- Kapitel 82 -

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Lukes Sicht

Regelmäßig Piepen drang in meine Ohren.
Dazu Stimmen links und rechts von mir.

Ich öffnete die Augen, drehte den Kopf nach links und rechts und versuchte auszumachen, wo ich mich befand.
Schnell erkannte ich, in was für einem Raum ich mich befand.
Überwachungsmonitor, Schränke mit unzählig viel medizinischem Krams, Menschen mit grüner Krankenhausuniform und Hauben auf dem Kopf.

Das Piepen begann schneller zu werden, als mein Herz anfing zu rasen.

»Bereit gleich das Metall in deinem Arm loszuwerden?«, fragte mich eine in grün gekleideten Person, die ich auf ihre Frage hin nur geschickt anschaute.

Was war hier los?
Habe ich was verpasst?

»Wir werden gleich anfangen. Du kennst das Vorgehen ja bereits aus deiner ersten OP. Gleich wirst du einschlafen und wenn du wieder wach wirst, ist es bereits geschafft«, erklärte dieselbe Person.

Hektisch versuchte ich mich aufzusetzen, wurde jedoch prompt an den Schultern gepackt und zurück in eine liegende Position gedrückt.

»Ne. Nichts da. Es wird nicht abgehauen. Du hast zugestimmt, also wirst du jetzt auch brav mitmachen!«

»Wann soll ich dem zugestimmt haben?
Daran kann ich mich nicht erinnern!«

Die Angst hatte sich derweil zur Panik weiterentwickelt und begann sich Stück für Stück in mir breitzumachen.
Das zeigte vor allem das Piepen des Monitors und meine Atemfrequenz, die von Sekunde zu Sekunde immer mehr außer Kontrolle geriet.

»Und ich dachte, er hätte es mit Dr. Martens in den Griff bekommen. Anscheinend ja nicht. Können wir anfangen, bevor er uns aus den Latschen kippt?«, wollte die grün gekleidete Person, die an meinem Kopf stand, von einer anderen grün gekleideten Person im Raum wissen.
»Wir dürften anfangen«, meinte diese.
»Dann los!«

Die beiden schienen sich einig zu sein, ich jedoch wollte das auf gar keinen Fall, weshalb ich einen weiteren Fluchtversuch wagte.
Doch auch dieses Mal wurde ich wieder in die Waagerechte Position gedrückt.
Aufgeben kam für mich trotzdem nicht infrage und ich versuchte die Hände loszuwerden, die versuchten mich festzuhalten.

»Das hat doch keinen Zweck. Bleib doch einfach still liegen, lass uns unsere Arbeit machen und hör auf so ein Drama zu veranstalten«, meckerte die Person hinter mir mich an, während sie und zwei andere mich festhielten.

Meine Arme wurden festgeschnallt. Jemand fixierte meinen Kopf und am Bauch war ich bereits zuvor fest.

Mittlerweile liefen auch die Tränen und mein Atem ging unregelmäßig.

Es schien sich zu wiederholen.
Es war genauso wie damals als ich klein war.
Das Festhalten, das fixieren, das Unverständnis meiner Angst.

»Lasst mich in Ruhe!«, brachte ich hervor. Interessierten tat es niemanden.

Die Sauerstoffmaske kam in mein Sichtfeld und ich versuchte mit aller Kraft meinen Kopf zu drehen, damit das nach Plastik riechende Ding nicht näher an mein Gesicht kam.
Der Griff der Person, die mein Kopf fixierte, war jedoch zu stark und ich hatte keine Chance.

»Nein!«, versuchte ich es weiter.

Die Maske wurde auf mein Gesicht gelegt, zeitgleich machte sich jemand an meiner linken Hand zu schaffen.

»Lasst mich in Ruhe...!«

Mir wurde schummerig. Ob das bereits von den Medikamenten kam, oder durch die Panikattacke kam, wusste ich nicht.

Bevor ich noch ein Wort sagen konnte, begann sich der Raum zu drehen, gefühlt blieb mir die Luft weg und keine zehn Sekunden später war es schwarz.

- - -

Nach Luft japsend wachte ich auf und hatte mich kerzengerade in mein Bett gesetzt.
Eine Hand hatte ich auf meinen Brustkorb gelegt, wodurch ich mein Herz hinter den Rippen schnell schlagen spürte.
Über meine Wangen liefen die Tränen, wanderten weiter zu meinem Kinn und Tropfen auf die Bettdecke.

Ich musste erstmal registrieren, dass ich mich in meinem Zimmer befand und nicht im Krankenhaus.

»War das nur ein Traum?«

Mit meiner rechten Hand tastete ich nach dem Lichtschalter meiner Nachttischlampe.
Als ich diesen gefunden hatte, schaltete ich das kleine Licht ein, was mich trotz der niedrigeren Lichtintensität, gegenüber meiner Deckenlampe, trotzdem kurz blendete.

Nachdem sich meine Augen an das Lichtlevel gewohnt hatten, schaute ich zu meinem rechten Arm.
Kein Verband, keine Schmerzen.
Dann schaute ich zum linken und fand dort den Zugang.
Sofort erinnerte ich mich daran, wann und wieso ich den gelegt bekommen hatte.

Trotzdem war das für meine Angst in diesem Moment ein Dorn im Auge weshalb ich zuerst das Pflaster abknibbelte, was ziemlich gut klebte, und danach den Plastikschlauch aus meiner Vene zog.

Mein Vorhaben war nicht gerade durchdacht gewesen, da ich vergesse hatte, dass aus der Einstichstelle Blut kam, als der Zugang raus war.
Schnell fischte ich aus meiner Nachttischschublade die Packung Taschentücher, versuchte diese mit einer Hand aufzubekommen, was hat nicht so einfach war, genauso wie das Rausfischen eines einzigen Taschentuchs. Sobald ich eins in der Hand hatte, drückte ich es auf die Stelle, wo vor kurzem noch der Zugang war.

Besagtes Stück Plastik warf ich zusammen mit dem Taschentuch in den Müll, sobald die Blutung aufgehört hatte.

Tief atmete ich ein und aus, versuchte die innere Unruhe, die noch immer für leichtes Herzrasen sorgte, aus meinem Körper zu vertreiben.
Doch sie war hartnäckig und ließ sich nicht so einfach verscheuchen.

Wie spät war es überhaupt?

Um mir diese Frage zu beantworten, schaute ich auf meinem Wecker nach, der mir mit roten Ziffern die Uhrzeit 3:27 Uhr anzeigte.

Frustriert ausatmend ließ ich mich wieder in eine liegende Position fallen und starrte an die Zimmerdecke.

Es war einfach noch mitten in der Nacht.
Viel zu früh, um ans Aufstehen zu denken.
An weiterschlafen war jedoch auch nicht zu denken. Dafür war ich viel zu unruhig und die Angst vor einem weiteren Alptraum dieser Art war zu groß.

Einige Zeit lag ich einfach nur herum und starrte einen Punkt an.
Ließ die Gedanken kreisen.
Ich war viel zu erschöpft, um mich dagegen zu wehren.

»Was, wenn das genauso abläuft bei der zweiten OP in ein paar Monaten?
Was, wenn ich trotz der Fortschritte, das nicht hinbekomme?«

Dieser Gedanke löste bei mir Bauchschmerzen aus.
Auf gar keinen Fall wollte ich dir Situation von damals und die aus diesem Traum noch einmal in Real erleben. Einmal in Real und einmal im Traum reichten mir vollkommen. Nochmal hielt ich das nicht aus!

Leichtes Zittern hatte eingesetzt.
Nicht aus Kälte, sondern aus Angst.

Am liebsten wäre ich in diesem Moment aufgestanden und rüber zu Akira ins Zimmer gegangen, um nicht ganz alleine zu sein.
Da sie in dieser Nacht nicht zuhause war, sondern bei Viola übernachtete, blieb mir nichts anderes übrig als das alleine durchzustehen.

»Ich schaff das auch alleine. Schließlich bin ich kein Kind mehr.
Akira ist nicht für mich und mein Wohlergehen verantwortlich. Ich muss das alleine schaffen!«

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt