- Kapitel 31 -

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Lukes Sicht

Von unten waren Stimmen zu hören. Aufgeregte Stimmen.
Noch halb schlafend gähnte ich und schaute auf die Uhr. Kurz vor neun. Wieso diskutierten sie um diese Uhrzeit bereits so laut?

Verstehen tat ich nichts.

Ich stand auf und ging näher zur Tür. Fetzenweise Worte konnte ich verstehen. Leider brachten mich diese nicht auf das Thema, worum es ging.

Ganz leise öffnete ich die Tür einen Spalt breit.

»Marie. Nein. Das geht so nicht!«, hörte ich Dad aufgeregt sagen.
»Gib mir eine Alternative? Glaub mir, wenn ich eine andere Lösung gefunden hätte, würde ich die anstreben! Leider ist die einfachste, nämlich Therapie, nicht so einfach zu bekommen. Die Wartelisten sind voll und lang. Die Zeit, bis ein Platz frei ist, dauert länger, als die Zeit bis zu dem zweiten OP Termin von Luke. Ich möchte nicht, dass er sich da durch quälen muss! Dafür muss er aber lernen, mit der Angst um zu gehen«, war es Mom, die redete.

Ich hatte mich aus meinem Zimmer und in Richtung Treppe geschlichen, um besser mithören zu können. Die Neugier war zu groß und es ging um mich, bzw. die Angst.

»Ich verstehe dich, aber das ist die falsche Herangehensweise! Du hetzt bereits Akira gegen dich auf und es ist klar, dass, wenn das so weiter geht, euer Verhältnis nachhaltig Schaden nimmt! Ist es das Wert?«, wollte Dad wissen.
»Sie wird sich schon wieder einkriegen. Das hat sie bisher immer«
»Nur, weil sie in der Vergangenheit über gewisse Konflikte hinweg gekommen ist, heißt das nicht, dass sie diesen ebenso leicht hinter sich lassen wird. Dieses Mal geht es um ihren Zwillingsbruder. Und das darfst du keinesfalls vergessen: Die beiden sind und bleiben Zwillinge! Verliert Akira das Vertrauen in dich, besteht die Chance, dass Luke ebenfalls das Vertrauen in dich verliert«, versuchte Dad ihr klarzumachen.

»Sie muss einfach verstehen, dass ich Luke nichts Böses will. Ich will ihm helfen!«

»Akira sieht die Situation aus einem anderen Blickwinkel. Hast du sie mal gefragt, wieso sie deine Pläne schlecht findet?«

»Sie ist der Meinung, dass ich Lukes Fortschritt mutwillig aufs Spiel setzte. Dabei ist mir das Risiko bewusst, aber ich habe Vertrauen in Luke, dass er das hinbekommt!«

Ich hörte Dad seufzten.

»Ich glaube auch, dass Luke dazu in der Lage ist, diese Angst in den Griff zu bekommen Marie. Aber auf einem anderen Weg. Was ist so falsch daran, dass Akira für ihn da ist? Wieso gehst du davon aus, dass sie ihm im Weg steht?«, ging er der Sache nun ruhiger auf den Grund.

»Sie hat einen stark ausgeprägten Beschützerinstinkt gegenüber Luke. Ich habe Angst, dass ihr das Mal zu Kopf steigt und sie vielleicht eine Situation mal falsch einschätzt.«

»Lass sie Luke am Montag begleiten. Vielleicht glättet das wieder die Wogen und ihr Verhalten wird normaler«, schlug Dad vor.
»Ich kann ihr doch nicht ihren Willen geben!«, hielt Mom dagegen an.
»Das hat überhaupt nichts damit zu tun!«
»Ich weiß nicht Markus. Nicht das sie was Unüberlegtes tut. Ihr Gemüt ist ziemlich aufgeheizt«
»Lass uns da später drüber reden. Ich brauche jetzt einen Kaffee!«

Das Gespräch schien beendet. Leise schlich ich mich in mein Zimmer zurück und ließ mich auf mein Bett fallen.

»Ist es das, wieso Akira sich seltsam verhält? Wieso hat sie mir nichts gesagt?«, fragte ich mich und legte den linken Arm quer über mein Gesicht.

Ich hoffte, dass Dad Mom irgendwie zur Vernunft bringen konnte. Ansonsten war der Montag eine potenzielle Katastrophe.

Eine halbe Stunde lang ich in meinem Bett herum und ließ in meinen Gedanken das Gespräch von Mom und Dad weiter Revue passieren.

Erst mein grummelnder Magen machte darauf aufmerksam, dass ich was Frühstücken sollte.

»Jetzt nichts anmerken lassen, dass du was mitbekommen hast«, redete ich mir ein und ging nach unten in die Küche. Dort saß Dad am Tisch, hatte sein Handy in der Hand und auf dem Tisch vor sich eine Tasse Kaffee stehen.

»Morgen«, brummte ich ihm zu. Er hob den Blick und erwiderte mit einem: »Guten morgen großer.«

Zum Frühstück gab es die obligatorische Schüssel Schokomüsli mit einer Tasse Milch. Damit setzte ich mich zu Dad.

»Schon was von Akira gehört?«, wollte er wissen, worauf ich den Kopf schüttelte. »Sie war nur gestern Abend bei mir und ist wohl irgendwann heute Nacht zurück in ihr Zimmer gegangen«, erzählte ich, nachdem ich geschluckt hatte.

»Bist du sauer auf sie?«
Er schaute zu mir und schüttelte den Kopf. »Nein. Das einzige, was mich ein wenig enttäuscht ist, dass sie weder mit mir noch mit Jules darüber redet. Dabei weiß sie, dass sie mit mir immer reden kann. Vielleicht hänge ich in ihren Augen auch zu sehr mit drin. Keine Ahnung ...«

Ich verstand, was er meinte. Erklärte aber nicht, wieso sie sich nicht auf das Gespräch mit Jules eingelassen hatte. Lag es daran, dass Jules Moms Bruder ist und sie glaubt, dass er hinter Mom stand?

Dabei hat er uns doch bewiesen, dass er sich seine eigene Meinung bildet und nicht blindlings Moms Meinung folgt.

Grübelnd aß ich auf und räumte mein Geschirr ab, wonach ich wieder hoch ins Zimmer ging.

»Bis Montag sind es noch knapp zwei Tage. Reicht die Zeit, damit Dad was bei Mom bewirken kann oder bin ich der möglichen Katastrophe ausgesetzt?«

Zu viele Fragen, zu wenig Antworten, zu wenig Zeit Antworten zu finden.

Ein Rumsen holte mich aus meinen Gedanken und ich saß kerzengerade im Bett.

Was war das?

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt