23|eng umschlungen

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D E M I R

Mein Nacken und meine Arme tun weh. Eigentlich tut mir sogar alles weh, wenn ich es richtig bemerke. Auf meiner Brust liegt ein Druck und ich kann mich kaum rühren.
Blinzelnd öffne ich die Augen und lasse den Kopf kreisen. Scheiße, mein Nacken bringt mich um. Ich bin so falsch eingeschlafen wie es nur geht.

An meinem Kinn kitzelt etwas und als ich herunter schiele bemerke ich, dass es lange goldene Haare sind. Da liegt ein Kopf auf mir.
Der Druck auf meiner Brust ist nicht eine Starre, weil ich falsch geschlafen haben, sondern das Gewicht des anderen Körpers, der neben und auf mir liegt.
Was zur Hölle?
Wieso liegt da eine Frau auf mir? Beim näheren Betrachten merke ich, dass es nicht irgendeine Frau ist.
Ich sitze tief auf dem Sofa und Frau Acars Körper liegt seitlich mit angezogenen Beinen neben mir, ihr Oberkörper ruht an meinen. Etwas zuckt auf mir und ich sehe, dass ihre Hand an meinem Unterleib liegt. Gefährlich nah an meinem Hosenbund.
Scheiße scheiße scheiße!

Wieso ist sie hier?
Ich bin mir sicher alleine gewesen zu sein, als ich eingeschlafen bin. Sonst hätte ich niemals zugelassen, dass sie auf mir schläft, als wäre ich ein verdammtes Bett!
Und dann auch noch, wenn ich mich im Nachhinein fühle wie ein alter Mann mit Knochenproblemen.

Vorsichtig rüttle ich sie am Arm, doch sie schmiegt sich nur enger an mich, ihre Hand wandert ein Stück herunter. Fuck!
Sie vergräbt ihr Gesicht an meinem Nacken und schlingt die Arme fester um mich. Scheiße.
„Frau Acar.", brumme ich und rüttle sie ein wenig gröber,„Stehen Sie auf, Frau Acar."
„Kurz noch.", murmelt sie verschlafen an meine Halsgrube und ich schlucke.
Ist ihr bewusst, was sie da gerade tut? Ihre Hand ist kurz davor auf meinem verdammten Schwanz zu liegen und der Rest von ihr liegt bereits auf mir! Sie liegt auf ihrem Chef! Ich bin mir sicher, dass sich das nicht gehört.

„Nein, Frau Acar. Sie wollen vielleicht kuscheln, aber ich sehe das anders.", stelle ich klar und bleibe reglos liegen, während diese wahnsinnige Frau sich auf mir ausbreitet. Himmel, wie soll ich diesem Klammergriff entkommen können?
Sie seufzt und es kitzelt an meinem Hals, als ihr warmer Atem mich trifft.

Dann wird ihr warmer Körper stocksteif.
„H-Herr Sezin?"
„Ja."
Innerhalb einer Sekunde ist sie aufgesprungen und taumelt um ihr Gleichgewicht, doch findet es noch rechtzeitig, bevor sie hinfällt.
Entgeistert sieht sie mich an und richtet ihre Kleidung.

„Was zur Hölle? Wieso halten Sie mich in Ihren Armen?", hakt sie laut nach und streicht sich hektisch über den ganzen Körper, als wäre ich schleimig und hätte meine Spuren bei ihr hinterlassen.
„Sie haben mich in Ihren Armen gehalten, nicht andersherum.", korrigiere ich sie und setze mich aufrecht hin, dass die Decke auf mir verrutscht. Habe ich mich gestern zugedeckt? Nein, ich erinnere mich daran, dass ich es absichtlich nicht getan habe, damit ich nicht so lange schlafe.

Frau Acar reibt sich vorsichtig über die Enden ihrer Augenlider, ohne ihre Schminke zu verwischen und fährt sich mehrmals durch ihre Haare. Ich sehe aus dem Fenster und merke, dass es gar nicht mehr dunkel ist. Mist, wie lange waren wir hier?
„Wie spät ist es? Wie lange haben wir geschlafen?", fragt Frau Acar, als ihr ebenfalls auffällt, dass die Sonne bereits wieder hoch oben am Himmel steht. Sofort schaue ich auf meine Armbanduhr und ziehe die Brauen hoch.
„Es ist halb sieben Uhr morgens.", lese ich ab. Haben wir etwa die ganze Nacht durchgeschlafen? Wieso hat uns niemand aufgeweckt oder wusste niemand wo wir waren?
Verdammt, ich hoffe nicht, dass wir gesucht und nicht gefunden wurden. Das wäre noch schlimmer, als, wenn sie uns hier vergessen hätten.

Während ich aufstehe, nehme ich mein Handy aus meiner Hosentasche und sehe, dass ich einen verpassten Anruf und einige Nachrichten von Kerem habe. Ich muss ihn gleich unbedingt anrufen, doch erst muss ich hier weg.
Sie hat sich an mich gekuschelt! Diese Frau ist doch echt nicht zu fassen. Und dann verlangt sie noch einen Moment von mir, als wäre es das Natürlichste dieser Welt Arm in Arm einzuschlafen.

„Ich wollte Sie nur kurz zudecken und dann gehen. Ich wollte nicht auf Ihnen einschlafen.", murmelt sie und sieht auf dem Boden hin und her, als würde sie etwas suchen, während sie am Saum ihres Blazers zupft.
Mit hochgezogener Braue warte ich darauf, dass sie mich ansieht oder noch etwas sagt, doch sie fällt in Schweigen.
„Schon okay. Es war ein anstrengender Abend gewesen.", winke ich ab, denn ich will es so schnell wie möglich vergessen, statt eine große Sache daraus zu machen. Es war offensichtlich keine Absicht gewesen, denn sonst wäre sie nun nicht so beschämt.

Alleine verlasse ich das Büro und gehe zurück zum Hauptraum, wo mir Frau Teichert lächelnd und in anderer Kleidung als gestern entgegenkommt. Na toll. Alle sind nach Hause gegangen und haben Feierabend gemacht, nur wir wurden zurückgelassen?
„Guten Morgen, Herr Sezin!"
„Morgen, Frau Teichert. Es tut mir leid, dass ich so lange geschlafen habe. Es sollte nur eine halbe Stunde sein.", stelle ich schnell klar, doch sie winkt schon mit der Hand ab.

„Kein Thema. Einige Schneider waren auch die Nacht über hier. Ich habe sie nun nach Hause geschickt, damit sie sich ausruhen können.", erklärt sie und es trudeln bereits andere Arbeiter ein, die gestern nicht hier geblieben sind,„Ich hoffe Sie und Ihre Freundin konnten sich erholen. Einer meiner Leute wollte Sie wecken, doch er meinte, sie hätten so eng und gemütlich gekuschelt, da wollte er sie nicht stören."
Sie lächelt lieb, doch in mir wird alles stocksteif und meine Mundwinkel ziehen sich wie von selbst herunter. Sie hat uns gesehen. Klar, dieser Morgen wird mit jeder Sekunde immer besser.

„Frau Acar ist nicht meine Freundin. Sie ist meine Assistentin.", stelle ich klar und komme mir sofort dumm vor. Jetzt denkt sie, dass ich mit meinen Angestellten kuschle. Frau Acar war zwar warm und weich, aber das gehört sich nicht.
„Oh.", ist alles, was sie dazu sagt, bevor sie grinst.

„Ich bin gerade erst gekommen. Wollen wir mal schauen, wie weit alle gestern Abend gekommen sind?", fragt sie und ich nicke, dass wir zu dem Mann gehen, der mich gestern für mein fehlgeschlagenes Nickerchen in das Büro geschickt hat. Er steht an Kleiderstangen, an denen schwarze Kleidersäcke hängen und ich ziehe eines davon auf.
Entgegen blickt mir ein blassrosa Frühlingskleid, das ich entworfen habe. Das hebt meine Laune deutlich an.
Ich ziehe den Reißverschluss des dahinter auf und auch da entdecke ich meine Kreation. Endlich!

„Wir haben noch neun Einzelstücke zu machen. Heute und morgen werden wir keine Zeit dafür finden, aber am Donnerstag könnten wir es beginnen und wenn wir wieder durch die Nacht arbeiten, dann schaffen wir es noch vor dem Wochenende.", erklärt er und das sind die ersten guten Nachrichten, die ich heute erhalte.
„Wir können euch nicht genug danken. Ihr habt uns den Arsch gerettet.", rutscht es mir raus und Frau Teichert lacht, dass die kleinen Fältchen um ihre Augen erscheinen. Der Mann schmunzelt und ich schäme mich ein wenig für mein Gesagtes. Das war nicht sonderlich professionell.

„Immer wieder gerne bei der Atmosphäre, die gestern geherrscht hat. Es war sehr entspannt. Vor allem mit Frau Acar."
Ein fälschliches Lächeln legt sich auf mein Gesicht und ich nicke.
„Ja, Frau Acar ist... eine auffällige Persönlichkeit."

Gegen sieben Uhr verlassen Frau Acar und ich die Schneiderei und mir fällt mit einem flüchtigen Seitenblick auf, dass sie sich ihren Bauch reibt.
„Haben Sie Bauchschmerzen oder Hunger?", frage ich und sie verzieht gequält das Gesicht.
„Bauchschmerzen wegen Hunger desem?", schlägt sie vor und hält ihre Hand still,„Haben Sie denn keinen Hunger? Zuletzt haben wir die Pizza gestern Abend gegessen."
Das stimmt. Auch ich habe Hunger bekommen, doch es ist nicht so schlimm, dass ich schon Schmerzen bekomme.
„Wir können ja auf dem Weg etwas holen.", schlage ich vor und öffne meinen Jeep.

„Kann ich wieder fahren?", fragt sie, dass ich auflache.
„Auf gar keinen Fall. Wir probieren etwas anderes." Sie zieht eine Braue hoch und mustert mich, während wir mein Auto erreichen.
„Ich fahre und wenn nötig, dann schalten Sie.", verrate ich, dass sie schnaubt.
„Ach ja. Weil das so viel sicherer ist, als wenn ich fahren würde!"
„Ja ist es. Weil ich die Kontrolle habe.", stelle ich klar und steige auf die Fahrerseite des Autos. Frau Acar schüttelt den Kopf, während sie sich anschnallt.
„Sie haben echte Vertrauensprobleme, Herr Sezin."
„Wenn es um Sie geht, Frau Acar."




Demir hat es ganz schön locker aufgenommen, dass sie gekuschelt haben, oder?
Ich mag es Foreshadowing zu machen und auch selbst zu lesen. Erst sind es nur kleine Details, die so nie auffallen, aber wenn man später darauf zurückkommt, dann sind die so auffällig und einleuchtend.
Würdet ihr eigentlich Übersetzungen wollen, wenn ich etwas auf einer anderen Sprache schreibe?

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