63|ein Teil ihrer Vergangenheit

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M I R A

Mein Exfreund sitzt mir gegenüber am Tisch und lächelt mich an.

Ich hätte niemals gedacht, dass ich ihn je wiedersehen würde. Er war nur noch eine Erinnerung gewesen, doch jetzt ist er mit Haut und Haar vor mir.
Und er sieht anders aus, erwachsener, männlicher und auf jeden Fall selbstbewusster.

„Wie lange ist es her?", fragt er und schaut nicht eine Sekunde von mir ab.
„Sechs Jahre." Er pfeift und runzelt die Stirn.
„Sechs Jahre und du bist immer noch so schön wie damals. Wenn nicht sogar noch hübscher.", schmeichelt er mir, dass ich kurz lächle.
„Du siehst auch gut aus. Der Bart steht dir.", gebe ich zurück und deute auf seine Wangen. Sein Lächeln wird noch größer und es erinnert mich an den kleinen Jungen, in den ich mich verliebt hatte.

„Danke. Aber du, Mira... Jeder Kerl hat mich gehasst, weil du mit mir zusammen warst." Er lacht dabei, doch ich erinnere mich an die bösen Blicke, die er immer zugeworfen bekommen hat.
„Das stimmt doch gar nicht.", lehne ich dennoch ab und schmunzle.
„Doch sicher. Irgendwann musste ich mit einem offenen Auge schlafen, damit ich nicht im Schlaf ermordet werde." Ich lache auf.
„Du übertreibst."

Er sieht sich im Café um und umfasst die zwei Coffee-to-go Becher, die Aras ihm zubereitet hat. Ich frage mich für wen das andere ist? Ob er mittlerweile eine Frau an seiner Seite hat? Alex war nie ein sonderlich großer Frauenheld. Er war viel zu schüchtern, um anständig flirten zu können, doch das fand ich immer so niedlich an ihm.

„Und was machst du so? Wie läuft das Leben?", fragt er und ich rühre in meinem Frappuccino.
„Ich wohne seit vier Jahren mit Yaz zusammen. Wir wohnen hier über dem Café.", erzähle ich und deute hoch zur Decke,„Ich habe studiert und meinen Abschluss diesen Sommer gemacht. Seit knapp zwei Monaten arbeite ich jetzt bei Sezin." Mehr oder weniger.

„Die Marke, oder?", fragt er, dass ich nicke,„Als Modedesignerin, hoffe ich doch. Das war schließlich dein Traum."
Er hat es sich gemerkt.
Als Alex mich damals verließ, dachte ich oft, dass unsere Beziehung nur aus einem Geben und Nehmen entstanden ist. Wir beide waren durstig nach Liebe und dem Verlangen irgendwo hinzugehören und als er die Liebe einer Familie gefunden hat, da hatte ich keinen Nutzen mehr für ihn und wurde vergessen. Aber anscheinend ist es nicht so. Er hat sich meine Träume und Wünsche gemerkt und lächelt mich so an, wie es der schüchterne Junge früher immer getan hat.

„Was verschlägt dich hierher? Ich dachte du wärst mit deiner Familie nach Düsseldorf gezogen.", hake ich nach, denn das war mein letzter Stand der Dinge. Aber mein Stand ist auch sechs Jahre her.
„Das sind wir auch, aber mein Bruder und ich sind vor einem halben Jahr wieder hierhergezogen. Wir wohnen auch gar nicht so weit von hier." Und wir begegnen uns erst jetzt.

Sein Handy klingelt und er holt es aus seiner Hosentasche hinaus.
„Das ist er auch schon. Wir wollten uns in der Stadt treffen, um unseren Eltern ein Hochzeitsgeschenk zu kaufen.", erklärt er und drückt den Anruf weg, schreibt seinem Bruder aber noch eine kurze Nachricht. Ich lächle auf, als ich ihn beobachte.
„Du stehst deiner Familie sehr nah, oder?" Er sieht wieder auf und seine Mundwinkel steigen wieder an.

„Ja. Sie sind die wundervollsten Menschen, denen ich je begegnet bin.", antwortet er und steht auf,„Ich sollte jetzt langsam los. Du hast nicht mehr deine alte Telefonnummer, oder?"
Lachend verneine ich und nehme sein Handy, um meine Nummer einzugeben und den Kontakt zu speichern.

„Ich hoffe ihr findet etwas für sie.", sage ich, als wir uns zum Abschied umarmen.
„Danke, zólatze." Er grinst kurz und geht mit den zwei Kaffeebechern in den Händen aus dem Laden. So hat er mich früher immer genannt.
Ich kann nicht glauben, dass ich Alex begegnet bin. Ein Teil meines Lebens, das mich immer daran erinnern wird, dass ich schlussendlich alleine bin.
(Russisch: Goldchen)

___

„Ich komme am Freitag wieder zurück!"
Yaz hetzt durch ihr Zimmer und sprüht Parfüm hinter ihre Ohren und legt sich gleichzeitig einen Schal um den Hals.
„Jetzt geh endlich. Du verpasst sonst noch deinen Flug.", warne ich sie und trete aus der Tür hinaus, damit sie mich nicht umläuft, als sie in den Flur rennt.

Sie bückt sich um Stiefel anzuziehen und ich hole ihren Koffer und ihre Handtasche, bevor ich mich gegen die Wand lehne und ihr zusehe.
„Ich habe alle Pflanzen schon gegossen, also brauchst du es nicht mehr tun und im Kühlschrank sind auch noch Reste von gestern.", zählt sie auf, dass ich die Augen verdrehe.

„Ich bin doch kein Kleinkind! Ich kann kochen und mich für ein paar Tage alleine um die Wohnung kümmern.", stelle ich klar,„Ich bin ja jetzt sowieso arbeitslos, also habe ich auch nichts anderes zu tun."
Meine Kündigung ist jetzt schon vierundzwanzig Stunden her und das alles scheint Wirklichkeit zu werden. Ich bin heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen und habe keine Drohnachrichten von Herr Sezin bekommen, dass ich hingehen soll.

Yaz stellt sich wieder auf, als sie die Stiefel anhat und zieht einen Schmollmund, während sie mir in die Wangen kneift.
„Armes Baby. Das hast du aber davon, wenn du Menschen zu Dingen drängst, die sie nicht wollen.", belehrt sie mich und dreht sich zum Spiegel, um ihre Haare nochmal zu richten.

„Wenn du Nachts Angst hast, dann ruf Aras einfach an. Er kann in meinem Bett schlafen."
Aufgebracht stoße ich mich von der Wand ab.
„Ich habe keine Angst alleine!", protestiere ich und greife nach dem Schuhlöffel, um warnend damit zu wedeln,„Ich war schon ein paar Mal alleine zuhause und ich habe es überlebt, also mach dir jetzt keine Sorgen und geh endlich!"
Sie schultert ihre Tasche und nimmt den Koffer in die Hand.
„Ich gehe dann jetzt."
„Hoffentlich." Sie streckt mir die Zunge raus und ich tue es zurück, während ich die Tür öffne und sie hindurch schiebe.

Bevor sie aber geht, umarmen wir uns noch fest und ich richte ihren Schal.
„Viel Spaß in Paris und steck den heißen Male-Models meine Nummer zu.", verlange ich und sie geht lachend zur Treppe.
„Wenn ich sie nicht kriege, dann tue ich es, versprochen."
Ich schaue ihr hinterher, bis sie nicht mehr auf den Treppen zu sehen ist und mache dann erst die Tür zu.

Bis Freitagmittag bin ich also alleine.
Was soll ich denn jetzt zwei Tage lang machen?
Yaz' Agent hat gute Arbeit darin geleistet ausgerechnet dann ein Shooting in Paris zu finden, wenn ich keine Aufgaben mehr zu erfüllen habe.

Ich sollte mich nach Jobs umsehen.
Ich könnte auch die Wohnung staubsaugen und mein Zimmer umstellen. Mein Bett steht schon seit vier Jahren an der selben Stelle.
Hops war auch lange nicht mehr da. Ich sollte später mal schauen, ob etwas von der Futterschale, die ich gestern hinausgestellt habe, gegessen wurde.

Aber allem voran, sollte ich ein dampfendes Schaumbad nehmen, Wein trinken und mich über Herr Sezin aufregen, weil er jetzt sicher schon eine Assistentin gefunden hat.
Mission fehlgeschlagen.

Im Badezimmer lasse ich Wasser in die Badewanne fließen und gebe noch ein Badesalz hinzu, dass mein ganzes Badezimmer innerhalb von Sekunden gut riecht. Gleich könnte ich auch noch Kerzen anmachen.
Während das Wasser fließt, ziehe ich mich aus und binde meine Haare zu einem Dutt hoch, als es plötzlich klingelt.
Verdammt Yaz. Sie hat es nicht einmal für zehn Minuten ausgehalten weg zu sein.

Ich schnappe mir ein Handtuch vom Haken und binde es um meinen Körper, damit ich zur Tür gehen kann.
„Was ist dein Problem, mh?", keife ich sofort los, als ich die Tür öffne, doch es sind nicht Yaz' Augen, in die ich sehe, sondern rotbraune, die mit jeder Sekunde größer werden und von meinem Gesicht herunter über meinen Körper sehen.
Sofort lege ich eine Hand an mein Handtuch, damit es sich nicht dazu entscheidet genau jetzt zu fallen, denn das wäre die Krönung des Ganzen.
Was macht er denn hier?




Alex ist doch ein ganz Süßer, oder nicht?
Wie Demir ihn wohl finden wird...?
Doch erstmal haben wir ihn hier bei Mira vor der Tür!

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