4|kurzes Jobinterview mit rosa Lügen

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M I R A

Sofort schaue ich auf und blicke in dunkle Augen und ein strahlend weißes Lächeln. Ein Grübchen gräbt sich links in seine Wange und verleiht dem hübschen Mann unglaublichen Charme. Nicht, dass er nicht auch ohne charmant aussieht. Er ist ein echter Hingucker mit seinen schwarzen Haaren, die nach hinten gestylt sind, ohne viel Gel benutzt zu haben und den vollen Lippen, die untere etwas voller als oben.
Kerem Sezin steht vor mir.
Er ist neben seinem Cousin einer der Gründer der Marke und in Echt genau so gut aussehend wie auf Magazinen.

„Die bin ich.", sage ich und stehe auf. Er reicht mir seine Hand, dass ich sie etwas zu hektisch schüttle und er eine Braue hochzieht, während seine Mundwinkel zucken, doch er sagt nichts zu meinem Enthusiasmus, als er meine Hand wieder loslässt.

„Kommen Sie doch mit in mein Büro."
Rechts und links von der Bank, auf der ich noch eben saß, sind zwei rustikale Schiebetüren. Er schiebt die linke davon auf und wir betreten ein geräumiges Büro mit großen Fenstern links, die zum Garten hinaus, doch auch in ein anderes, etwas kleineres, Büro zeigen. Geradeaus und rechts vom Schreibtisch ist eine verglaste Tür, die auf eine Terrasse hinausführt. Zwischen den Fenstern an der linken Wand und der Tür gegenüber von mir sind Bücherregale und ein großer Schreibtisch in der Mitte des Raumes.
„Setzen Sie sich doch bitte.", bietet er mir an und zeigt auf eines der zwei roten Sessel, dass ich Platz nehme und er hinter seinem Schreibtisch,„Möchten Sie etwas trinken? Kaffee? Wasser?"
„Ein Wasser wäre schön.", sage ich und räuspere mich bereits, weil mein Hals vor Aufregung so trocken geworden ist. Er betätigt einen Knopf an dem Telefon auf seinem Tisch und bittet nach zwei Wassergläsern.
Er scheint ein netter Mann zu sein. Das wird nicht so schlimm werden.

Sobald das Wasser da ist, beginnt er mich nach allem möglichen auszufragen und ich bemühe mich darum die besten Antworten zu geben.
„Sind Sie flexibel? Könnten Sie, falls nötig, in Ihrer Position hin- und herspringen? Wie sieht es mit Ihrer Zeitplanung aus?"
„Derzeit arbeite ich noch als Kellnerin in der Gastronomie, doch ich werde dort kündigen, wenn ich hier arbeiten werde, um mich vollkommen hierauf konzentrieren zu können.", erkläre ich und er nickt mit einem leichten Lächeln.
„Wunderbar.", sagt er und schaut auf meinen Lebenslauf, der vor ihm auf dem Tisch liegt,„Sie haben auch Vorkenntnisse in der Mode. Fünf Jahre lang Modedesign studiert und jetzt haben Sie Ihren Master, stimmt das?" Ich nicke.
Jetzt strahlt er richtig.
„Dann haben Sie sicher sehr großes Interesse." Jetzt kann ich nicht anders, als ebenfalls breit zu lächeln.
„Auf jeden Fall!"

„Wie gehen Sie mit Stress um, Frau Acar?" Mein Lächeln bröckelt ein wenig. Stresssituationen? Ich flippe total aus und rufe Yaz an, aber das kann ich schlecht sagen.
„Ich ordne erstmal meine Gedanken und versuche so ruhig wie möglich zu sein, denn in der Hektik kommt man nicht voran.", lüge ich und nicke, mir selbst zustimmend.

„Was tun Sie, wenn Sie vor großen Problemen stehen?"
Ich flippe wieder aus und schiebe die Probleme so weit weg, bis ich sie vergesse und sie plötzlich wieder auf mich einkrachen und total aus der Bahn werfen.
„Ich setze mich sofort daran Lösungen zu finden und schiebe es mir niemals auf, denn nur, weil man Probleme für den Moment an die Seite schiebt, werden sie nicht gelöst. Ob es mir gefällt oder nicht, werde ich mich darum bemühen das Problem so effizient wie möglich aus der Welt zu schaffen.", rattere ich herunter und die Lügen kommen mir leicht über die Lippen.

„Super. Das ist genau, was ich hören wollte."
Deswegen habe ich es auch gesagt.

Er lehnt sich mit den Unterarmen an den Tisch und schaut mich eindringlich an.
„Sie sind flexibel im Arbeitsalltag und in Ihren Arbeitszeiten.", wiederholt er und ich nicke erneut brav, als er sanft auf den Tisch haut und sich zurücklehnt,„Wunderbar, Sie haben die Stelle!"
Einen Augenblick starre ich ihn nur an.
Ich habe was?
Das ging total schnell! Ich hätte mit einem „Wir melden uns bei Ihnen" gerechnet.

„Gibt es keine anderen Bewerber?", rutscht es mir raus, bevor ich mich aufhalten kann. Mein zukünftiger Boss schmunzelt, als ich die Lippen zusammenpresse.
„Doch. Eine überraschende Anzahl sogar.", behauptet er, dass ich die Stirn runzle, denn es ist nicht wirklich überraschend. Schließlich geht es um den Platz als Modedesigner bei Sezin, verdammt! Für ihn ist es sicher keine große Sache, weil es sein Name ist, doch für jeden, der ansatzweise an der Modebranche interessiert ist, ist das ein Traum!
„Aber ich denke wir haben bereits die Richtige gefunden." Das schmeichelt mir ungemein.
Er wollte noch nicht einmal meine Mappe sehen.

Komischerweise hat er mich auch gar nicht gefragt welchen Modestil ich persönlich mag. Ich dachte so etwas würde sicher auch Thema werden.
Sollte ich ihm meine Mappe anbieten?
Nein, warnt meine innere Stimme mich, was, wenn er es grottenschlecht findet und sein Angebot zurücknimmt?

Ich will es nicht riskieren, also stehe ich auf, als er es tut und schüttle seine Hand zum Abschied nochmal. Dieses Mal nicht so schnell.
„Wir kontaktieren Sie nochmal wegen des Vertrags und genaueren Details zu Ihren Arbeitszeiten. Gehen Sie davon aus, dass Sie schon diese Woche beginnen.", sagt er und ich nicke eifrig.
„Natürlich. Vielen Dank, Herr Sezin!"
Bevor ich aus der Tür gehe, die ich aufschiebe, drehe ich mich nochmal zu ihm um.
„Äh.. Wo sind die Toiletten?" Er lacht kurz auf und zeigt durch die offene Tür.
„Einmal den Flur bis ans andere Ende durchgehen.", beschreibt er und ich nicke zum hundertsten Mal in dieser halben Stunde.
„Danke.", sage ich auch nicht zum ersten Mal und es fehlt nur noch, dass ich vor ihm auf die Knie gehe und mich verneige.

Angekommen in dem Waschraum lege ich sofort meine Mappe auf das Waschbecken aus dunklem Marmor und rufe sofort Yaz an. Es dauert keine Sekunde, bis sie abhebt.
„Und?"
„Ich habe den Job!", quietsche ich aufgeregt und schaue mein Spiegelbild an. Ein dümmliches Lächeln bedeckt mein halbes Gesicht, weil es so groß ist und meine Augen strahlen richtig.

„Ich bin so aufgeregt, Yaz! Ich kippe gleich um vor Glück! Es ging so schnell, er war total begeistert von mir!"
Tabi. Warum hast du auch was anderes erwartet?", hakt sie nach, doch redet auch sofort weiter, ohne meine Antwort abzuwarten,„Ich bin gerade noch bei meiner Agentur, aber gehe gleich ins Fitnessstudio. Treffen wir uns da?"
„Sonntags ist unser Sporttag!", rufe ich ihr in Erinnerung und wenn ich es richtig in meinen Erinnerungen habe ist heute Dienstag.
„Nein, Sonntag ist nur der einzige Tag, an dem du dich dazu bereit erklärst mit mir mitzukommen. Ich gehe drei Mal die Woche.", reibt sie mir unter die Nase, aber ich fühle mich nicht beleidigt. Einmal die Woche ist besser als kein Mal.

„Dann reden wir im Detail darüber, wenn ich zuhause bin.", meint sie.
„Okay. Ich nehme jetzt den Bus. Bis später, Kollegin!", stimme ich ihr zu und sie kichert, bevor wir auflegen. Zufrieden seufze ich und streiche meine Haare aus meinem Gesicht, tupfe über meinen Lippenstift.
„Sehr positiv überrascht.", flüstere ich mir selbst zu und gehe in eine der Kabinen, um noch kurz zu pullern, bevor ich den Bus nehme.
Ich werde sofort im Sailor kündigen!

Als ich die Kabine wieder verlasse klingelt mein Handy erneut und ich trockne schnell meine Hände, bevor ich Aras Anruf annehme.
„Hey, Mirachen! Kannst du spontan sehr schnell zum Café kommen. Lana ist krank.", fragt er und ich verlasse bereits die Toiletten.
„Ich bin sofort da."




Mira hat den Job! fast
Ob sie vorher aber den Vertrag oder Demir zu Gesicht bekommt?
Ich habe echt Lust auf totale Intrigen und Drama bekommen. Das hier wird noch bald zu einer Seifenoper. 😤
Ich habe auch Miras und Yaz Wohnung gemalt. Wahrscheinlich werde ich auch die Büros zeichnen. Würdet ihr das sehen wollen?

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