ich kenne sie nicht. Ist sie bekloppt?
Normalerweise leitet Livia alle Gespräche weiter, damit ich nicht mit unnötigen Anrufen genervt werde, aber ich bezweifle stark, dass sie diese Verrückte zu mir weitergeleitet hat. Woher hat sie dann aber die Nummer?

„Und jetzt redest du nicht mal! Es gab mal eine Zeit, in der du mich sehr geliebt und wertgeschätzt hast und Kerle verprügelt hast, die mir hinterher pfiffen.", behauptet sie, aber ich habe ganz sicher keine Kerle für diese Frau hier verprügelt,„Und jetzt höre ich vielleicht einmal im Monat von dir! Gut, ich könnte auch mehr als einmal anrufen, aber das ist schon mehr, als du im Gegensatz tust!"
Sollte ich einfach auflegen? Der Drang danach ist groß.

„Du hast mir auch kein Souvenir zuschicken lassen!", beklagt sie sich und ich seufze,„Hier in England nennt man Leute wie dich ein asswipe."
Okay, das reicht.
„Wenn Sie sich jetzt nicht sofort bei mir entschuldigen, dann werde ich Sie auffinden und Ihnen zeigen, was so ein asswipe wirklich macht.", drohe ich ihr und umfasse das Telefon fester.

Die Frau ist leise und ich denke schon, dass ich sie sprachlos gemacht habe.
Was denkt sie denn wer sie ist, um mich so anzublaffen? Ich habe besseres zu tun, als einer Bekloppten dabei zuzuhören, dass ich nie anriefe, wenn ich sie doch gar nicht kenne!
Sie muss Livia irgendwie entwischt oder versehentlich zu mir geschickt worden sein, anders kann ich es mir nicht erklären.

„Wer sind Sie denn?", fragt sie plötzlich, als hätte ich sie aus dem Nichts kontaktiert, statt andersherum.
„Mira Acar. Sie haben hier bei Sezin Holdings Tochterunternehmen, der Modemarke Sezin, angerufen und sprechen mit Demir Sezins persönlicher Assistentin.", erkläre ich und hoffe stark, dass sie sich nun hundert Mal entschuldigt und schnell auflegt, damit ich meinen Aufgaben wieder nachgehen kann.
Doch da habe ich mich geschnitten.

„Seine Assistentin?", wiederholt sie stattdessen laut,„Ich spreche mit seiner Assistentin?"
„Ja."
Wie auf Knopfdruck kreischt sie mir in mein Ohr, dass ich zusammenfahre und das Telefon fast durch das Zimmer werfe.
Ich greife gleich durch das Telefon und ziehe diesem Miststück die Zunge raus! Wie kann sie es nur wagen?
„Was soll das? Sie machen mich noch taub!", schnauze ich sie an und balle mit der Hand auf dem Tisch eine Faust.

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