Teil 272

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Sofy

Eigentlich hätte es keine fünf Minuten gedauert, bis ich alle Sachen beisammen gesammelt hätte. Aber so konnte ich wenigstens mal nach Wincent sehen. Dieser hatte sich in sein kleines Musikreich verzogen. Die Gitarre auf dem Schoß liegend, saß er auf dem Boden und starrte das Instrument einfach regungslos an. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich neben ihn. „Ich wusste gleich, dass er ein Idiot ist“, sagte er kühl, aber gleichzeitig hörte man deutlich, dass seine Stimme zitterte. Oh man. Jetzt hatte ich gleich zwei Häufchen Elend hier zu Hause. „Na gut. Der erste Eindruck ist jetzt wirklich nicht prickelnd“, gab ich zu, „Aber das heißt nicht, dass alle Jungs in dem Alter so sind.“ „Er wird ihr das Herz brechen. Und ich kann nichts dagegen tun“, kam die Antwort von ihm und ich glaubte erkennen zu können, wie ihm ein paar Tränen übers Gesicht liefen. „Du kannst sie nicht vor allem schützen. Sie muss eigene Erfahrungen sammeln. Aber du kannst für sie da sein, wenn es mal schiefgeht“, erwiderte ich und nahm seine Hand in meine, „Dir geht das wirklich sehr nah, hm?“ „Ich … ich hab einfach versprochen, sie immer zu beschützen. Das muss ich doch. Ich ertrag es nicht, sie traurig zu sehen. Aber genau darauf wird es hinauslaufen. Das wirst du doch wohl auch gesehen haben.“ „Komm mal her“, meinte ich nur und zog ihn in meine Arme, „Ich rede gleich noch mal mit ihr. Sie hat sich das auch ganz anders vorgestellt heute. Wir können jetzt nur für sie da sein. Sie wird hier übernachten. Ich mach ihr gleich das Gästezimmer fertig und morgen gucken wir weiter. Du musst dich auch erstmal beruhigen. Wir bekommen das schon hin. Mach nicht zu lang, okay?“ Ich drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange, ehe ich mich wieder nach unten begab. Shay hatte sich bereits ins Gästezimmer verkrümelt, weshalb ich vorsichtig an die Tür klopfte. „Darf ich?“ Sie nickte, ohne wirklich aufzublicken. Ach man. Das konnte doch alles nicht wahr sein. „Den Abend hast du dir anders vorgestellt, was?“, ich setzte mich zu ihr und atmete tief durch. „Ihr mögt ihn nicht, oder?“ „Na ja … Ich finde es schwierig zu sagen. Man hat ihn jetzt heute kurz kennengelernt. Aber du musst zugeben, dass er es uns nicht leicht gemacht hat. Dein Bruder hat sich wirklich bemüht …und es fiel ihm so schwer.“ „Aber warum? Ich bin kein kleines Kind mehr“, schluchzte sie nun und sah mich verzweifelt an. „Du wirst für ihn immer seine kleine Schwester und damit ein kleines Mädchen sein. Das ist gar nicht böse gemeint. Er will dich nur beschützen und hat Angst, dass du verletzt wirst. Aber erzähl mir doch einfach. Was findest du an Ben so toll? Ich kenne ihn kaum. Vielleicht kann ich es dann ja mehr verstehen“, erklärte ich ihr. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Er sieht halt echt gut aus. Kann echt lustig sein …“ „Und akzeptiert er dich denn so wie du bist?“, fragte ich vorsichtig. „Wie meinst du das?“, fragte sie wieder schluchzend, das ganze Make-Up war inzwischen verlaufen, was nur noch deutlicher machte, wie viel sie aufgetragen hatte. „Na ja … Ich kenn dich gar nicht so geschminkt. Das brauchst du doch gar nicht“, gab ich vorsichtig zu. „Aber ich will ihm gefallen. Und er mag ungeschminkte Mädchen nicht. Er findet es schrecklich. Na ja und guck ihn dir an. Er sieht verdammt gut aus, da sind so viele Mädels, die auf ihn stehen. Du weißt doch gar nicht wie das ist.“ „Doch. Ich weiß ganz genau wie das ist. Weißt du wie viele Mädels deinen Bruder anhimmeln? Und was er teilweise für Nachrichten bekommt? Glaub mir, ich weiß wie das ist. Und ich kann verstehen, dass das ein scheiß Gefühl ist“, seufzte ich, „Aber wenn er dich wirklich mag, dann mag er dich so wie du bist. Weil du so bist, wie du bist. Ohne diese ganze Schminke. Du siehst ohne diese ganze Schminke so schön aus. Da ist nichts, was du verstecken musst. Mir ist aber auch klar, dass es schwer ist. Du hast ihn wirklich gern. Das sieht man dir an. Ich möchte einfach nur, dass du glücklich bist. Und Wincent möchte das auch.“ „Bitte sei mir nicht böse. Ich möchte wirklich allein sein“, nuschelte sie, „Ich mach das hier gleich selbst.“ „Okay. Wir sind oben. Und schreib bitte deiner Mutter, dass du hier bist. Damit sie sich keine Sorgen macht“, erwiderte ich und lächelte sie aufmunternd an, „Das wird schon alles. Und für alle Fälle, ist im oberen Schrank neben dem Kühlschrank ganz viel Schokolade. Bedien dich einfach, wenn dir danach ist.“

Vielleicht irgendwann (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt