17|sehnlichsten Wünsche am Morgen

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M I R A

Gähnend schalte ich den Wasserkocher an, um mir einen Tee zu machen. Mit halb geschlossenen Augen trotte ich zum Hängeschrank, in dem unsere Tassen sind und nehme die mit dem schnörkeligen M darauf, um bereits einen Teebeutel hineinzulegen, bevor ich ins Wohnzimmer herübergehe und mich bäuchlings auf unser dunkelblaues Sofa schmeiße, während ich warte.
Schlummernd strecke ich die Hand aus und lege mir ein Kissen unter den Kopf, während ich versuche einige Sekunden Schlaf einzuholen, bevor das Wasser gekocht hat.

Es war keine gute Idee den gestrigen Abend mit Yaz und romantischen Komödien zu verbringen. Es war schon weit nach Mitternacht, als ich endlich in mein Bett gekrochen bin und um viertel vor sieben Uhr morgens bin ich viel zu erledigt, um mich für die Arbeit fertig zu machen.
Wie soll ich gut aussehen, wenn ich nicht einmal aufrecht stehen kann?

Yaz hat so ein Glück. Sie muss erst um zehn Uhr zu ihrer Agentur und kann ausschlafen, doch ich muss natürlich um Punkt acht Uhr im Modehaus sein, sonst wird der große böse Herr Sezin mich in der Luft zerfetzen. Vor allem nachdem ich ihn gestern so angeschrien habe.
Manchmal hasse ich mich dafür, dass ich so vorlaut und hin und wieder respektlos bin, aber ich kann es nicht steuern. Wenn er mich wütend macht, dann gehen meine Gefühle mit mir durch und ich will ihm die Augen auskratzen.

Seufzend kuschle ich mich tiefer in das gemütliche Sofa unter mir.
Hier könnte ich auch noch ein Stündchen liegen bleiben.
Ein Wunder, das mich daran hindert heute zur Arbeit zu gehen, wäre nun sehr willkommen. Die Treppen im Treppenhaus könnten auf magische Weise verschwinden oder das Konzept der Arbeit löst sich in Luft auf.
Mein Handy irgendwo an meinem Bauch vibriert und der Wasserkocher klickt in der Küche. Grölend und stöhnend drehe ich mich auf die Seite und ziehe mein Smartphone hervor.
Wer schreibt mir um diese Uhrzeit?
Eine unbekannte Nummer erscheint auf meinem Bildschirm und stirnrunzelnd klicke ich darauf.

Unbekannt: Hallo, Frau Acar. Ich habe Ihre Nummer Ihren Akten entnommen. Eine Mail wäre zu aufwendig gewesen. Sie brauchen heute nicht um acht im Atelier erscheinen. Seien Sie um zwölf bei der Adresse, die ich Ihnen sende. Kerem Sezin

Mit weit aufgerissenen Augen setze ich mich kerzengerade auf und fühle mich hellwach.
Zu welcher Uhrzeit hat er gesagt?
Er ist noch online und eine weitere Nachricht mit einer Adresse erscheint.
Schnell tippe ich los.

Mira: Guten Morgen Herr Sezin. Also soll ich nun nicht ins Unternehmen?
Kerem: Nein. Außer Sie sind schon losgefahren...?
Mira: Nein, ich bin noch zuhause.
Kerem: Gut. Können Sie es einrichten herzukommen?
Mira: Natürlich. Ich nehme die Busverbindungen.
Kerem: Mit dem Bus dauert das Ganze ein wenig länger.

Was will er von mir hören? Soll ich ihm Wort für Wort schreiben, dass ich kein Auto besitze oder zur Verfügung habe? Will er das so dringend hören?
Wenn es so aufwendig ist wie er meint, dann könnte ich Aras bitten mich auf seinem Motorrad zu fahren.
Ich gebe die Adresse im Internet ein und mir wird angezeigt, dass der Weg vierzig Minuten dauert. Oha! Wo ist das denn bitte? Am anderen Ende von Köln? Es liegt ja abseits der Stadt.
Nein, das kann ich Aras nicht antun. Er müsste vierzig Minuten hin- und dann wieder zurückfahren.

Egal, was auch immer.
Ich kann nun weiter ausschlafen!
Hätte ich mir nur etwas anderes gewünscht.

D E M I R

Mit geschlossenen Augen reibe ich mir über die Stirn. Mich plagen seit heute Morgen Kopfschmerzen und meine Augen tun weh, weil ich mich seit gestern nicht ausruhen konnte.
Ich war die ganze Nacht wach -unnötig, denn ich konnte das Problem, das mich vom Schlafen abgehalten hat, nicht lösen.
Ich kann es immer noch nicht fassen.
Jemand ist bis in mein Unternehmen gekommen und hat uns sabotiert.
Wir wissen immer noch nicht wer das war, denn all die Kameras sind genau zu dem Zeitpunkt ausgegangen und ich habe keine Ahnung wie wir es sonst herausfinden sollen. Das ist kein Zufall. Es war alles eine geplante Aktion.

„Könnt ihr nichts davon retten?", fragt Mert und ich schaue zu meinem besten Freund hin. Seine schwarzen Haare hängen ihm in die Stirn und er trägt mittlerweile einen leichten drei Tage Bart, doch ich bin mir sicher, dass dieser bald wieder wegkommt.
Er sitzt in einem grauen Kapuzenpullover und Jeans auf der Couchgarnitur auf unserer Terrasse und sieht nachdenklich zwischen uns hin und her.
„Alles ist in Fetzen, Mert. Was sollen wir machen? Uns hinsetzen und alles Stück für Stück zusammenkleben?", hake ich nach, dass er seine grünlichen Augen verdreht.
„Dann müsst ihr die Zeichnungen wieder zur Schneiderei bringen.", schlussfolgert er, weil wir alle anderen natürlich Idioten sind und nicht selbst auf die Idee gekommen sind,„Du hast die Zeichnungen doch noch oder?" Fragend sieht er mich an, dass ich nicke.
„Natürlich. Ich hebe all meine Zeichnungen auf."

Mert ist das finale Stück in unserem Vierergespann. Er war für den ganzen letzten Monat im Urlaub gewesen und hat die Welt bereist, bevor er wieder zurück nach Deutschland und sofort zu uns ins Haus gekommen ist. Sein Flugzeug ist erst vor fünf Stunden gelandet und nach einem kurzen Halt in seiner Wohnung ist er sofort hierher, weil Kerem eine Tratschtante ist und ihm brühwarm alles erzählt hat.
Doch ich halte ihm das nicht vor, weil ich Mert auch auf die Mailbox geheult habe, als er noch im Flugzeug saß.

„Immerhin konnten wir die Fotos machen, bevor das passiert ist. Das nimmt uns etwas Arbeit weg.", wirft Melisa ein und spielt mit ihren Haarspitzen. Sie sitzt gegenüber von mir auf der Lehne der Couch und hat einen Arm um Mert gelegt, der zustimmend nickt. Kerem sitzt ihnen gegenüber auf dem Zweisitzer und ich neben ihm.
„Wurde es irgendwo erwähnt?", frage ich Mel und sie schüttelt zum Glück den Kopf. Das darf auf keinen Fall an die Öffentlichkeit geraten. Wie sollen wir das erklären und was sollen andere künftige Partner denken? Wir würden instabil und nicht vertrauenswürdig wirken.
„Ich habe es noch nirgendwo gesehen. Mein Team schaut auch weiter."

Stumm nicke ich und stütze meine Ellbogen an meinen Knien ab.
Wieso ist das passiert? Wer hat etwas davon, wenn wir unsere Kollektion nicht präsentieren können?
Diese Fragen jagen mich seit gestern und ich werde wahnsinnig, weil ich keine Antwort darauf finde. Es lief alles gut. Wir waren fertig und bereit abzusahnen, doch haben wir einen heftigen Faustschlag von jemanden bekommen und liegen nun bewusstlos am Boden. Davon werden wir uns nicht so schnell erholen können.

Rosa läuft auf ihren kurzen Beinen zu uns und wimmert an meinen und Kerems Beinen. Mit ihren großen Kulleraugen schaut sie uns an und wedelt mit ihrem Schwänzchen.
„Du hast Hunger, stimmt's Rosi? Komm mit, mein Schatz.", redet Kerem mit ihr in einer verniedlichten Stimme und hebt sie in seine Arme hoch. Ihre Zunge hängt ihr raus und ich kraule sie kurz unter der Schnauze, bevor Kerem sie ins Haus trägt, um ihre Schüssel aufzufüllen.

Es klingelt an der Haustür, dass Rosa kurz bellt, doch Kerem sie sofort zum schweigen bringt und um die Ecke verschwindet. Erwarten wir noch jemanden? Und wenn ja, wieso öffnet Kerem denn nicht die Tür, wenn er gerade doch sowieso hineingegangen ist?
Verwirrt versuche durch die verglaste Terrassentür hineinzusehen.
„Wer ist das?", frage ich und sehe meine Freunde an. Auf die Paparazzi habe ich gerade wirklich keine Lust. Wobei sie es nicht sein könnten. Wir haben einen riesigen Zaun um das Grundstück und da kommt nicht jeder einfach durch.
Melisa und Mert zucken mit den Schultern.
„Das ist euer Haus.", meint Mert.

Seufzend stehe ich auf und gehe quer durch den Flur zur Haustür.
Heute werde ich nicht mehr zum Atelier gehen. Normalerweise bleibe ich nicht zuhause, aber ich kann mich ohnehin nicht konzentrieren, da bleibe ich lieber zuhause und kümmere mich um Rosa und diese Krise. Vielleicht kann ich hier entspannen und leichter auf Lösungen kommen.
Ohne durch die Kamera zu sehen, öffne ich die Tür und Augen so blau und gefährlich wie das Meer schauen in meine.
Warum steht Frau Acar vor meiner Tür?




Ich wünschte ich könnte auch ausschlafen wie Mira. Vor allem jetzt im Winter, wo die Sonne erst um 8 Uhr beginnt aufzugehen.
Manchmal bin ich auch nett und lasse meine Charaktere nicht nur leiden. Sie kriegen, was ich mir erträumen kann. 😔✋🏻
Mira ist bei Demir zuhause hihi
Ob er sie aber reinlässt ist eine andere Sache...

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