- Kapitel 115 -

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Lukes Sicht

Die Schulklingel kündigte die erste Pause des Tages an.
Auch an diesem Tag regnete es. Deshalb durften wir die Pause im Gebäude verbringen.
Wir hatten uns einen Platz auf dem Boden in der Nähe des Vertretungsplans gesichert und aßen unsere Pausenbrote.

»Sagt Mal, wisst ihr was darüber, was mit Marius ist? Er fehlt ja schon über eine Woche«, kam die Frage von Nick. Ich hielt direkt inne.
War klar, dass die Frage irgendwann kam. Schließlich hatten weder Akira noch ich die beiden darüber aufgeklärt, was los war. Ich hatte es vorgehabt. Wusste aber nicht, wie ich es machen sollte.
Akira schaute zu mir. Schien sich unsicher, ob sie es den beiden sagen wollte.
»Alles in Ordnung? Ihr wirkt plötzlich so seltsam angespannt«, bemerkte Viola, dass das Thema wohl einen Nerv bei uns getroffen hatte.

Ich packte meine Brotdose weg und schaute den Boden an.

»Es ist so … Marius …«, setze ich an, traute mich aber nicht weiterzureden. Hilfesuchend sah ich zu Akira rüber, die verstand, was ich wollte, zu Nick und Viola schaute und mit einem Finger nach oben zeigte. Sie konnte es wohl auch nicht aussprechen.
Nicks fragender Gesichtsausdruck verriet uns, dass er nicht verstanden hatte, was Akira mit ihrer Geste ausdrücken wollte.
Viola hingehen schien besorgt.
»Nein. Oder?«, wollte sie sich vergewissern, es falsch verstanden zu haben.
»Hä? Ich Checks nicht. Was ist denn los?«, fragte Nick, der immer noch nicht verstanden hatte, was los war.
»Leider ja«, ging Akira auf Violas Nachfrage ein.
»Seit wann?«
»Letzte Woche Montag«
»Scheiße …«

Während des Gesprächs schien auch Nick zu verstehen, was passiert war. Sein fragender Ausdruck verschwand von seinem Gesicht und ein betroffener übernahm.

»Tut uns leid, dass wir euch nicht früher davon erzählt haben. Wir wussten nicht wie«, entschuldigte ich mich.
»Nicht schlimm! Ist sicher schon schwer genug damit klarzukommen. Du kanntest ihn ja am besten«, meinte Viola, worauf ich leicht nickte.
»Ich hab ja mit einigem gerechnet, dass er im Krankenhaus liegt oder so, aber nicht damit, dass er tot ist …«, kam es von Nick.
»Für uns kam das auch überraschend«, sagte Akira.

Betretenes Schweigen. Niemand sagte mehr ein Wort. Das zog sich bis zum Pausenende.
Ich erhob mich und schulterte meinen Schulranzen. Der Rest der Clique tat es mir gleich und wir machten uns auf den Weg zum nächsten Klassenraum.
Auf dem Weg dorthin legte Nick mir eine Hand auf die Schulter.

»Wenn du reden möchtest, kannst du zu mir kommen okay? Ist sicher nicht einfach damit umzugehen«, bot er mir an.
»Danke«, bedankte ich mich.

Der Rest des Schultages verging quälend.

Wieder zu Hause gab es erstmal Mittagessen. Darum hatte sich an diesem Tag Dad gekümmert. Danach ging ich auf mein Zimmer und wollte mich an die Hausaufgaben setzten. Mein Kopf war jedoch zu sehr mit dem Marius Thema beschäftigt.

Mir fiel Damiens Vorschlag mit dem Brief schreiben wieder ein. Zwar hatte ich bereits einen verfasst, aber wer sagt, dass es bei einem bleiben sollte?

In der Hoffnung, dass es mir half mein Gedanken zu sortieren, nahm ich meinen Block und einen Stift zur Hand und begann zu schreiben.
Dieses Mal fiel es mir leichter einen Anfang zu finden.

»Hey Marius,
Ich hoffe, dir geht es gut da oben.
Mir geht es so lala. Mich beschäftigt es immer noch, dass du nicht mehr da bist.
Heute haben Akira und ich es geschafft Nick und Viola davon zu erzählen. Die beiden sind auch schockiert darüber, was passiert ist.
Übrigens, ich hab deinen Papa gestern getroffen. Er wirkte seltsam auf mich. So distanziert. Du scheinst ihm sehr zu fehlen. Deine Tante scheint ihm aber Beistand zu leisten und bei der Planung deiner Beerdigung zu helfen.
Vielleicht werde ich dorthin gehen. Noch bin ich mir nicht zu hundert Prozent sicher, denn ich hab das Gefühl, dass ich dort nicht hingehöre. Aber ich glaube, dass du es wollen würdest, dass ich dort bin. Damien meint auch, dass ich hingehen sollte. Zum Abschied nehmen.
Mal schauen wie ich mich letztendlich wirklich entscheiden werde.
Pass du da oben auf dich auf.«

Ich legte den Stift beiseite und las mir den Brief noch einmal durch. Sonderlich lang ist er nicht geworden, aber ich hatte das Gefühl ein wenig sortierter im Kopf zu sein.
Ausreichend, um mich an die Hausaufgaben zu setzen.
Für die brauchte ich ungefähr eine Stunde, dann erlaubte ich es mir in den faulenz Modus umzuschalten und mich auf mein Bett zu chillen.

Die nächsten Tage vergingen ähnlich und das Wochenende näherte sich.
Damit auch der nächste Samstag.

Wie jeden Samstag ging mein Wecker um acht los.
Verschlafenen und unmotiviert aufzustehen, zog ich mir die Bettdecke über den Kopf und schaltete die Nervensäge namens Wecker aus. Das erste Mal traf ich nicht. Erst beim zweiten versuch war ruhe.

Fünf Minuten vergingen, bis ich mich dazu aufraffen konnte mein bequemes warmes Bett zu verlassen und mich auf den Weg nach unten zu machen. Frühstücken stand auf dem Plan. Denn ohne Mampf kein Kampf. Die Energie hatte ich nötig, sonst überstand ich diesen Tag nicht.

Noch etwas schlaftrunken tapste ich die Treppe runter.
Aus der Küche waren die Stimmen von Mom und Akira zu hören. Ich gesellte mich dazu.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt