Teil 203

718 23 1
                                    


Sofy

Ich wollte gerade zur Tür raus, als Wincent mich festhielt. „Sofy. Das hat doch keinen Sinn. Ich kann mir denken, was du tun möchtest. Aber das können wir immer noch klären.“ Ich zog meinen Arm weg und schüttelte den Kopf: „Nein! Die haben mir jahrelang meine Eltern vorenthalten und behauptet, ich wolle sie nicht sehen. Das kann ich nicht so stehen lassen“, erwiderte ich, während ich mich richtig zusammenreißen musste, um nicht zu schreien. „Schatz, ich verstehe doch“, versuchte er mich zu besänftigen. „Nein. Du verstehst es eben nicht“, entgegnete ich, während mir bereits wieder die Tränen über die Wangen liefen. „Du hast recht. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Aber ich weiß, dass es jetzt nicht richtig wäre. Nutze die Zeit mit deiner Mutter. Sie ist extra hergekommen. Weißt du, wie sehr sie sich gefreut habe, als ich den Kontakt aufgenommen habe? Sie konnte es kaum erwarten, dich endlich kennenzulernen“, natürlich ließ er nicht locker. Das war halt Wincent. „Ich hasse dich“, nuschelte ich und meinte eigentlich, dass es manchmal echt ätzend war, dass er recht hatte und ihm dies auch bewusst war. „Jaja. Ich liebe dich auch“, erwiderte er schmunzelnd und gab mir einen sanften Kuss, „Und jetzt ziehst du deine Jacke und deine Schuhe wieder aus und gehst ins Wohnzimmer.  Ich hab das Gästezimmer fertig gemacht.“ „Vergiss bitte nicht, dass du dich ausruhen sollst. Nur weil du beim Unfall so glimpflich davongekommen bist, heißt es nicht, dass gar nichts ist. Leg dich hin, okay?“, entgegnete ich doch etwas besorgt. „Keine Sorge. Die Kids schlafen und ich leg mich auch hin, du hast denke ich noch genug mit deiner Mutter zu bereden“, versicherte er mir lächelnd.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, lächelte meine Mutter mich einfach an. „Tut mir leid“, entschuldigte ich mich, während ich mich wieder zu ihr setzte, „Meine Gefühle sind einfach … na ja.“ „Ist schon okay. Das hast du von deinem Vater“, entgegnete sie schmunzelnd, „Er ist genauso. Ein totaler Gefühlsmensch.“ „Wo … ist er eigentlich? Seid ihr noch …?“ „Wir sind verheiratet und sehr glücklich. Er ist zu Hause geblieben. Bei deinen Geschwistern. Die haben Schule und er muss arbeiten. Aber er wäre gern mitgekommen“, versicherte sie lächelnd, „Und er kann es wirklich nicht mehr erwarten, dich zu sehen. Deine Geschwister übrigens auch nicht.“ „Wie viele Geschwister hab ich denn? Und wie alt sind die?“, fragte ich sie. „Drei. Marika ist 18 und Ava und Liam sind 14. Wir haben ziemlich lang gewartet, bis wir uns entschieden haben, doch noch weitere Kinder zu bekommen. Aber wir haben immer an dich gedacht.“ „Ava und Liam sind Zwillinge? Dann ist es ja gar nicht mehr so ungewöhnlich, dass ich auch Zwillinge bekommen habe“, überlegte ich, „Aber ich freue mich auch schon, wenn ich alle kennenlernen kann.“ „Das Zwillingsgen liegt bei uns in der Familie. Meine Schwester und ich sind ebenfalls Zwillinge“, erklärte sie schmunzelnd und kramte dann etwas aus ihrer Tasche, „Hier. Deine Geschwister wollten unbedingt ein Familienselfie, damit du weißt, wie alle aussehen.“ „Danke“, entgegnete ich lächelnd und nahm das Foto entgegen. Es war ein sehr komisches Gefühl, denn bis vor kurzem wusste ich ja gar nicht, dass es sie alle gab. „Gehen alle noch zur Schule?“, wollte ich von meiner Mutter wissen, „Und was machst du? Und … Dad?“ „Ja. Also Marika ist jetzt im Abijahr. Und Ava und Liam in der neunten Klasse. Dein Vater ist Architekt und ich bin Erzieherin. Im Prinzip ist bei uns immer was los“, antwortete sie lachend. „Wenn ihr möchtet, könnt ihr ja in den Schulferien noch mal herkommen. Wir haben hier genug Platz. Ich weiß nur nicht, inwiefern Wincent noch unterwegs ist in der nächsten Zeit, sonst kommen wir euch mal besuchen.“ „Na klar. Wir kommen gerne zu Besuch, dann müsst ihr mit den zwei Kleinen nicht so weit fahren. Und es läuft ja alles nicht weg. Deine Geschwister erklären uns sicher auch noch, wie man dieses Videotelfonding macht und dann können wir regelmäßig auch so in Kontakt bleiben. Noch mal verlieren wir dich nicht, versprochen.“
Es war sehr spät, als ich mich nach oben schlich, um mich bettfertig zu machen. Da Wincent schon schlief, kletterte ich so leise wie möglich unter die Decke, um ihn ja nicht zu wecken. Denn er musste sich wirklich ausruhen, auch wenn er das nicht wirklich zugeben wollte.

Vielleicht irgendwann (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt