86|zufällige Aufeinandertreffen und Psycho-Exfreunde

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M I R A

Zurück ins Unternehmen muss ich mir sicher noch ein zweites Auto rufen, denn Leo hat dermaßen viele Stoffe aufgeschrieben und ich muss von jedem davon gleich mehrere Rollen, die alle eineinhalb oder sogar zwei Meter breit sind, kaufen.
Ich fasse die Rolle mit königsblauen Kashmir an und lese es auf der Liste nochmal nach, bevor ich mich zu dem Chauffeur, den ich mit hineingezwungen habe, umdrehe. Mir wurde klar, dass ich das nicht alleine machen kann, als ich auf der Hinfahrt die Liste angesehen habe.

„Könnten Sie davon bitte vier Rollen nehmen?", frage ich und gehe weiter, als er beginnt sie alle in den länglichen tiefen Einkaufswagen zu legen. Es stapeln sich bereits ein Haufen Stoffrollen und ich bin erst mit der Hälfte durch. Leo hätte mich vorwarnen können, aber das ist mir dennoch lieber, als mich von Herr Sezin erwürgen zu lassen.

Ich gehe um die Ecke herum und lese mir den nächsten Punkt auf der Liste durch.
„Hanf Leinenstoff...", murmle ich vor mich hin, bevor ich die Liste gegen mein Kinn tippe.
„Den Gang weiter runter, rechts.", sagt eine Stimme mit sanftem Akzent plötzlich hinter mir,„Aber ich habe schon das ganze schöne Beige genommen."
Ich drehe mich um und blinzle perplex, als ich den blonden Mann hinter mir erblicke.

„Herr Blom?" Sein Lächeln verrutscht, als er mich ebenfalls erkennt und an mir heruntersieht. Was macht er denn hier?
„Demirs kleine Assistentin." Jetzt grinst er wieder und ich presse die Lippen aufeinander. Ich habe einen Namen und ich bin nicht klein. Mit meinen ein Meter sechzig bin ich nur knapp unter der Durchschnittsgröße der deutschen Frau. Mit meiner ganzen Stiletto-Sammlung bin ich aber genau im Durchschnitt.

„Ich habe auch einen Namen.", stelle ich klar und es scheint ihn zu amüsieren, dass ich ihn darauf aufmerksam mache.
„Richtig. Mira Acar. Wie könnte ich Ihren Namen vergessen, wenn er doch die Titelseiten von Magazinen geziert hat?" Dieses Detail würde ich gerne wieder vergessen.

„Was tun Sie hier in Deutschland?", hake ich nach, denn es ist nicht gewöhnlich einem schwedischen Modedesigner in Stoffmärkten über den Weg zu laufen. Zumindest nicht für mich.
Er zeigt auf einen Wagen hinter sich, der mit Stoffrollen gefüllt ist.
„Wahrscheinlich das selbe wie Sie." Ich ziehe eine Braue hoch.
„Gibt es in Schweden keine Stoffe mehr?"
Er lacht auf und macht einen Schritt auf mich zu, dass ich zurücktreten will, doch ich widerstehe dem Drang und bleibe, wo ich bin.
„Doch schon, aber es wäre viel umständlicher alles aus Schweden hierherzuliefern, statt neue zu kaufen.", meint er und schmunzelt, seine grünen Augen funkeln.

Fast hätte ich vergessen wie gut der hochgewachsene Schwede aussieht und wie entzückend ich seinen leichten Akzent finde. Es kommt mir vor, als wäre unser Kennenlernen in Italien bereits ein Jahrhundert her.
„Erinnern Sie sich nicht?", fragt er plötzlich, dass ich die Brauen zusammenziehe,„Ich meine ich hätte von meinen Plänen, in Köln einen Sitz zu eröffnen, erzählt." Meine Brauen schießen in die Höhe, als er sich nur lässig gegen die Regale lehnt.

Oh je.
Das wird Herr Sezin gar nicht gefallen.

„Meinen Sie das ernst?" Wieso frage ich das denn? Der Mann steht hier vor mir! Ganz offensichtlich ist es ernst.
„Todernst. Ich mache keine halben Sachen." Ein Mundwinkel von ihm steigt und es wirkt, als wolle er damit mehr sagen, als nur sein Hiersein zu erklären.

Er sieht sich um und schaut den Chauffeur am Einkaufswagen an, dann wieder mich.
„Ist Demir nicht dabei?" Ich schüttle den Kopf.
„Schade. Aber ich müsste mich für Termine mit ihm sowieso an Sie wenden, nehme ich an." Er lächelt mich auf eine freundliche Art an, dass es mir schwerfällt zu verstehen, wieso Herr Sezin ihn nicht mag.
Hat er etwas dreistes an sich? Ja, das denke ich schon, aber bis auf diese Dreistigkeit, scheint er ein netter Kerl zu sein.

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