- Kapitel 122 -

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Lukes Sicht

Irgendwann waren alle durch und der Trauerzug bildete sich. Die Sargträger positionierten sich am Sarg und hoben ihn sanft hoch, wonach Marius letzte Reise begann. Vom Inneren der Kirche zog der Trauerzug in Richtung Friedhof.
Am Grab angekommen stellten sich alle halbkreisförmig
drumherum.
Damien hatte sich hinter uns gestellt und mir sowie Akira eine Hand auf die Schulter gelegt.

Während der Pastor noch einige segnende Worte sagte, wurde der Sarg langsam abgelassen.

Sobald der Sarg seinen letzten Bestimmungsort erreicht hatte, bekam jeder Trauergast die Chance eine Blume oder ein bisschen Erde ins Grab und auf den Sarg zu werfen. Akira und ich hatten uns für Blumen entschieden. Wir holten uns je eine, gingen gemeinsam zum Grab.

Zeitgleich warfen wir unsere Blumen in das Loch vor uns.

»Ruhe in Frieden Marius«, waren meine Worte, während ich die Blume ins Grab fallen ließ.
Noch einen kurzen Moment blieben wir dort stehen, bevor wir zu Damien zurückkehrten.

Die Leute, die vor uns am Grab waren, hatten sich bereits aufgestellt und gingen einer nach dem anderen zu Chris uns Aylin.

»Was passiert da?«, fragte ich Damien mit dem Blick zu der Schlange vor Chris und Aylin gerichtet.
»Jetzt werden Beileidsbekundungen gegenüber der Familie ausgesprochen«, erklärte Damien, was vor sich ging.

Mir rutschte das Herz in die Hose.
Wie sollte ich ihm gegenübertreten?
War er noch sauer auf mich?
Wenn ja, möchte er mich überhaupt sehen?

Zu viele Fragen in meinem Kopf.

Die Schlange an Leuten wurde unaufhaltsam kürzer. Waren ja nicht allzu viele Leute, die mit dabei waren.

»Ich kann das nicht«, meinte ich und schüttelte leicht den Kopf.
»Wovor hast du Angst?«, hakte Damien nach.
»Was, wenn er sauer auf mich ist und mich nicht sehen möchte? Er hat auf der Wache bereits distanziert gewirkt!«
»Er wird nicht sauer auf dich sein. Außerdem bist du nicht alleine. Wir sind bei dir«, versuchte der nicht im Dienst befindliche Psychiater mir die Angst zu nehmen.
Mir war eiskalt und ich zitterte.
»Wir gehen da jetzt gemeinsam hin. Du musst nicht viel zu ihm sagen. Und falls was sein sollte, sind wir da. Du hast keine Schuld, an dem, was passiert ist und deswegen hat er nicht das Recht sauer auf dich zu sein.«
Leicht nickte ich. Unsicher war ich mir trotzdem.

Mit Damiens Hand im Rücken ging es auf Chris und Aylin zu. Ich konnte meinen Herzschlag im gesamten Körper spüren.
Akira hatte wieder eine Hand von mir in Beschlag genommen.
Je näher wir ihm kamen, desto größer wurde das verlangen in mir mich loszureißen und von Friedhof zu flüchten.

Bei den beiden angekommen, traf Chris Blick meinen und mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen. Seine Augen zeigten kaum Emotion. Sie waren beinahe ausdruckslos. Alleine die geschwollenen Augen und die tiefen dunklen Augenringe, zeigten, dass es ihm alles andere als gut ging.
Akira drückte meine Hand und war die Erste, die ihr Beileid aussprach. Damien tat es ihr gleich. Nur noch ich war übrig.

»Mein b-Beileid für das, w-was passiert ist …«, waren die Worte, die ich schaffte über meine Lippen zu bringen und ich hatte enorm damit zu kämpfen die
Tränen zu unterdrücken.
»Danke dir. Freut mich, auch, dass ihr herkommen seit«, bedankte Aylin sich bei uns. Auch bei ihr zeigten sich die Spuren der Trauer. Sie nahm erst mich und danach Akira in den Arm. Damien nickte sie zu.
Chris sagte kein Wort.
Unsere Blicke trafen noch ein letztes Mal aufeinander, bevor Damien mich mit leichtem Druck in meinem Rücken, dazu animierte weiterzulaufen.

»Was steht jetzt noch an?«, wollte Akira wissen, als wir den Friedhof verließen.
»Wir fahren gleich zum Bestattungsinstitut. Da gibt es Kaffee und Kuchen«, klärte Damien uns darüber auf, wie es weiter ging.
»Mir ist echt nicht nach Kuchen«, meinte ich und verzog das Gesicht.
»Mir wäre es wirklich wichtig, dass ihr beide noch was Esst. Zuhause werdet ihr, wenn erst heute Abend wieder essen, wenn überhaupt was runtergeht.«

Scheint als hätte ich keine Wahl, als nachzugeben.

»Okay«, gab ich mich geschlagen. Ließ aber im Unterton meiner Stimme verlauten, dass nicht glücklich darüber war.

An Damiens Auto angekommen setzten wir Zwillinge uns wie immer auf die Rückbank.
»Mag keiner von euch auf den Beifahrersitz?« Damien schaute uns fragend an.
»Ne. Das machen wir schon immer so, damit es keinen Streit darüber gibt, wer vorne sitzen darf«, erklärte Akira ihm.
»Achso. Okay. Verstehe«. Damien startete den Motor und los ging es.

Ich lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und schloss die Augen. Mir wollte Chris Blick nicht aus dem Kopf gehen. Ich konnte nicht erkennen, ob er sauer auf mich war, oder nicht.

Erst, als ich an der Schulter gerüttelt wurde, kam ich wieder aus meinen Gedanken. Verwirrt öffnete ich die Augen und schaute mich um. Das Auto stand. Die Tür auf meiner Seite war geöffnet und Akira stand neben mir.

»Komm. Wir sind da«, teilte sie mir mit.

War die Fahrt so kurz gewesen, oder war ich dermaßen in Gedanken versunken, dass ich nichts mitbekommen habe?

Wie auch immer.

Ich schnallte mich ab, stieg aus und lief mit Akira und Damien zum Gebäude des Bestattungsinstitutes.
Damien schien zu wissen, wo wir hin mussten und lief voraus.
Ankamen taten wir in einem kleineren Saal, mehrere Tische aneinander gestellt wurden und quasi einen großen Tisch bildeten. Drum herum wurden Stühle platziert, damit alle Gäste einen Platz hätte. Auf den Tischen stand bereits das Geschirr bereit, sowie Wasserflaschen, und ein bisschen Deko in Form von Blumen und Kerzen.

Damien loste uns an einem Platz, der mehr am Rand lag, um nicht mittendrin zu sitzen. War mir ganz recht. Mein Kopf hatte an diesem Tag echt genug und da musste ich nicht unbedingt noch zwischen den ganzen Leuten sitzen.
Ich setzte mich ganz an den Rand auf einen der Stühle, Akira setzte sich neben mich und Damien setzte sich neben sie. Uns gegenüber hatten sich ein paar Leute von der Wache hingesetzt. Ganz wohl fühlte ich mich damit nicht, aber besser vor mir, als neben mir.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt