- Kapitel 100 -

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!Achtung Triggerwarnung!
(Trigger: Tod)

Lukes Sicht

»Küche!«, rief Akira in Richtung Flur.
Kurz darauf stand ein in Notarztuniform gekleideter Jules im Türrahmen der Küche.

Die Nervosität in mir stieg an.

Sein Blick wanderte von Akira zu mir rüber.

»Was gibt’s?«, erkundigte sich Akira nach dem Grund seines Auftauchens.

Eine direkte Antwort gab es nicht, stattdessen setzte er sich auf Moms Platz am Tisch und legte die Arme vor sich auf den Tisch.

Mein Bauchgefühl sagte mir, dass was nicht stimmte.
Das letzte Mal, als er in Dienstkleidung unangemeldet bei uns aufgetaucht war, hatte er uns von Dads Unfall erzählt.
Was war es dieses Mal?
War Mom was passiert?

Da ich das Gefühl hatte, dass mir die Nervosität einen Stein in den Magen gelegt und mir damit den Appetit verdorben hat, legte ich die Gabel beiseite und schaute auf die Tischplatte.

»Du hast wieder schlechte Nachrichten, oder?« Akira schien es ebenso wie ich zu ahnen.

Jules atmete einmal tief ein und wieder aus.

»Wer dieses Mal? Mom?«, versuchte sie es aus Jules rauszubekommen.
Darauf schüttelte gefragter nur den Kopf. Auch sein Blick lag auf der Tischplatte und er sah sehr geknickt aus.

»Euren Eltern geht es gut«, gab er uns in dem Fall Entwarnung. Wollte trotzdem noch nicht mit der Sprache rausrücken, was passiert war.

»Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«. Meine Zwillingsschwester war aufgestanden und hatte die Hände auf der Tischplatte abgestützt.

»Bitte setzt dich wieder«, bat Jules sie darum, was Akira nach kurzem Zögern tat.

Dann hob er seinen Kopf und schaute mich an.

Sein Blick hatte was Entschuldigendes.
Immer wieder versuchte er die Worte über die Lippen zu bringen. Setzte zum Reden an, stoppte aber kurz bevor es schaffte zu sprechen.

Egal was es war, es fiel ihm schwer es auszusprechen und das ließ mich skeptisch und umso nervöser werden.
Mit einem Bein wippte ich nervös auf und ab.

»Ich weiß nicht, wie ich es am besten sagen soll«, setze er an, worauf wieder ein Moment der Stille folgte, bevor er die Worte über die Lippen brachte:
»Marius ist heute Nacht an Herzversagen verstorben. Die Kollegen haben noch eine ganze Weile versucht ihn zurückzuholen, jedoch ohne Erfolg.«

Wieder durchzog Stille die Küche.

Ich glaubte mich verhört zu haben.

»Marius tot?
Hab ich das gerade richtig verstanden?
Oder habe ich mich verhört?
Bitte lass mich das einfach falsch verstanden haben!«

Jules betroffener Blick ließ meine Zweifel daran, dass ich es falsch verstanden haben könnte schwinden.

»Ist er wirklich …?« Ich schaffte es nicht mal das verhängnisvolle Wort über die Lippen zu bringen.
»Es tut mir wirklich leid. Die Kollegen haben wirklich alles gegeben …«, brachte Jules mein letztes bisschen Zweifel zum Verpuffen.

Nein! Das kann nicht sein!
Er kann nicht tot sein!
Er saß doch letzten Dienstag noch neben mir. Wir wollten uns heute in der Schule wieder sehen.

Die Schule …
Er war nicht dort.
Hat nicht geschrieben.

Nein!

Akira legte ihre Arme um mich, aber ich stieß sie weg.
Das konnte ich gerade nicht gebrauchen.
Statt ihre Umarmung zuzulassen oder was dazu zu sagen sprang ich auf und flüchtete auf Gästeklo.

Dort stützte ich mich mit den Händen am Waschbecken ab. Schaute in den Spiegel. Sah mein Spiegelbild.

Wieder einmal hatte mein Gesicht jegliche Farbe verloren.

Meine Hände krallten sich in das Porzellan.

»Hatte es was damit zu tun, dass er bei mir war? Hatte er sich angesteckt und ist krank geworden? Kam das Herzversagen dadurch zustande?«

Wenn es so war, hatte ich Mitschuld an seinem Tod.
Ich hatte ihn wegschicken müssen, damit er sich nicht ansteckt.

Mir wurde schlecht.
Zum Glück war ich bereits im Bad und hatte es nicht weit bis zur Toilette.
Schnell ließ ich mich vor der Schüssel nieder und verabschiedete mein Mittagessen in die Kanalisation.

Die ersten Tränen verließen meine Augen, liefen mir über die Wangen zu meinem Kinn, von wo sie Heruntertropfen.

An der Tür klopfte es und ein »Luke? Alles klar da drinnen?«, kam von Jules.
»Alles bestens«, log ich.
In dem Moment wollte ich keine andere Person bei mir haben.
Ich wollte alleine sein.
»Darf ich reinkommen?«
»Nein!«

Ein erneuter Würgereiz überkam mich, wonach mein Magen wirklich alles rausgeschmissen haben musste.

Fix und alle ließ ich mich an der Wand nieder.

Ich hörte, wie die Tür sich öffnete, zog die Knie an und legte den Kopf in die Arme.

Leises rascheln von Kleidung neben mir ließ darauf schließen, dass sich jemand neben mich gesetzt hatte.

»Ich möchte alleine sein«, murmelte ich.

»Hast du dich übergeben?«, wollte Jules von mir wissen.
»Ist doch egal …«, meinte ich und zog mich noch einmal mehr zusammen.
»Nein. Mir ist das nicht egal. Du hast gerade erfahren, dass dein bester Freund gestorben ist. Da möchte ich sichergehen, dass du zurechtkommst«
Ich hob meinen Kopf und schaute ihn mit noch immer tränenverhangenen Augen an.
»Es ist egal! Sicher ist es meine Schuld, dass er jetzt tot ist! Er war Dienstag bei mir bevor du mich abgeholt hast. Da hat er sich sicher bei mir angesteckt, wodurch er krank geworden ist und letztendlich gestorben ist!
Wenn ich ihn weggeschickt hätte, wäre er jetzt vielleicht noch am Leben!«, schmetterte ich ihm entgegen und redete mich derart in Rage, dass meine Lunge gereizt wurde und ich einen Hustenanfall bekam.

»Marius war herzkrank. Das kann auch einen ganz anderen Grund gehabt haben«, versuchte er mich von den Schulgefühlen zu befreien.

Doch es war glasklar für mich.
Es passte einfach zu gut zusammen.

Sobald der Hustenanfall überstanden war, wollte ich aufstehen und den gefliesten Raum verlassen. Wollte in mein Zimmer und für mich alleine sein.

Jules hatte jedoch andere Pläne und zog mich in seine Arme. Besser gesagt er versuchte es. Ich wich noch rechtzeitig zurück und könnte aus dem Raum verschwinden. Vor der Tür wartete Akira.
Auch sie ließ ich einfach stehen, ging die Treppe nach oben, zu meinem Zimmer und verschanzte mich in diesem.
An der Tür ließ ich mich nieder und zog die Knie wieder an.

»Vielleicht ist das nur ein böser Alptraum. Er ist gar nicht tot. Ich werde sicher bald von meinem Wecker geweckt und alles ist in Ordnung!«

Und so wartete ich. Wartete darauf, „aufzuwachen“.
Doch es passierte nichts.
Ich blieb genau dort sitzen.
Weinend vor meiner Tür und gequält von den Schuldgefühlen.

Hätte ich es vielleicht verhindern können?

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt