19|Schwimmkurse mit keinen Schwimmkenntnissen

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M I R A

Ich hüpfe in dem Wasser, das mir bis unter die Brust reicht und entspanne mich jedes Mal aufs Neue, als ich den Boden unter den Füßen spüre.
Ich bin umgeben von Wasser, was mich an anderen Tagen in kleine Panikattacken versetzen würde, doch ich erinnere mich nun jedes Mal daran, dass mein Gesicht und meine Schultern noch trocken sind, was gut ist und so auch bleiben wird, weil das Wasser nicht so tief ist und ich auf keinen Fall meinen Kopf nach unten stecken werde.
Im Wasser zu sein versetzt mich erst dann in totale Panik, wenn ich auch nur für eine Sekunde keine Luft bekomme, bis zum Hals im Wasser stehe und das schlimmste von allem ist, wenn ich keinen Boden unter den Füßen habe und darauf angewiesen bin zu schwimmen.
Es gibt nichts schlimmeres, als diese Nahtoderfahrung.

Neben mir sind noch Yaz und zwölf andere Besucher des Fitnessstudios im Hallenbad und machen die Übungen der Fitnesstrainern, die am Beckenrand steht, nach.
Nun überkreuzt sie die Beine immer wieder und da unsere Beine unter Wasser sind, ist es gleich viel schwerer diese simple Geste zu tun. Es fühlt sich wie in Zeitlupe an und beansprucht mehr Kraft, als gedacht.

„Das ist doch nicht so leicht, wie ich dachte.", sage ich leise zu Yaz, die konzentriert neben mir ihre Übungen macht.
„Aber es macht Spaß." Natürlich macht ihr das Spaß. Yaz liebt alles, was sie fit hält. Ich habe gehört, dass man irgendwann beginnt die Gewohnheiten seiner Mitbewohner zu übernehmen, aber Yaz' Begeisterung und Ehrgeiz für Sport und gesunde Ernährung kriege ich einfach nicht.
„Alles andere hätte mich auch gewundert." Yaz grinst und wir machen still weiter.
Die Trainerin greift von hinten ihr Fuß und zieht es, dass ihre Ferse ihren Hintern berührt. Zögerlich tue ich es ebenfalls und strecke den Arm vor mir aus, um mein Gleichgewicht halten zu können, ohne ins Wasser zu fallen.

„Adrian hat mich heute Morgen angerufen.", sagt Yaz und ich schaue nach rechts zu ihr,„Wir müssen einen neuen Termin zur Anprobe machen, sagt er." Ich nicke langsam.
„Ja, wir haben vorgestern beschlossen, dass eine kurze Anprobe ohne Fotos wichtig wäre.", erkläre ich ihr und wechsle das Bein,„Aber wann und wo die Kleider noch gemacht werden, wissen wir noch nicht."
„Immerhin ist es jetzt schon aufgefallen, dass die Kleider zerschnitten wurden. Es wäre ein Skandal gewesen, wenn man es erst in Italien gemerkt hätte.", behauptet sie und ich will mir nicht einmal vorstellen was für eine Blamage das gewesen wäre. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor meinen Augen.

Nach einer Stunde ist die Übung vorbei und alle schwimmen aus dem Schwimmbecken, was ich ebenfalls tun will, doch Yaz hält meine Hand fest.
„Wollen wir nicht noch etwas schwimmen?", fragt sie, dass ich ihr eine Grimasse schneide.
„Ja sicher. Und danach lerne ich fliegen."
Abart.", meint sie und schwimmt wie eine Angeberin auf ihrem Rücken, während ich mich am Rand festhalte.
„Meine Zeit im Fitnessstudio ist voll. Ich gehe jetzt.", beschließe ich, dass sie Wasser auf mich spritzt, doch es trifft mich nicht, weil sie so weit entfernt ist.
„Du verkürzt deine Zeit immer!", jammert sie.
„Und du verlängerst sie!"

„Das ist gut für unsere Körper, Mirachen.", behauptet sie und schwimmt schnell zu mir, um mich am Bauch zu piksen. Sofort spanne ich mich an und zucke leicht zusammen, dass ich sie böse ansehe.
Ich bringe sie um, wenn mein Gesicht nass wird.

„Ich spüre schon kleine Bauchmuskeln.", sagt sie und grinst breit.
„Ich will kein Waschbrettbauch, danke."
„Musst du auch nicht haben. Habe ich auch nicht.", entgegnet sie und ihre Stimme hallt durch die leere Halle,„Das hier ist perfekt, Mirachen. Wir sind alleine, das Wasser ist nicht so tief und ich kann dich festhalten."
Bittend sieht sie mich an und ich verstehe, dass sie mir helfen möchte, doch ich möchte das nicht, das muss sie verstehen.
„Nein. Meine Hände sind schon schrumpelig, ich will raus.", lehne ich stur ab und gehe ganz langsam zur Leiter hin.
„Schwimmen ist überlebensnotwendig."
„Gut, dass wir nicht an der Küste wohnen."

Yaz zieht einen Schmollmund, doch nach fünfzehn Jahren Freundschaft zieht das bei mir nicht mehr. Als sie merkt, dass ich nicht weich werde, wechselt sie ihre Taktik und formt einen Trichter vor ihrem Mund.
„Buhh! Du bist ein Loser! Du kannst nicht schwimmen!", buht sie mich aus, doch es lässt mich kalt, da ich weiß, dass Yaz nicht wirklich so über mich denkt, sondern nur probiert mich unzustimmen.
„Oh nein, du brichst mir das Herz.", sage ich monoton und erreiche mit angezogenen Armen die Leiter.

Gerade halte ich mich fest und will mich hochziehen, da fällt mein Blick flüchtig auf eine Bewegung, die hinter der verglasten Wand ist.
Hätte ich wirklich nur ganz kurz hingesehen, hätte ich gar nicht bemerkt, dass es meine zwei Vorgesetzten sind, die da entlanggehen.

Einer der zwei Sezins muss meinen Blick auf sich spüren, denn Kerem Sezin sieht hinein und hält sofort inne, als er von mir zu Yaz sieht.
Schneller als beabsichtigt schaue ich ebenfalls zu Yaz, die nun steif im Wasser steht und gar nicht mehr so fröhlich aussieht.

Sofort ergreife ich die Chance und winke dem Mann ganz auffällig zu.
„Mira!", keift Yaz, doch das hat sie davon, wenn sie versucht mich mit meinen Ängsten zu erniedrigen.
„Hallo Herr Sezin!", rufe ich noch und mein Herr Sezin dreht den Kopf nun auch zu mir, dass ich sofort innehalte. Verwirrt sieht er mich an und ich schaue sofort zurück zu seinem Cousin.
Kerem Sezin! Der bessere Herr Sezin!", füge ich hinzu.
„Hallo Demir!", ruft Yaz plötzlich, dass ich entsetzt zu ihr sehe.




Hello people.
Mira kann gar nicht schwimmen... whoops
Ich bin vor zwei Monaten oder so fast beim Schwimmen im Hallenbad mit meinen Freunden ertrunken und no joke, das war gar nicht witzig.
Mein erster Gedanke war: Wie peinlich, Damla. Du ertrinkst in einem scheiß Schwimmbecken, neben dir ein Kind, das den Spaß seines Lebens hat.
Mein zweiter Gedanke: Wieso gucken die Rettungsschwimmer mich nur an und helfen nicht? Ich habe Wasser in den Lungen und kann nicht mehr atmen.
Mein dritter Gedanke: Mira soll nicht schwimmen können.
Genau in dieser Reihenfolge und nicht anders. Selbst beim Sterben, denke ich an Bücher. 🤡

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