Teil 335

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Wincent

„Okay. Du hast recht", Amelie setzte sich zu uns und begann dann zu berichten, „Sie ist noch ziemlich benommen. Deshalb hab ich vorhin auch nicht so ganz verstehen können, was passiert ist. Eigentlich scheint sie sich da gar nicht ganz dran erinnern zu können. Sie erinnert sich auch nicht daran, sich geschnitten zu haben. Na ja der Arzt wollte mir aber auch nichts sagen. Irgendwie ja logisch, darf er ja auch nicht. Ich fahr nachher noch mal hin. Aber ich schätze mal, dass sie einfach zusammengeklappt ist. So wie sie aussieht, will ich vermutlich gar nicht wissen, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hat." „Fuck", entfuhr es mir leise und am liebsten wäre ich direkt ins Auto gestiegen und zu ihr gefahren, „Ich ... ich muss ..." „Wincent. Das bringt jetzt nichts. Sie wird jetzt erstmal schlafen und braucht Ruhe", blieb Amelie völlig ruhig. „Ja ... aber ... Dann lass mich nachher mitfahren. Bitte", flehte ich sie mit brüchiger Stimme an. „Ich weiß nicht, ob das nach den letzten Tagen so gut ist", gab Amelie zu bedenken. „Amelie", schaltete sich jetzt Marco ein, „Ich glaube eher, dass es gerade gut wäre, wenn er zu ihr kann. Für Beide." „Hm. Na schön. Aber dann reiß dich zusammen, okay?" Ich nickte nur. Ich wollte doch einfach nur wissen, ob es ihr gut ging. „So. Was ist jetzt mit dem Handy?", kam Amelie auf das eigentliche Thema zurück. „Hier", nuschelte ich nur, „Ich hoffe, es funktioniert noch richtig." „Ach herje", murmelte Amelie, als sie das zerstörte Display sah, „Hast du ... ansonsten Zugang zu ihrem Instaprofil?" „Na ja ich weiß ihr Passwort", gab ich zu. „Na umso besser. Dann nimmst du dein Handy und meldest dich mal an." „Aber ... das kann ich doch nicht einfach machen ..." „Wincent. Warum hat Sofy dir ihr Passwort gegeben?", erkundigte sich Amelie ernst. „Na ja ... für Notfälle haben wir Beide die Passwörter vom anderen", erklärte ich ihr also. „Siehst du. Und das hier ist ein Notfall! Wir müssen rausfinden, was für Nachrichten das sind! Ich hab da wirklich ein ganz mieses Gefühl", Amelie schaute mich eindringlich an, weshalb ich also seufzend nachgab. Ich öffnete also Instagram und loggte mich in ihren Account ein. „Sicher, dass du dir das mit durchlesen willst?", fragte Amelie vorsichtig. „Natürlich. Ich will wissen, was da los ist!", entgegnete ich ernst und öffnete dann auch gleich die Nachrichten. Amelie rutschte näher und auch Marco schien das zu interessieren. Bereits nach den ersten Nachrichten wurde mir schlecht. Was waren das für Leute, die jemandem wegen eines Fotos den Tod wünschten? Und ständig tauchte dieses eine Wort auf: ‚Schlampe'. „Wow. Sind das alles Fans von dir?", entfuhr es Marco. „Ich glaube, dass das alles Teeniemädels sind, die ein bisschen zu sehr für Winnie schwärmen. Ich weiß nicht mal, ob denen so bewusst ist, was sie mit solchen Nachrichten in Menschen auslösen können", Amelie seufzte, „Darum müssen wir uns kümmern. Wir alle kennen Sofy. Die Arme wird sich das doch alles zu Herzen genommen haben. Und dann erklärt das doch wieder ganz schön viel. Man ... und ich Idiot hab einfach nicht verstanden, wieso sie sich so zurückgezogen hat. Hat eigentlich schon mal jemand Melina angerufen?" „Angerufen nicht. Aber ich hab ihr geschrieben. Sie hängt aber gerade bei ihrer Familie fest und kommt wohl erst am Wochenende wieder. Aber sie hat sich auch total die Sorgen gemacht und hat in der letzten Zeit öfter geklingelt und versucht, Sofy zu erreichen", erklärte Marco, „Sofy hat sich also wirklich komplett abgekapselt. Das kennt man auch nicht wirklich von ihr." „Doch", murmelte ich und hätte mein Handy am liebsten an die Wand gedonnert. Aber Amelie schien das schon zu ahnen, weshalb sie es mir bereits aus der Hand genommen hatte. „Ich will jetzt endlich zu ihr!", sagte ich energisch und marschierte auch direkt in den Flur, um mir Schuhe anzuziehen. „Wincent. Ich lass dich jetzt kein Auto fahren!", mahnte Amelie, „Ich fahre! Marco bleibst du hier?" „Sicher", meinte dieser nur schulterzuckend, „Bekomm das mit den Zwergen schon hin." „Können wir dann jetzt bitte endlich los?", ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den nächsten und endlich schnappte sich Amelie ihre Sachen. Wir fuhren etwas mehr als eine halbe Stunde, ehe wir im Krankenhaus ankamen. Als wir schließlich vor dem Zimmer standen, war ich doch ein wenig nervös. Was war, wenn sie mich gar nicht sehen wollte? „Hey. Trau dich. Ich warte draußen. Aber denk dran, dass sie sich ausruhen muss, okay?" „Ich möchte nur wissen, ob es ihr gut geht", nuschelte ich. „Los. Geh schon. Ich bin hier, wenn was ist. Ich komme gleich nach." Ich nickte nur und öffnete dann vorsichtig die Tür. Ich wusste nicht, ob sie schlief oder mich nicht wahrnahm. Leise ging ich also zu ihrem Bett und setzte mich zu ihr. Sie schien zu schlafen. Zögernd nahm ich ihre Hand in meine und strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken.

Vielleicht irgendwann (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt