- Kapitel 84 -

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Lukes Sicht

Acht Uhr.
Mein Wecker ging los.
Ich schaltete ihn aus und legte mir den Arm quer übers Gesicht.

Bereits zwei Stunden lag ich wach in meinem Bett und war wieder Opfer meiner Gedanken.

Mein Herz hatte schon längst den Bereich des Ruhepulses verlassen und ließ mich die Auswirkungen des ganzen Nachdenkens spüren.

»Ich schaffe das heute nicht!«

Der Satz schwirrte mir nicht zum ersten Mal durch den Kopf an diesem Tag.

»Soll ich heute einfach schwänzen?
Was, wenn Mom das rausbekommt? Das gibt doch sicher höllisch Ärger.
Und was ist mit Damien?
Interessiert es ihn wirklich, ob ich auftauche oder nicht?
Was wird er denken, wenn ich nicht wie vereinbart auf der Wache erscheine?«

Leise seufzte ich.

Im Bett zu bleiben war keine Option. Spätestens in ein paar Minuten hatte Mom in meinem Zimmer gestanden und mich aus meinem bequemen Schlafgemach rausgejagt.
Und auf Ärger mit ihr am frühen Morgen, konnte ich getrost verzichten.

Unmotiviert bewegte ich mich aus dem Bett und sammelte mir Klamotten aus dem Schrank zusammen.
Meine Wahl fiel auf mein Lieblingsoutfit für die kühlere Zeit des Jahres.
Der Hoodie mit den verschiedenen Grüntönen, die ineinander verlaufen und eine schwarze Cargohose.

Unter den Hoodie zog ich mir noch ein T-Shirt drunter.

Fertig angezogen, ging ich leise runter in die Küche.

Trotz des Gefühls, dass mir ein Stein im Magen lag, wollte ich was essen, damit ich nicht riskierte umzukippen.

Ich war gerade dabei mir mein Müsli fertig zu machen, da kam Mom in die Küche.

»Guten Morgen«, kam es noch etwas verschlafen von ihr und sie ging zu der Kaffeemaschine, die dank der Timerfunktion bereits den Muntermacher für Erwachsene fertig gemacht hat.
Mit meiner Schüssel setzte ich mich an den Tisch und begann langsam zu essen.
Mom setzte sich mit an den Tisch.

»Ich fahre heute mit dem Bus«, teilte ich ihr meine Entscheidung mit, die ich in den zwei Stunden zischen Wachwerden und Wecker getroffen hatte.
Verwundert wanderten ihre Augenbrauen in die Höhe.
»Wie kommt's, dass du plötzlich mit dem Bus fahren willst, obwohl ich dich fahren könnte?«, wollte sie wissen.
»Da ich selbstständig diesen Termin wahrnehmen möchte. Ist ja nicht so, dass ich zum ersten Mal mit dem Bus dorthin fahre«, meinte ich. Verschwieg ihr aber den wahren Grund hinter dieser Entscheidung.

Einen kurzen Moment war es still.
»Okay. Du hast ja dein Schülerticket«, gab sie mir das okay.
»Danke«
Darauf nickte sie und nahm einen Schluck Kaffee aus ihrer Tasse.

Ein paar Minuten später war ich fertig mit essen und räumte mein Geschirr in den Geschirrspüler. Anschließend ging ich nach oben ins Bad, putzte meine Zähne, brachte meine Haare unter Kontrolle und ging nochmal aufs Klo. Danach verbrachte ich die verbliebene Zeit in meinem Zimmer.

Pünktlich ging ich nach unten und machte mich bereit zum Gehen.

Mom kam aus dem Wohnzimmer.
»Wie lange bist du heute da?«
»15 Uhr glaube ich«
Bisher hatte Damien noch nichts davon erwähnt, dass meine Zeit auf 18 Uhr ausgeweitet werden sollte.
»Okay. Sag Bescheid, wenn du doch länger bleiben muss«, bat sie mich drum, was ich nickend bestätigte.

Ich nahm meinen Schlüssel vom Schlüsselbrett und ließ diesen in eine der Hosentaschen verschwinden.

»Bis später«, verabschiedete ich mich.
»Bis später«, erwiderte sie das, wonach ich mir meine Jacke schnappte und nach draußen verschwand.

Ein Blick in den Himmel verriet mir, dass die Chance auf Sonne an diesen Tag nahezu null betrug. Denn eine Schicht aus grauen Wolken hatte den Himmel erobert. Laut Wetterapp konnte es sogar sein, das es noch regnete.

Langsam machte ich mich auf dem Weg zur Bushaltestelle.

Meine eiskalten und zitternden Hände hatte ich in meine Jackentaschen gesteckt.

Kurz vor der Haltestelle blieb ich stehen.

Die innere Unruhe machte mich beinahe wahnsinnig.
Das Dauerherzrasen raubte mir nicht nur Energie, sondern auch Nerven, da es sich so anfühlte, als würde mein Körper unter Strom stehen.

Und wenn das bereits vor der Ankunft auf der Wache so schlimm ist, wollte ich mir nicht ausmalen, was die Panik für mich bereithielt, wenn ich dort ankam.

»Tut mir leid ... Aber ich schaffe das heute nicht«, entschuldigte ich mich innerlich bei Mom und Damien.

Statt mich an die Haltestelle zu stellen, an der der Bus Richtung Norden und damit Richtung Klinik fährt, stellte ich mich auf die andere Seite. Fahrtrichtung Stadt.

Ich nutzte meinen Joker. Den Grund, weshalb ich unbedingt mit dem Bus fahren wollte.
So konnte mich niemand gegen meinen Willen bei der Klinik abliefern und sicherstellen, dass ich wirklich dort ankam.

Vor dem Bus in die Stadt fuhr von der gegenüberliegenden Straßenseite der Bus Richtung Klinik ab.
Dass ich dort nicht eingestiegen bin, in letzter Minute, hatte meine Entscheidung offiziell besiegelt.

Das schlechte Gewissen war da, aber egal wie sehr ich es auch wollte dort aufzutauchen, die Angst war stärker als ich.

Mein Bus Richtung Stadt kam, ich stieg ein und setzte mich hin.

Meinen Blick hatte ich nach draußen gerichtet. Stellte mir die Enttäuschung von Mom Damien und sogar Akira bildlich vor.

Die ersten Regentropfen trafen auf die Scheibe.
Mit der Zeit wurden es immer mehr, bis sich die einzelnen Regentropfen Wettrennen auf dem Glas lieferten.

Ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Scheibe und beobachtete weiter das Treiben der Regentropfen.

Das graue, nasse Wetter spiegelte meine Stimmung in mir drinnen wider. Die Wolken spiegelten die Angst, das schlechte Gewissen und die Sorgen um Dad wider, während der Regen andeutete, dass mir wegen der vielen Faktoren, die mir auf Gemüt schlugen, nach heulen zumute war.

An irgendeiner Haltestelle setzte sich jemand zu mir.
Die Tatsache, dass die Person neben mir fast nur am Husten war, war nicht sonderlich beruhigend für mich.

Irgendwann erreichte der Bus endlich den Hauptbahnhof und ich stieg aus.

Damit ich mich zumindest etwas vor dem Regen schütten konnte, setzte ich mir meine Kapuze auf.
Dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Ziel. Der Aasee.

Ich brauchte einen Ort, an dem ich meine Ruhe hatte und mich so schnell niemand fand.

Der Fußmarsch zu meinem Ziel nahm ein paar Minuten in Anspruch.

An einem Eckchen, wo kaum ein Mensch sich aufhielt, setzte ich mich auf die Kante einer Mauer. Die Ellenbogen stützte ich auf meinen Oberschenkeln ab und meinen Kopf legte ich auf die Hände.
Meine Augen hatte. Das Wasser fixiert, dass das Grau des Himmels spiegelte.

Eine ganze Weile das ich einfach da und starrte auf das Wasser.

Nach einer mir unbekannten Zeitspanne begann plötzlich mein Handy zu vibrieren.

Nicht nur kurz sonders länger, was darauf hinwies, dass mich jemand anrief.

War Damien mein fehlen aufgefallen und forschte nach, wo ich steckte?
Wenn ja, wer rief mich an?
Schließlich hatte er meine Nummer nicht.

Um das herauszufinden, musste ich mein Handy aus der Hosentasche holen und nachsehen.

Was ich auch tat.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt