46|Herzrasen und kribbelnde Berührungen

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M I R A

Die Einrichtung der Glaskugel ist mit dunklen Rot- und Brauntönen sehr koreanisch inspiriert und an die Decke ist ein riesiger roter Drache gemalt, von dem ich gar nicht absehen kann, während wir dem Mann an den Tisch folgen. Meinen Kopf habe ich zurückgelegt und staune über die präzisen und durchdachten Linien. Es sieht so echt aus.

„Vorsicht.", flüstert Herr Sezin und seine Hand liegt plötzlich an meinem unteren Rücken.
Sofort drehe ich den Kopf zu ihm und er schaut mich flüchtig von der Seite an.
„Sie stolpern gleich noch.", meint er und ich sehe zögerlich vor mich, um nicht, wie er vermutet, zu stolpern. Seine Hand ruht die ganze Zeit über an mir und ich bin mir seiner Berührung überdeutlich bewusst. Reiß dich zusammen, Mira!

Der Mann bleibt stehen und wir sind vor einem runden Tisch, recht nah am Eingang, statt auf der anderen Seite, die zum hübschen Außenbereich zeigt. Das muss Frau Nowak verlangt haben, damit auch jeder, der durch die Tür kommt, uns sieht.

„Dafür wird sie bezahlen. Manyak.", murmelt er, als er mir den Stuhl zurückschiebt und ich mich setze. Ich bin mir sicher, dass er von Frau Nowak spricht und ich kann nicht sagen, dass ich nicht das selbe denke. Wobei ich es natürlich nie äußern könnte wie er.
Er legt seine Jacke um den Stuhl und nimmt gegenüber von mir Platz.
(türkisch: Gestörte)

„Woher kennen Sie sie?", frage ich, sobald wir alleine gelassen werden und lege meine Unterarme vor mir am Tisch ab.
„Wen?"
„Frau Nowak.", antworte ich,„Sie und der nette Herr Sezin sind Cousins, das weiß ich. Aber Sie und Frau Nowak scheinen auch sehr vertraut miteinander zu sein, daher nehme ich an, dass Sie sich schon länger kennen."

„Seit der Grundschule kennen wir uns.", erzählt er und ein kleines Lächeln umspielt seinen Mund,„Damals waren wir zu dritt, Kerem, Mel und ich. Dann kam es zur Totenstille zwischen uns, als meine Familie nach England zog."
„Wann war das?"
„Als ich zwölf war. Kerem ist zwei Jahre früher mit seiner Mutter nach London gezogen und wir beide sind dort geblieben, bis wir achtzehn waren. Danach sind wir zum Studieren zurück nach Deutschland gekommen.", fährt er fort und ich stütze den Kopf an der Hand ab, während ich ihm zuhöre.

„Sie wollten nicht in Cambridge oder Oxford studieren? Oder konnten es besser gesagt nicht?", ziehe ich ihn auf, dass er die Augen zusammenkneift.
„Ich habe nie daran gedacht dort zu studieren, also habe ich mich auch nie beworben. Mir war immer klar, dass ich zurück hierher ziehen werde, also wollte ich herkommen, sobald ich konnte.", meint er und tippt mit dem Zeigefinger auf den Tisch,„Mert haben wir dann hier an der Uni kennengelernt und mit Mel war es so, als wären nie all die Jahre zwischen uns gewesen. Wir haben uns genauso gut verstanden, wie damals auch."

Es klingt, als hätte Herr Sezin bereits eine Menge erlebt. Manchmal kann ich mir nicht vorstellen, dass andere Menschen genauso ein komplexes Leben haben, wie man selbst.

„Wie schön. Ihr Leben klingt so aufregend.", gestehe ich lächelnd. Wer weiß, was er alles schon gesehen und erlebt hat. Ich war schon immer bloß in Köln und er war hier und da. Hat seine Jugend überall genossen und ist letztlich hierher zurück, weil er es so wollte.
Er lächelt sanft auf.
„Wahrscheinlich."

Ein Kellner kommt und schenkt uns Wein ein, während er uns die Speisekarten gibt und uns erst einmal schauen lässt.
„Wenn Sie kein Rotwein wollen, dann können wir auch etwas anderes bestellen.", bietet Herr Sezin monoton an, dass ich die Stirn runzle.
„Wieso sollte ich es nicht wollen?"
„Schlechte Erinnerungen?"
Das Sofa. Dieser Mistkerl.
„Kann ich nicht behaupten.", meine ich fälschlich grinsend und er lächelt breit, was ihm ausgezeichnet steht.
Ich kneife die Augen zusammen, damit ich dieses Lächeln verschwommen sehe und er nicht mehr so gut aussieht.

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