- Kapitel 142 -

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Lukes Sicht

»Bis später. Melde dich, wenn ich dich abholen soll!«, sagte Mom zu mir, bevor ich Ausstieg und die Autotür schloss. Ich winkte Mom und Akira noch einmal zu, bevor sie das Klinikgelände verließen und ich mich auf den Weg zur Wache machte.

Vor der Tür wartete Damien auf mich.
»Guten Morgen« begrüßte er mich, als er mich entdeckt hatte.
»Morgen«, erwiderte ich.
»Wollen wir reingehen?«, fragte er mich und deutete auf die Tür.
Nickend stimmte ich ihm zu und er ging vor ins Innere der Wache. Ich folgte ihm.

Im Aufenthaltsraum angekommen machte ich dasselbe wie immer. Mir einen Überblick darüber verschaffen, wer da ist, mich mit genug Abstand zu den anderen aufs Sofa setzen und mich mit der Situation akklimatisieren.

An diesem Tag waren von denen, die ich die Namen kannte, Manuel, Lea, Daniel, Noah und Valerius im Dienst.

Ich schaute über den Augenwinkel zu Damien rüber, der sich mit Noah unterhielt.

»Wann sollte ich mit ihm reden? Jetzt oder lieber später? Jetzt wäre er auf jeden Fall da. Später könnte er im Einsatz sein …«

Ungern wollte ich ihm bei seinem Gespräch mit Noah stören.
Deswegen verschob ich mein Gespräch mit ihm auf später. In der Hoffnung, dass kein Einsatz es verhinderte.
Ich brauchte dringend Hilfe, um mich zu entscheiden.
Alleine schaffte ich das nicht oder ließ meine Angst gewinnen.

Eine ganze Stunde verging. Die übliche Zeit, die Damien mir gab zum Akklimatisieren. Zumindest, wenn er keinen Einsatz bekam.

»Wollen wir rübergehen?«

Für mich war klar was das bedeutete. Es war wieder Zeit für eine runde Konfrontationstherapie. Zustimmend nickte ich und ging mit Damien in den wacheneigenen Behandlungsraum. Dort brachte ich die übliche runde des Teilschemas hinter mich. Von Woche zu Woche wurde es besser mit den Teilen, die ich bereits kannte. Allerdings kam pro Woche immer was Neues dazu, wenn meine Angst es erlaubte. Diese Woche war es die Pupillenkontrolle, die neu dazu kam.

Nachdem wir durch waren, räumte Damien die Sachen wieder weg, die er gebraucht hatte.

Das war meine Chance das Gespräch zu starten. Ihn nach Rat zu fragen. Ich zögerte noch einen Moment. Erst als Damien sich wieder zu mir umdrehte, schaffte ich es die Worte über meine Lippen zu bekommen.
»Kann ich sie was fragen?«

»Klar kannst du das.« Der Psychiater / Notarzt ließ sich vor mir auf den Rollhocker nieder.

»Ich hatte gestern mein erstes Treffen mit dem Schulsanitätsdienst«, begann ich das Thema anzusprechen und musste mir überlegen, wie ich weiter machte.
Damien kam mir jedoch mit einer Frage zuvor.
»Wie war es?«
»Ganz okay glaube ich. Die Angst war da und ich war wirklich kurz davor einfach aus dem Raum zu flüchten. Zwei von den vier Leuten der Leitung sind Rettungssanitäter. Fynn ist einer von ihnen. Das hat wahrscheinlich einen ordentlichen Teil zu der Angst beigetragen«, erzählte ich ihm.
»Wo lagst du mit deiner Angst auf der Skala?«, wollte er, dass ich meine Angst einordnete.
Ich musste kurz überlegen. Die Angst hatte nicht überhandgenommen. Sie war aber mehr als präsent und es hatte nicht mehr viel gefehlt, bis sie überhandgenommen hatte und ich trotz meiner Selbstbeherrschung in Panik verfallen wäre.
»Ungefähr bei sieben oder acht«
»Was habt ihr denn gemacht?«, wollte er wissen.
»Nichts Großartiges. Kennlernrunde, Besprechung, was grob auf uns zukommt und danach haben wir noch was gespielt. Die eigentliche Ausbildung beginnt erst nächste Woche«, erzählte ich ihm grob, was am ersten Tag passiert war.
»Wirst du weiter hingehen?«

Genau das war die Frage, wo ich hoffte, dass er mir dabei helfen konnte sie zu beantworten.

»Keine Ahnung. Deswegen wollte ich mit ihnen darüber reden. Ich kann mich nicht entscheiden!«, teilte ich ihm mein Problem mit der Entscheidungsfindung mit.
»Was erschwert dir die Entscheidung?«
»Die Angst. Ich hab Angst, dass sie nächsten Dienstag überhandnimmt und nicht, wie gestern kurz davor war«, Erklärte ich.
»Die Angst vor der Angst.«

Die Angst vor der Angst?

Fragend schaute ich Damien an.

»Du hast Angst davor, dass du Panik bekommst. Denn die Panik könnte dich in eine Situation bringen, die die Angst noch weiter befeuert. Nämlich, dass sich um dich gekümmert wird und das von Leuten die du nicht einschätzen kannst«, ging er näher drauf ein, was er meinte.
»Was kann ich dagegen tun?«
»Du tust bereits was dagegen. Du gehst deine eigentliche Angst an. Und du redest darüber. Ich hab leider kein Wundermittel, was dir die Angst von jetzt auf gleich nehmen kann. Es braucht weiter seine Zeit. Du hast aber in den paar Wochen, die wir bereits miteinander arbeiten schon gute Fortschritte gemacht. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass du diese Ausbildung schaffen kannst! Wie oft hast du in der Woche Treffen mit der AG?«
»Zwei Mal. Dienstags und Freitags«, beantwortete ich deine Frage.
»Das passt gut. Da sehen wir uns zwischen den Tagen und können das, wenn nötig aufarbeiten. Außerdem hast du Akira an deiner Seite und Fynn. Fynn hat dir geholfen, als du die Panikattacke hattest, wo du dir deine Hände verletzt hattest durch den Sturz. Richtig?«
Zustimmend nickte ich.
»Da wusstest du ja noch nicht, dass er Rettungssanitäter ist. Wie wirkte er auf dich? Wirkte er wie eine Bedrohung?«

Ich erinnere mich an die Situation zurück.
Zu dem Zeitpunkt bin ich davon ausgegangen, dass Fynn ein normaler Schulsanitäter war. Deswegen hatte meine Angst keinen Grund völlig durch die Decke zu gehen. Das war jetzt anders.

»Nein«, war meine kurze Antwort auf Damiens Frage.
»Wenn du nochmal in die Situation geraten würdest, würdest du dir wieder von ihm helfen lassen?«, war seine nächste Frage.

»Wenn es nach meiner Angst ginge nicht. Ich würde aber sagen Ja, denn ich hab ihm schon einmal vertraut, obwohl ich es nicht wusste. Es würde sich ja nichts an der Situation ändern, außer, dass ich es jetzt weiß. Trotzdem ist eine Restangst da. Denn ich weiß nicht, wie er sich verhalten würde, wenn die Situation eine andere ist. Zum Beispiel, wenn es mir schlechter geht.«

Damien nickte. »Ich erwarte auch nicht, dass du deine Angst ihm gegenüber vergisst. Das, was ich möchte, ist, dass du weißt, dass sich eigentlich nichts verändert, nur weil du die Info jetzt hast, dass er nicht nur Schulsanitäter ist. Ja, es ist einfacher gesagt als getan, aber ich bin zuversichtlich, dass du das schaffst. Du bist da nicht alleine und falls was passiert ist Fynn da. Er weiß, was er tut. Und denk daran. Ohne Arzt darf er überhaupt nichts von dem machen, was dir Angst macht!«

Stimmt! Das hatte ich vollkommen vergessen! Ohne ärztliche Anweisung darf er viele der Maßnahmen, die er beherrscht nicht nutzen.

»Ich sollte es versuchen. Wenn’s mir zu viel wird, kann ich immer noch abbrechen«, entschied ich mich, hob den Blick und schaute zu Damien.

Er erwiderte meinen Blick.

»Ich versuche die Ausbildung zu machen«, teilte ich ihm meine Entscheidung mit, die hoffentlich die Richtige war.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt