123|über ein Jahrzehnt gewartet für Nichts

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M I R A

Ich hintergehe Demir.

So fühlt es sich zumindest an, als ich mich in ein Café in der Innenstadt setze, um mit Ani Eilers über das Geschäftsangebot zu sprechen. Davon habe ich Demir nicht erzählt.
Er ist seinen Vater im Krankenhaus besuchen und ich nutze die Zeit für das Treffen, bevor ich zur Arbeit muss und er mein Fehlen bemerkt.
Wobei wir nach gestern nicht besonders viel miteinander gesprochen haben und er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nach mir suchen wird.

Flüchtig blicke ich auf meine Armbanduhr und nage an meiner Unterlippe, als mein Blick durch das Café und durch die Fenster auf die Straße führt. Was, wenn mich jemand sieht und es Demir erzählt?
Es fühlt sich nicht richtig an hier ohne sein Wissen zu sitzen. Aber ich muss es ihm nicht sagen. Als mein Chef hat er kein Recht darauf über meine Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeiten zu erfahren und als mein Freund... Nach gestern bin ich mir nicht so sicher, ob er es noch sein will.

Und wenn ich nun hinter seinem Rücken ein Jobangebot annehme und ihn plötzlich verlasse? Das wird nichts besser machen.
Nein, ich kann das nicht. Ich sollte erst mit Demir sprechen und dann ein Treffen mit Frau Eilers ausmachen.
Sie scheint ohnehin nicht zu kommen. Sie hätte vor fünfzehn Minuten schon hier sein sollen.

Entschlossen stehe ich auf und greife nach meinem grauen Mantel, den ich über den Stuhl geworfen habe, als eine Frau mit kurzem schwarzen Haar und brauner Haut auf mich zukommt.
„Frau Acar?" Ich verharre mit meiner Hand am Mantel und schaue in ihr niedliches rundes Gesicht mit den dunklen Augen, die mich anzulächeln scheinen.
„Frau Eilers?", gebe ich fragender von mir und sie streckt ihre Hand aus.

„Es tut mir schrecklich leid, dass ich zu spät bin. Das Flugzeug ist später gelandet, als ich dachte!", entschuldigt sie sich in dem selben Akzent, den sie während des Telefonats hatte, als ich ihre Hand schüttle. Die Frau, nur wenige Zentimeter kleiner als ich, nimmt gegenüber auf dem freien Stuhl Platz, dass ich mich nach kurzer Überlegung ebenfalls hinsetze. Ich kann sie jetzt nicht sitzenlassen, wenn sie extra hergeflogen ist. Das wäre unhöflich.

Zunächst reden wir über ihren Flug und die Frühling/Sommer Kollektion von Sezin, die ihr und ihrer Chefin so sehr gefallen hat, dass sie mich kontaktieren wollten. Es dauert nicht lange, bis wir über den Kinofilm zu sprechen beginnen und was von mir erwartet wird. Frau Eilers betont, dass sie mir alles überlassen, solange ich die Charaktere, von denen ich erfahre, nachdem ich einen Vertrag unterschrieben habe, widerspiegeln kann. Mein Flug und Aufenthalt wird bezahlt werden, doch ich werde es teilen müssen, was kein Problem für mich persönlich darstellt, da ich nie etwas für mich allein hatte und es kenne.

An der Sache scheint kein Haken zu sein.
Die Bezahlung ist gut, der Film klingt unterhaltsam und ich bekomme für die Zeit sogar meine ganz eigene Crew.

Nur dauern die Dreharbeiten sechs Wochen und spielen im Ausland.

„Dann kündige und fang' woanders an."

Yaz' Worte hallen wieder und wieder in meinem Kopf nach, während Frau Eilers fröhlich plappert.
Doch ich kann das nicht tun. Einfach kündigen? Ist es denn so einfach? Demir fallenlassen, sobald sich mir eine gute Chance bietet? Würde er dasselbe tun?

Doch ich will auch nicht ein Leben lang Demirs Assistentin bleibe. Wenn ich ehrlich bin, dann ist es anstrengender, als man glauben mag und es war nie mein Traumjob.
Es war nur ein unglückliches Missgeschick, das mich überhaupt in die ganze Situation, in der ich heute bin, gebracht hat. Weil Yaz die Jobangebote vertauscht hat, bin ich Demirs Assistentin geworden und weil ich den Vertrag zu voreilig unterschrieben habe, war ich gezwungen so lange an Demirs Seite zu bleiben, bis ich nicht mehr weg wollte.

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