- Kapitel 17 -

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Lukes Sicht

Nach dem Abendessen durfte ich wieder auf mein Zimmer.
Mir war nicht entgangen, dass Akira und Mom kein Wort miteinander gewechselt hatten. Der Streit der beiden am Morgen schien nicht vergessen zu sein.

Ich zog meine Bettdecke etwas höher und beschloss mich auf das YouTube Video zu konzentrieren, was ich schaute. Dabei musste ich nach einiger Zeit eingeschlafen sein.

Der nächste Tag, Dienstag, begann für mich gegen neun Uhr, als ich nicht mehr schlafen konnte. Akira musste zur Schule und ich sollte mich noch von der Operation am Vortag erholen.

Im unteren Bereich vom Haus war es still. Niemand außer mir war da. Wie auch immer.
Auf dem Küchentisch fand ich einen Zettel, auf dem mein Name stand. Diesen drehte ich um und begann zu lesen:

Guten Morgen Großer
Heute ist bis Nachmittags leider niemand Zuhause. Zum Mittagessen kannst du dir was aus der Gefriertruhe aussuchen.
Übrigens: Jules hat vor Vormittags oder Mittags vorbeizukommen, um nach dir zu sehen und die OP Wunde anzuschauen. Ich soll dich vorwarnen, Jules hat Dienst. Er wird in Dienstkleidung sein. Nicht, dass du dich erschreckst.
Wir sehen uns heute Abend.
Hab dich lieb
Dad

Wie sollte ich das denn schaffen? Jules in Dienstkleidung und dann sollte ich ihn an mich ran lassen? Außerdem war ich alleine. Wie stellten die sich das vor? Ich alleine mit Jules in Dienstkleidung? Niemals.

Den Zettel legte ich zurück und beschloss zu frühstücken. Das übliche Schokomüsli und einen Becher Kakao.

»Das hat mir gestern schon etwas gefehlt«, sagte ich gedanklich zu mir selbst.

Während des Essens versuchte ich eine Lösung für das Problem zu finden, was Jules hieß.

»Wenn ich rausgehe, bekomme ich bestimmt später ärger. Also fällt das weg. Nicht aufmachen ist auch keine Option. Vielleicht hat Jules einen Schlüssel bekommen ... Ach man. Was soll ich machen?«, waren meine Überlegungen. Keine sinnvolle Lösung wollte mir einfallen.

Zur Ablenkung beschloss ich auf dem Fernseher im Wohnzimmer YouTube zu schauen. Das war um einiges cooler als auf dem kleinen Handydisplay.

Auf einmal klingelte es. Ich schreckte auf und wusste direkt, wer vor der Tür stand.

»Scheiße. Ich bin dafür noch nicht bereit. Was mache ich jetzt?«

Hektisch stand ich auf und ging zur Tür.

»Was, wenn ich nicht aufmache und mich hier verschanze? Hat er doch einen Schlüssel und klingelt aus Höflichkeit?«, schoss es mir durch den Kopf.

Mir kam ein Gedanke vom Vortag wieder in den Kopf: Ich durfte es mir mit Jules nicht verscherzen!

Zitternd näherte ich mich der Tür weiter, drückte die Klinke runter und sobald die Tür sich etwas geöffnet hatte, ging ich auf Sicherheitsabstand. Zum Vorschein kam Jules, wie angekündigt in rot gelber Dienstkleidung und hinter ihm eine weitere Person in Rettungsdienstuniform.

»Guten morgen Luke? Dürfen wir reinkommen?«, begrüßte Jules mich.
»Du alleine«, meinte ich. Es war schwer genug Jules in dem Outfit reinzulassen. Da brauchte ich wirklich keine zweite Person der Art hier drinnen.
»Okay. Das lässt sich einrichten«, stimmte er zu und wandte sich seinem Kollegen zu. »Sorry Chris. Ich muss alleine rein«. Sein Kollege zuckte nur mit den Schultern und blieb zurück, während Jules reinkam.

Er hatte den Rucksack dabei, in dem alles Mögliche medizinisches Zeug war.
Skeptisch wich ich zurück, bis ins Wohnzimmer. Jules folgte mir.

»Darf ich mir deinen Arm anschauen?«, kam er direkt zur Sache, wieso er hergekommen war.

Am liebsten hätte ich nein gesagt und mich versteckt.

»Geht ganz schnell. Wirklich. Ich mache die Schiene ab, nehme das Pflaster ab, schaue mir die Wunde an und wenn alles okay ist, mache ich einmal sauber, dann kommt ein neues Pflaster drauf, die Gipsschiene kommt wieder dran und fertig. Das ist keine große Sache«, erklärte er mir, was er vorhatte.

Seine Erklärung klang wirklich nicht schlimm. Wohl war mir dennoch nicht dabei. Unsicher setze ich mich aufs Sofa. Jules folgte mir.

»Dann zeig Mal her«, forderte er mich auf.

Bevor ich ihn auf meinen Arm schauen ließ, musste ich einmal durchatmen und mir selbst Gedanklich sagen, dass Jules keinen Grund hatte mir was zu tun.

Nach wie vor zitternd hielt ich ihn den operierten Arm hin.

Wie angekündigt nahm er mir die Gipsschiene ab und legte sie auf Seite.

Eigentlich war es mehr eine Kunststoffschiene als richtiger Gips. Bevor er an das Pflaster ging, zog er sich Handschuhe an. Das schnalzende Geräusch verursachte unangenehme Gänsehaut.

»Wie sieht's mit den Schmerzen aus?«, erkundigte er sich. »Geht«, antwortete ich kurz. »Hast du Schmerzmittel genommen?« »Ibu nach dem Frühstück ...«

Jules sprühte das Pflaster mit etwas Desinfektionsmittel ein und ließ das einen Augenblick einziehen. Erst dann entfernte er es vorsichtig. Ich wandte meinen Blick ab. Wusste nicht, ob ich mir das anschauen wollte.

»Das sieht gut aus. Nicht erschrecken. Das wird einmal kalt«. Er sprühte Desinfektionsmittel auf die Wunde und säuberte diese. Ein neues Pflaster kam drauf, wonach ich wieder hinschauen konnte. Zu guter Letzt wurde die Schiene wieder angelegt und mit neuem Verband an meinem Unterarm fixiert.

»Das war es auch schon. Gut gemacht«, lobte er mich. Für mich war es nicht gut. Die ganze Zeit war ich hoch wachsam und das beanspruchte mich sehr. Insbesondere, wenn der Körper genauso lange sich für das Schlimmste wappnete.

»Gehts? Du hast etwas Farbe verloren im Gesicht«, fragte er besorgt. »Geht schon«, meinte ich. »Darf ich einmal Blutdruck messen?«.

»Bitte. Ich hab alles gegeben, um nicht weglaufen. Das strengt mich an dagegen anzukämpfen«, beschrieb ich ihm, weshalb ich auf einmal so ausgelaugt aussah.

»Ich verstehe das und ich möchte es wirklich respektieren, dass du gerade alles dafür gegeben hast nicht zu fliehen und jetzt in Ruhe dich erholen möchtest. Allerdings bist du hier alleine, sobald ich weg bin und das gefällt mir nicht«.

»Es wird nicht besser, wenn du länger hier bist. So kann ich mich nicht entspannen.«

Er runzelte die Stirn. Schien nach einer Lösung zu suchen. Leider gab es keine. Das wusste ich bereits. Weder Mom noch Dad konnten vorzeitig nach Hause kommen und er konnte schlecht hier bleiben, da ich sonst überhaupt nicht zu Ruhe kommen konnte.

Schwierige Situation.

Für mich würde es immer schwieriger die Panik zu unterdrücken. Sie wollte an die Oberfläche. Das wollte ich wiederum nicht.

Jules überlegte noch immer.
Mit jeder Minute die verging, kam es mir so vor, als würde die Luft in dem Raum dünner, sodass ich gefühlt immer weniger Sauerstoff zum Atmen hatte. Oder war es eine Panikattacke? Bitte nicht. Das kam in letzter Zeit viel zu häufig vor.

»Jules. Bitte. Ich kann das nicht mehr länger unterdrücken«, bat ich ihn endlich zu gehen, hoffend, dass es nicht zu spät war. Sein Blick wandte er zu mir.

Ich konnte ihn verstehen. Er wollte mich nicht unnötig konfrontieren, zeitgleich muss er dafür sorgen, dass ich alleine bleiben konnte und zu diesem Zeitpunkt war das nicht gegeben. Zwickmühle.

Die Panikattacke überkam mich komplett. Kalter Schweiß, zittern, Atemnot, Herzrasen.

Sie hatte wieder über mich gesiegt.

Jules versuchte zu mir durchzudringen. Seine Stimme klang weit entfernt und ich verstand kein Wort. Es gelang ihm nicht mich da raus zu holen, bevor die schwärze der Bewusstlosigkeit mich in ihren Bann gezogen hat.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt