48|„Sie scheint wohl dein Boss zu sein."

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D E M I R

Da steht sie.
In einem gerippten Strickkleid mit beigen Stiefeln kombiniert mir gegenüber und liest mir die anstehenden Termine für die Woche vor, während ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann, wenn ihre Lippen sich bewegen und ihre schlanken Finger über den Bildschirm des iPads wischen.
Sie verlegt ihr Gewicht auf das andere Bein, dass sich der Stoff des Kleides um ihre Hüften schmiegt.

Alle im Unternehmen reden darüber, dass wir am Wochenende ausgegangen ist und sie schaut mich nicht einmal an.
Ich fühle immer noch den sanften Druck ihrer Unterlippe an meiner Daumenkuppe.
Reiß dich zusammen, Demir!
Was ist nur los mit mir? Es war nur eine kurze Berührung, na und? Nichts, dass mich nun so aus der Bahn werfen sollte.

„Herr Sezin?"
Sofort fasse ich mich und fokussiere meinen Blick wieder auf sie. Hoffentlich hat sie nicht bemerkt, dass ich sie nur blöd angestarrt und nicht zugehört habe.

„Ich habe die Verkaufszahlen der letzten Kollektion von dem netten Herr Sezin bekommen. Wollen Sie es sich ansehen oder soll ich es gleich abheften?", fragt sie und hebt eine blaue Mappe in ihrer Hand.
„Geben Sie es mir.", verlange ich, dass sie die paar Schritte zu meinem Tisch kommt, um die Mappe hinzulegen.

Ich greife danach, bevor sie loslässt und unsere Finger streifen einander.
Es prickelt unter meiner Haut und ich ziehe sofort die Hand zurück, während ich zu ihr aufsehe.
Sie sieht mich unter den dichten Wimpern aus ihren meerblauen Augen an, genau so, wie auch am Freitagabend, als ich über ihre Lippe wusch.
Mist, diese großen blauen Augen.
Wieso muss sie nur so schöne Augen haben?

Sie hält mich dermaßen in ihrem Blick gefangen, dass das Klopfen der Tür dem Platzen einer Bombe ähnelt und ich kurz zusammenfahre.

„Herein!", rufe ich und lehne mich wieder zurück, als auch Frau Acar einige Schritte zurücktritt. Melisa kommt hinein, auf ihren Lippen ein Grinsen, das mir nicht gefällt.
„Raus.", sage ich sofort, doch sie hört nicht hin.
„Zu spät.", meint sie und sieht Frau Acar an,„Wie schön, dass auch Sie schon hier sind."
„Guten Morgen.", murmelt sie, denn Melisas Erscheinen verheißt nichts gutes mehr für uns.

„Dienstag gibt es eine Kunstausstellung im Rheinpark.", beginnt sie und sieht uns an, als würde sie erwarten, dass wir Freudensprünge machen.
„Schön. Du kannst hin.", erlaube ich ihr und deute zur Tür, doch sie setzt sich mir gegenüber auf den Sessel und überschlägt die Beine.
„Ich gehe auch mit Kerem, aber du und Frau Acar geht auch hin. Bei Abenddämmerung.", plant sie und Frau Acar zieht die Brauen zusammen.

„Wieso müssen wir denn immer am Abend ausgehen?", fragt sie.
Ist das jetzt etwa das einzige Problem?
„Weil wenn ihr tagsüber zusammen seid, wirkt es nicht, als würdet ihr etwas verstecken wollen. Nachts ist die Zeit für Geheimnisse.", belehrt sie uns und grinst, als verwandele sie sich nachts in übernatürliche Wesen und betritt eine Parallelwelt.
„Gut. Wann komme ich von der Messe?", frage ich Frau Acar, dass sie schnell in ihrem iPad nachsieht.
„Um siebzehn Uhr."

„Perfekt! Schön, dass es so einfach klappt.", sagt Melisa begeistert und steht wieder auf,„Könnten Sie gleich noch einmal in mein Büro kommen? Ich habe wieder total viele Anfragen für Interviews mit Demir und würde gerne besprechen wann es am besten passt."
„Sicher.", antwortet Frau Acar nickend. Melisa dreht sich zu mir um.
„Und wir beide werden dann darüber reden, was du sagen darfst und sollst. Es werden sicher ganz viele Fragen zu Frau Acar kommen." Ich nicke, dass sie endlich wieder geht.

Frau Acar dreht den Kopf wieder zu mir und zwingt sich ein kleines Lächeln auf.
„Wir haben wohl wieder ein Date." Sie lacht auf, doch es klingt angespannt.
„Sieht so aus.", stimme ich zu.

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